Erstellt am: 29. 11. 2011 - 13:23 Uhr
Die Neue Light-Kultur
Ein Konzert ohne Musik, ein Maler ohne Farbe, eine Lesung aus einem Werbe-Prospekt. So sieht die neue Linzer Light-Kultur aus. Mit dieser Aktion auf der Linzer Landstraße haben Mitte November zahlreiche Künstler, Bands und Kultur-Initiativen wie die KAPU, Radio FRO uvm. auf ihre angespannte finanzielle Situation aufmerksam gemacht, denn Ende des Jahres friert die Subkultur der Stadt wie die Donau bei Minusgraden: (Strom-)Rechnungen und Veranstaltungen können nicht mehr bezahlt werden, Konzerte werden abgesagt und die Publikation des Veranstaltungsmagazins KAPUZINE wurde erstmals in der Geschichte des Kulturzentrums eingestellt. Das ist ein schwerer Schlag für die KAPU, denn nicht nur sie kämpft seit der Privatisierung der Plakatflächen um öffentliche Aufmerksamkeit.
Thomas Diesenreiter (links im Bild) ist Künstler und berichtet regelmässig in seinem Blog über die (kultur-)politischen Entwicklungen der Stadt Linz.
KAPU Linz
Linz verendet - ohne freie Kultur
Über 35 Initiativen haben einen offenen Brief mit dem Betreff "Linz verendet - ohne freie Kultur" an Vizebürgermeister und Kulturstadtrat Erich Watzl geschrieben. Darin fordern sie die Erhöhung des Anteils des Kulturbudgets für die freie Szene auf fünf Prozent, also mindestens 2,3 Millionen Euro. Seit 2004 stagniert das Budget von KAPU, KUPF und Co. bei 2,7 Prozent. Weil ringsum alles teurer wird und die Subventionen nicht inflationsbereinigt sind, bleibt den Initiativen immer weniger Geld für ihre Arbeit.
Doch nicht nur die geringe Fördersumme, auch der späte Auszahlungszeitpunkt macht den Kulturinitiativen das Leben schwer. In vielen Fällen wird das Geld erst im Herbst überwiesen, was bedeutet, dass unnötige Bankspesen wie Minuszinsen anfallen.
Die Protest-Aktion auf der Linzer Landstraße
Brain Drain
Die Folge dieser Kulturpolitik ist, dass viele Kreative wegziehen. Die Stadt verliert ihr künstlerisches Potenzial. Eine Gruppe junger Kunst-Uni-Absolventen hat in Wien den Off-Space Project Love gegründet, weil ihnen Linz zu überschaubar und die Möglichkeiten auszustellen, zu gering waren. Das ist nur ein Beispiel des künstlerischen Brain-Drains, der auch Philipp Kroll aka Flip von Texta auffällt. Er ist nicht nur Vereinsobmann der KAPU, sondern auch Lehrbeauftragter an der Kunst-Universität Linz:
"Wenn ich keine Jobs kriege und auch keine Aufträge für meine Kunst, was bleibt mir denn anderes übrig als wegzugehen? (…) Wenn zu viele gute Leute weggehen, dann wird die Übermacht des Mainstreams unerträglich. Da muss man halt auch dahinter bleiben, dass man spannend bleibt."
Die Stadt Linz bemüht sich künstlerisch spannend zu bleiben, und das nicht erst seitdem sie 2009 europäische Kulturhauptstadt war. Linz legt den Fokus aber vor allem auf Hochkultur, wie ARS Electronica, Lentos und das neue Musiktheater. Doch Kulturstadtrat Erich Watzl betont, dass ihm die freie Szene am Herzen liegt und begrüßt auch den Protestbrief:
"Es ist gut, dass sich die Freien aus der Kunst- und Kulturszene immer wieder melden und auf die Notwendigkeit von Ressourcen hinweisen. Auch der Zeitpunkt ist richtig gewählt, denn dieser Brief kommt genau zum Start der Diskussion des neuen Kultur-Entwicklungsplans für Linz, in dem die wichtigsten strategischen Zielsetzungen der Kulturpolitik der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre abgesteckt werden."
Kapu Linz
Doch beim Telefonat mit Erich Watzl kommen auch einige Ungereimtheiten zu Tage: Seinen Angaben zufolge bekommt die freie Szene drei Viertel des ihm unterstellten Linzer Kulturförderbudgets, während im offenen Brief 2,7 Prozent kolportiert werden. Verschiedene Initiativen versuchen auch seit längerem vergeblich einen Termin mit Erich Watzl zu vereinbaren. Doch er bestreitet die Gesprächsverweigerung und verweist auf seine Antwort auf den offenen Brief.
Erich Watzl versteht die Forderung nach mehr Geld, doch nachdem in so vielen anderen Bereichen drastisch gespart wird, verzeichnet er das Halten der Fördersummen schon als Erfolg. Eine Möglichkeit neben finanziellen Mitteln, wie man der freien Szene helfen könnte, sieht er in einer Öffnung der etablierten Kulturbetriebe. Watzl könnte sich vorstellen, "die freie Szene noch mehr in die klassisch-tradierten Kultur-Infrastrukturen der Stadt zu implementieren".
Hätt I, war I
Hier geht´s zum KAPU-Blog "Die Neue Light-Kultur"
Kapu Linz
Wenn in Zukunft nicht mehr Geld für die freie Szene zur Verfügung steht, könnte sich Linz trotz aller Bemühungen in eine trostlose Kulturlandschaft ohne Besucher entwickeln. Denn die freie Szene ist nicht nur die Basis für ein innovatives und vielfältiges Kulturleben, sondern ist auch für die niederschwellige kulturelle Bildung der Jugendlichen verantwortlich.
Bei der Podiumsdiskussion zum Thema "Die neue Lightkultur" im Kepler-Salon waren sich alle Anwesenden einig, dass der Hauptkonkurrent der Off-Szene Großraumdiscos und das grassierende Saturday-Night-Fever sind. Philipp Kroll bringt es auf den Punkt:
"In den Diskos wird die Jugend mit nichts konfrontiert was außerhalb der Norm ist. Die bekommen dort nie eine Kante oder Ecke zu Gesicht und bekommt immer nur die Konformität vorgespielt. (…) Irgendwann muss man doch das kulturelle Interesse wecken und wenn ich in jungen Jahren nie mit Kunst und Kultur konfrontiert werde, die mir komisch vorkommt und mich zum Denken anregt, dann werde ich mich auch als Erwachsener nicht für das Theater, Kino oder Museen interessieren. Da stirbt man um das eigene Publikum in 20 Jahren und dann kann man eine Großraumdisco aus dem Lentos oder dem Musiktheater machen."