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Sammy Khamis

Are you serious...

26. 11. 2011 - 10:37

The Revolution will be rap-atised

Der arabische Frühling hat nicht nur die Politk sondern auch die Musik verändert.

Ramy Essam hat mit seinem Song "Arhal", den Soundtrack zur Ägyptischen Revolution gesungen. Auf dem Tahrir stehend, nahm er die Schlachtrufe der Demonstranten, wie "lna ed wahda, gemeinsam sind wir eine Hand" und gab sie an die Menge zurück. Er stimmte vor hunderttausenden mit seiner Gitarre ein Sample aller Forderungen an Arhal: Hau ab!



Er wagte es seinen Unmut, während und auch nach der Revolution, offen zu äußern. Seine Stimme, hört sie jemand, der auf dem Platz war, verursacht Gänsehaut. Mit seinen Songs und Slogans hat er alle auf dem Platz berührt, und er hat mit seiner Musik Kräfte gebündelt, die dann gemeinsam gegen Mubarak mobilisiert wurden.

Willkommen auf meiner Bühne- Mohamed Deeb

Der MC Mohamed Deeb ist einer der engagiertesten und begabtesten HipHoper in Ägypten. Er war mit seinen Songs und seiner Message immer wieder auf dem Tahrir Platz. Dort führte er eine lange Tradition innerhalb der arabischen Welt fort: Das gesprochene Wort, die interagierende Unterhaltung, den rhythmischen Dialog.

Deeb

Deeb

"Es ist wunderschön zu sehen, dass HipHop zur Sprache der Revolutionen wird. Es liegt daran, dass wir hier mit Gedichten viel anfangen können. Früher waren wir für unsere Lyrik weltbekannt. Vielleicht funktioniert hier deswegen auch der Hip Hop so gut. Deshalb und weil wir wissen was los ist. Hip Hop kommt direkt von der Straße. Wir wissen genau, wie sich die Leute fühlen. Ich höre oft Taxifahrern zu und teile dann meine Geschichte mit ihnen. Genau diese Leute sind meine Zuhörer: Die Leute auf den Straßen.", sagt Mohamed Deeb

Popmetaphern in der Revolution, abseits vom Scorpions-Gewäsch

Wast al balad nahmen sich diese Tradition des Dialogs zu Herzen und spielten am 11. Februar auf dem Platz. Dem Abend, an dem Hosni Mubarak zurückgetreten ist. Ihr "Sout al Horreya", der Klang der Freiheit, ist verbunden mit der Euphorie um Mubaraks Ende.

Künstler wie Mohamed Mounir nehmen die Revolution und verarbeiten zu Pop-Metaphern. In Mounirs Song „Azzay“, was so viel heißt wie: „Wie kommt es?“, verwendet er den Schlachtruf der Revolution „erfah rasak foo, enta masry“. Erhebe deinen Kopf, Du bist Ägypter. Bei Mounir lautet es dann: Wie kann ich Deinen Kopf hochhalten, wenn Du mich runtermachst?



Die Revolution wird zur Geliebten. Bildstark und aufgeladen, offen für Interpretation uns Missinterpretation. Wo der Pop sich teils verklärender Bildsprache bedient, ist Rap ungeschönt. Der tunesische HipHoper El General greift 2010 den Autokraten Ben Ali direkt an. Sein Song "Rais al Bled", Präsident der Republik, erinnert musikalisch stark an den harten Sound des französischen HipHop.

El General rapt von Unrecht, von Hunger und von Leid in seinem Land. Dabei spricht der den Rais, den Präsidenten, immer wieder direkt an. Und genau hier unterscheidet sich der Pop vom HipHop. Rap ist hart. Ein direkter Spiegel dessen, was auf den Straßen passiert. Das betont auch Mohamed Deeb immer wieder:
"Eigentlich war HipHop eine Sprache gegen die Unterdrückung der afro-amerikanischen Community in den USA. Deshalb glaube ich auch, dass sie sich so gut auf die arabische Welt anwenden lässt. Denn wir haben auch Unterdrückung und Diskriminierung erfahren müssen. Uns geht es dabei nicht nur um Rap. Es geht um eine ganze Kultur. Heutzutage gibt es Turntable, Breakdance oder streetart. All das haben wir hier in Ägypten. Es ist super zu sehen wie die old-school Elemente des HipHop vereint und wie sie dann in unserem Land angewendet werden. HipHop ist eine starke Sprache. Sie ist stärker als die Nachrichten. Klar kannst Du die die News vom Fernseher holen, oder aber Du hörst dir einen Rap- Song an. So kommst Du an die gleichen Infos, aber dazu bekommst Du noch etwas Persönliches. DAS ist unsere Sprache."

Die Bedeutung und die Macht, die Musik haben kann, zeigt sich auch daran, dass die Regierungen Ägyptens durch die Geschichte große Angst vor Künstlern hatten. Vor der Revolution konnte die Zensur, mit Auftrittsverboten oder Indizes, dem Schaffen der Künstler entgegen wirken. Untergrundkonzerte oder gar Musikexil waren die Folge. Ramy Essam wurde für sein musikalisches Engagement von der Polizei gefoltert. Das zeigt welche Bedeutung Musik hat. Sie hat Macht.

New Old, Cairo Music Scene

REFAT

REFAT

Am Samstag präsentiert on3 in München Wast al Balad und Deeb. Im Rahmen des on3 Festival. Das Festival kann man via Stream mitverfolgen

Mahmoud Refat macht seit mehreren Jahrzenten Musik in Kairo. Mit seinem Mix aus Elektronik, Jazz und Straßengeräuschen ist er der wichtigste Seismograph in der ägyptischen Musikwelt. Was sich jahrzehntelang an der Zensur vorbei in Clubs abgespielt hat, wurde in den letzten zehn Monaten immer öffentlicher, auch wenn die Lage jetzt andere Mittel erfordert als Beats und Rhymes.

Egal aber ob nun ein Pop oder Rap-Stück aus der Region kommt, der Song ist weitaus mehr als drei Minuten Bedeutungslosigkeit.