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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

26. 11. 2011 - 14:24

Superlativen zum Quadrat

Überwiegend im Untergrund wuchs das neue "Joanneumsviertel" in Graz. Dieses Wochenende wird es eröffnet.

Das Joanneum ist heute 200 Jahre alt. Das kümmert nicht nur Freunde der Monarchie. Es könnte ein Anlass sein, ein innerstädtisches Areal ab sofort zu einem schönen Treffpunkt zu machen. Denn: Zum Geburtstag bekommen die GrazerInnen das "Joanneumsviertel". Ob das Museumsviertel ein Pendant zum Wiener Museumsquartier werden wird?

Das Grazer Joanneumsviertel bei Tag

UMJ / N. Lackner

Im Untergrund

Die erste Teileröffnung des "Joanneumsviertel" passiert heute, 26. November 2011: Die Neue Galerie wird wieder aufgesperrt und Günter Brus erhält ein eigenes Museum, das BRUSEUM. Gewachsen ist das "Joanneumsviertel" überwiegend im Untergrund. Mit dem Streit, den sich Peter Weibel und Kunsthaus-Intendant Peter Pakesch in der Planung des Eröffnungswochenendes medial lieferten, hat das nichts zu tun.

Unter Schutz steht in Graz vieles. Die gesamte Dachlandschaft der Innenstadt zum Beispiel, die das Bild ergibt, das zum UNESCO Weltkulturerbe passt. Und im neuen Joanneumsviertel sind der alte Lesliehof und der späthistorische, alte Neubau geschützt, in dem nun die Neue Galerie untergebracht wird. Darum musste die bauliche Erweiterung unterirdisch passieren, erklärt Hofrat Christian Brugger. Der Leiter des Landeskonservatorats Steiermark hat ein Auge auf Objekte, die erhalten werden wollen.

Dich im Bruseum umsehen kannst du auch noch später, zum Beispiel ausführlich am 4. Dezember 2011.

Tankstellen, Kioske und alte Brückensteine! Unter Denkmalschutz stehen skurrile Dinge. Ein Rundgang im Joanneumsviertel ist heute nur den ganz Neugierigen vorbehalten, die sich um Zeitkarten gekümmert haben. Die Eröffnungsausstellung "Moderne: Selbstmord der Kunst?" in der Neuen Galerie, die Peter Weibel dann doch noch mit Christa Steinle und Gudrun Danzer kuratiert hat, wird überlaufen.

Wie wäre es indessen mit einem Spaziergang zum Best-Of der ungewöhnlichen, denkmalgeschützten Objekte in der näheren Umgebung?

Blick vom unterirdischen BesucherInnenzentrum des neuen Joanneumsviertels auf das Gebäude der Landesbibliothek durch Glaskuppel

UMJ / N. Lackner

Skurriles geschützt

Die Tankstelle am nahen Andreas-Hofer-Platz ist entgegen anders lautenden Gerüchten nicht schutzbedürftig. Sie sei ja ein "relativ junges 'Kunstprodukt', nachdem dort in den Sechziger Jahren ein Kloster abgerissen wurde", weiß Landeskonservator Christian Brugger. Die Tankstelle hat er sich angeschaut, aber festgestellt, dass sie keine "so hohe Wertigkeit habe" wie etwa das Gebäude im Rücken. Fast kubistisch wirkt das Haus, in dem heute die Holding Graz sitzt. Der Architekt, Rambald von Steinbüchel-Rheinwall, war seiner Zeit voraus.

Mit dem Schutz von Tankstellen hatte Brugger bislang noch kein Erfolgserlebnis. Ein tolles Exemplar mit einem halben Schmetterlingsflügel-Dach - "leicht spannend diagonal aufgestellt, wie es in den sechziger Jahren üblich war" - konnte das Landeskonservatorat nicht vor dem Abriss bewahren. All die Dynamik, der Ausdruck der Leichtigkeit von Bewegung und des Ungebunden-Seins in der Architektur waren schlußendlich nicht genug, damit die Tankstelle als Denkmal durchgegangen wäre.

Leuchtzug in Form von Blumen von der Künstlerin Paulina Olowska Natasza auf das Dach der Tankstelle am Grazer Andreas-Hofer-Platz platziert.

Wolfgang Silveri

Die polnischen Leuchtreklamen aus den 1950er und 1960er Jahren sind leider nicht mehr am Dach: Die hat die Künstlerin Paulina Olowska während des steirischen herbst 2010 dort angebracht. Dahinter: Ein Gebäude unter Denkmalschutz nahe des Joanneumsviertel.

Über die Hauptbrücke spaziert und beim Kunsthaus angelangt, entdeckt man an der Rückseite Reste des einstigen "Guseisernen Hauses". Auch das Kunsthaus hat einen geschützten Teil. Dort, wo die Bubble endet, fängt der Denkmalschutz für die eine dunkelgraue Seite an.

Im 19. Jahrhundert herrschte am Ort des heutigen Kunsthauses fröhliche Ausgelassenheit: Für die Vergnügungsstätte im Eisernen Haus, mit einer Art Casino, Lokal und Kaffee, importierten die Bauherren einst das absolut innovative Guseisen aus Großbritannien. Dazu hatten sie sich ein Flachdach ausgedacht. Die Technologie dazu war noch nicht ausgereift. "Der Wirt im Eisernen Haus brauchte seinen Gästen kein Wasser zum Kaffee stellen", berichtet Brugger eine Anekdote aus alten Quellen.

Tanzende Menschen auf der drehbaren Tanzfläche in der "Lila Eule".

Radio FM4 | Maria Motter

Apropos Vergnügungsstätte:
FM4 Davidecks kommt heute live in und aus der Lila Eule in Graz.

Am Wasser lagern die nächsten Brocken, die denkmalgeschützt sind. Alte Steine der vormaligen Hauptbrücke, die einst abgetragen und in die Mur geworfen wurden, als die Kunstepoche des Historismus noch für ein sinnloses Wiederholen vergangener Stile gehalten wurde. Während die Bronzefiguren Styria und Austria von den Brückenpfeilern in den Stadtpark wanderten und dort zu sehen sind, kann man auf manchen Steinen an der Mur so ein ausgestelltes Gesicht entdecken. Die sind geschützt. Wie auch die öffentliche Toilette vis-à-vis der Grazer Oper, die Trafik am Eisernen Tor und das Parkhouse-Häuschen im Stadtpark. Ich glaube es ja kaum! Landeskonservator Christian Brugger aber kennt seine Objekte.

Schließlich fallen ganze Sammlungen des Universalmuseums durch komplexe Verträge in Bruggers Schutzgebiet. Die weltgrößte historische Waffensammlung samt ihrem Gebäude, dem Zeughaus etwa.

Das neue Joanneumsviertel in Graz bei Nacht.

UMJ / N. Lackner

Das neue "Joanneumsviertel". Ein schöner Ufolandeplatz.

Am Ende kommt der Riesenalk

Die Multimedialen Sammlungen ziehen am 9. Dezember im Joanneumsviertel ein. Mit einer Party zum Einstand.

Superlativen sind für das Universalmuseum Joanneum nichts Neues. Sein Begründer, der Erzherzog, wünschte sich 1811 eine möglichst umfassende Sammlung. Bis der ausgestopfte Riesenalk sein Federkleid im neuen Naturkundemuseum zeigt, dauert es noch bis 2013. Dann werden auch die anderen 850.000 toten Wirbeltiere, ihre wirbellosen Kollegen und Insekten der Naturkunde-Sammlung aus den Umzugskisten geholt.