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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

25. 11. 2011 - 19:13

Fußball-Journal '11-132.

... oder auch: Journal 2011. Eintrag 213. Informationspolitik und die Bringschuld der Seufzer.

2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009. Das heißt: Ein täglicher Eintrag, der als Anregungs- und Denkfutter dienen soll, Fußball-Journal '11 inklusive.

Hier finden sich täglich Geschichten und/oder Analysen, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo (oder nur unzureichend) finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.

Heute mit einem Exkurs über die Bringschuld von Institutionen, was Informations-Politik betrifft; Anlassfall: der ÖFB und eine Ballesterer-Podiums-Diskussion.

Thomas Hollerer, ÖFB-Direktor für Recht und Administration, seufzte tief, ehe er seiner verlorenengegangenen Hoffnung, dass genau dieser Kelch doch an ihm vorübergehen möge, Ausdruck verlieh.

Der Kelch, das war eine Informationsfrage anläßlich einer öffentlichen Podiums-Diskussion gestern abend. Was sich in Sachen Wettbetrugs-Affäre Bochum tun wurde, wollte da einer (ja, eh ich) wissen.
Und Hollerer seufzte eben.
Um dannso wenig wie möglich zu antworten. Ja, man habe nach geraumer Zeit Akteneinsicht erhalten und alle österreichische Spiele betreffenden Akten an die zuständigen Staatsanwaltschaften weitergeleitet. Was dann wie weiter geschehe - Achselzucken.
Ansonsten: no comment.

Davor hatte Hollerer gemeinsam mit Philip Newald, dem Chef der Österreichische Sportwetten (Tipp3) und dem deutschen Geschäftsführer von Betradar, Andreas Krannich, einen anderen Aspekt von Informations-Politik deutlich ausführlicher behandelt.
Die Unverantwortlichkeit der Medien im Fall "Sturm/Handspiel/Salkic", als - ohne Überprüfung - von überhöhten Wetteinsätzen in Asien die Rede war. Ein Schmäh, eine Falschmeldung, die dem ohnehin von Trottelfans mordbedrohten Salkic auch noch den Beigeschmack der Käuflichkeit bescherte, eine echte mediale Sauerei.

Die schnellste und die langsamste Schlagzeile

Vorschnelle Schlagzeilen und entsprechend hysterische Berichte, meinten Newald, Krannich und Hollerer langatmig und unisono, wären das Böse schlechthin.

Wie seriöse Berichterstattung in den schmutzigen Fällen von Wettbetrug und Spielmanipulation aussehen soll - davon war nicht die Rede.
Auch deshalb, weil sich Wettanbieter, Verbände und auch die abwesenden Liga-Vertreter da einer Strategie befleißigen, die das exakte Gegenteil darstellen: um die langsamsten Schlagzeilen der Welt zu generieren, betreiben sie gezielte Desinformation. Und trugen auch gestern nichts dazu bei die Lage zu bessern.

Die Information, dass der ÖFB (in Absprache mit der Liga) die Bochumer Papiere endlich bekommen hat und dann an die Strafverfolgungs-Organe weiterleitet, wurde im Mai einer nichtssagenden, bewußt in vernebelndem Juristendeutsch abgefaßten Kurzmeldung verschickt - der ÖFB verband sie geschickterweise mit einer PK-Einladung zu etwas gänzlich anderem. So lenkt man das Interesse ganz gezielt weg vom Unangenehmen.

Die Kaum-Meldung endet mit dem Verweis auf "die weiteren Schritte", die die Behörden jetzt einleiten würden. Im Wissen, dass derartige beamtete Handlungen lange Jahre dauern können, bedeutet das nicht "wir melden uns von uns aus, wenn wir etwas Neues erfahren", sondern ein "Ätsch! Schmecks!". Das in Hollerers Achselzucken gestern seine immer noch aktuelle Entsprechung fand.

Seufzen, Achselzucken, Abwiegeln, Nichtinformation

Deutlicher kann man den Unwillen die Öffentlichkeit damit beschäftigt zu sehen, nicht artikulieren. Insofern ist auch der Stoßseufzer des Justiiziars kein Zufall, sondern Teil einer bewußten Politik.
Und zwar einer verdrehten und auch komplett unzeitgemäßen Informations-Politik.

Wer will, dass Medien klar und offen berichten, wird mit seinen Informationen ebenso umgehen müssen.

Wer die Rolle einer öffentlichen Institution (und ÖFB ebenso wie Bundesliga sind der Allgemeinheit verpflichtet) darin sieht, sich alles aus der Nase zu lassen, hat das internationale Level von Transparenz-Politik des 21. Jahrhunderts noch nicht erreicht.

Dass der deutsche Wettskandal 2009 von den österreichischen Fußball-Gewaltigen in einer Weise heruntergespielt wird, die in Deutschland oder der Schweiz für Naserümpfen sorgt, hängt damit zusammen, dass hier erstmals auch die Nation der immerwährenden Unschuldsvermutung in den Korruptionssumpf gezogen wurde. Man hat einfach nicht die ensprechenden Erfahrungen wie der DFB, der ja schon 2005 massiv mit der Wettmafia konfrontiert wurde.

Modell DFB: offene Ansprache statt gezierter Gequältheit

Die offene Informations-Politik des DFB, der sofortige, schnelle und wegbegleitende Umgang mit den Anwürfen, die enge Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Bochum stehen in krassen Gegensatz zum übervorsichtigen Genuschel der hiesigen Verantwortlichen.
Die klagten bis tief ins Jahr 2011 hinein über Nicht-Einsicht in die Bochumer Akten. Alles aber immer erst auf Anfrage, alles immer mit dem Unterton der Gequältheit. Man kann sich angesichts dieser offenkundigen Passivität des Gefühls, dass die Deutschen den Österreichern die Akten quasi aufdrängen mussten, damit endlich auch hierzulande etwas weitergeht, nicht erwehren.

Genau das wird durch das angestrengte Geseufze implizit. Wie man da nur anstreifen könne, störenfriedtechnisch immer wieder (in meinem Fall gefühlt alle acht Monate nachfragen); Warum man da Schlagzeilen suchen würde, wo man doch dann eh immer so böse wäre; Und andere Anmerkungen, alle im Tonfall dss Vorwurfs.

Als wäre die öffentliche Nachfrage zur unnötig verzögerten Verfolgung einer strafbaren Handlung, die auch tief in die österreichische Bundesliga hineinspielt, ein Akt der Nestbeschmutzung. Und als würde der Nachfrager da sein persönliches Mütchen kühlen. Natürlich gibt es im Österreich, schon gar im geklüngelten Fußball-Bereich, gar keine Tradition der Aufklärung; man ist es gewohnt Probleme unter der Tuchent zu lösen.

Aber: eine solche Informations-Politik ist nun genau keine; eher das Gegenteil: eine Abwiegelungs-Kampagne, geschult am Grasserismus und anderen professionellen Unschuldsvermutern.

Das Informations-Niveau formt das der Berichterstattung

Zur Klarstellung: das liegt nicht an den entsprechenden Öffentlichkeits-Abteilungen, oder einzelnen Mitarbeitern, vielleicht nicht einmal am Justiziar selber: das ist Chefsache.
Nur auf Chef-Ebene kann der Wille zur aktiven Informationspolitik entstehen.

Informationspolitik ist nämlich, anno 2011, auch in Österreich, selbst in der hausbackenen Fußball-Branche, eine Bringschuld.
Aktuell inszeniert man nur eine Alibi-Veranstaltung. ÖFB und Liga verschanzen sich hinter einer Mentalität aus dem vorigen Jahrtausend. Und tragen damit selbstverständlich Mitschuld an der nächsten Skandalisierung, wenn wieder einmal etwas durchsickert oder irgendwelche unverantwortlichen Deppen etwas Halbwahres hochkochen. Wer künstlich blöd gehalten wird, wem Informationen bewußt vorenthalten werden, der kann nur auf einem unterklassigen Level berichten.

Die Informations-Politik gestaltet das Niveau der Berichterstattung.

Die langsamste Schlagzeile des heimischen Fußballs, die seit 2009 schwelende Spielmanipulationsaffäre, wird sich auch 2012 nur dann blicken lassen, wenn ÖFB und Liga sich zu einer offensiven Haltung durchringen. Ganz ohne Geseufze.