Erstellt am: 24. 11. 2011 - 19:21 Uhr
Telefantasy
Disclaimer: Die genannten Serien spiegeln die Erinnerungswelt des Autors wieder und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Erweiterungen im Kommentarbereich sind ausdrücklich erwünscht.
Man könnte ja meinen, dass sich das Konzept eines epischen Universums und die Wirklichkeit eines kleinen Bildschirms schon automatisch ausschließen. Spätestens seit Anfang dieses Jahres sollten aber alle diesbezüglichen Zweifel behoben sein: im April 2011 startet der amerikanische Pay TV-Sender HBO eines seiner bisher ambitioniertesten und teuersten Projekte. Game of Thrones ist die Adaption von George R.R. Martins epischen und lange Zeit als unverfilmbar geltenden Fantasy-Zyklus A Song of Ice and Fire.
Die ausufernde Geschichte rivalisierender Familien auf dem Kontinent Westeros entwickelt sich zu einem weltweiten Erfolg. Schon der Vorspann bezirzt einen mit analogem Gedöns: Wie in einem Aufklappbilderbuch wächst dem Zuschauer die Welt von „Game of Thrones“ entgegen. Mit Pappe und Plastik hat die Serie allerdings wenig am Hut. Eher schon geht es den Machern darum, wieder mehr Realismus und Echtheit in ein Genre zu bringen, das lange Zeit als Königreich der schlecht sitzenden Echthaarperücken und wackelnden Kulissen galt.
HBO
Sex & Violence in einer High Fantasy-Welt
Die Agenda der Vorlage wird jedenfalls gut getroffen: George R.R. Martins auf sieben Bände (fünf davon sind bereits erschienen) verteiltes Epos hat seit seinem Erst-Erscheinen 1996 für gewaltige Echowellen in der Fantasy-Industrie gesorgt. Dem Autor ist es gelungen, das Genre motivisch und atmosphärisch zu modernisieren: Statt auf die ewig gleichen Schlachten setzt er auf Innenansichten seiner moralisch ambivalenten Figuren. Statt Helden gibt es Menschen. Und statt ewiger Liebe harten Sex. „A Song of Ice and Fire“ hat die Fantasy-Literatur in die Gegenwart geholt.
HBO
Aber nicht nur die Buchreihe, auch die Fernsehadaption von Martins Epos hat das Antlitz des Fantastischen nachhaltig verändert. Denn wer sich mit klassischer Fantasy mit all ihren Zwergen, Totenbeschwörern und Elfen schwer tut, der fühlt sich in „Game of Thrones“ dennoch wohl: die fantastischen Elemente werkeln darin eher im Hintergrund. Es wird zwar erzählt von Waldkindern und Riesen, wirklich in Erscheinung treten sie allerdings äußerst selten. Der Fokus der Geschichte liegt auf den menschlichen Figuren, auf Intrigen und Verrat, auf Machtstrukturen und Ohnmachtsängsten. „Game of Thrones“ vermählt Fantasy-Elemente mit einem ernsthaften, aufwühlenden Charakterdrama – und erreicht damit allein in den USA über drei Millionen Menschen.
Serial TV mit Lederhelden
- My Fantasy Kingdom: Die Fantasywoche auf FM4
„Game of Thrones“ ist Qualitätsfernsehen: in den vergangenen Jahrzehnten war die Fantasy allerdings eher im Sonntagsnachmittagsprogramm beheimatet. Ein Mann, ein Schwert und ein Hemd mit sehr, sehr tiefem Ausschnitt: das ehemalige Model Kevin Sorbo prügelt und witzelt sich durch insgesamt 111 Episoden von Hercules. In der Titelrolle der von Hollywood-Regisseur Sam Raimi entwickelten Fantasy Pulp Fiction kämpft er gegen computeranimierte Monstren der griechischen Mythologie – und gegen Kriegerprinzessin Xena, die kurz darauf eine eigene Spin-Off-Serie bekommt und zu einer feministischen und Schwulen- und Lesbenikone avanciert.
http://reneeoconnor.fansiter.com/pictures/onthejob.html
„Hercules“ und „Xena“ sind modelliert nach den Serials der Dreißiger- und Vierziger-Jahre: schnell produzierte eskapistische Fantasien fürs kleine Glück zwischendurch. Der durchschlagende Erfolg der mythologisch motivierten Fantasy-Prügler führt zu zahlreichen Nachahmungstätern: das Universum von Sinbad wird ebenso geplündert wie die Barbarenwelt von Conan. Knatterbunte Welten, schöne Prinzessinnen und grausige Monster: Fernsehfantasy hatte immer schon ein jugendliches Publikum im Auge.
Fantasy-Toon
Insofern ist es wenig verwunderlich, dass im Besonderen in den Achtziger Jahren viele Fantasy-Stoffe als Zeichentrickserien ihren Weg ins Fernsehprogramm gefunden haben. Neben der Adaption des legendären Pen & Paper-Rollenspiels Dungeons & Dragons, war es vor allem ein Kämpfer für das Gute, der Kinder- und auch einige Erwachsenenaugen größer werden ließ. He-Man and the Masters of the Universe hat sich mit simplem, aber effektivem Charakter- und Weltendesign ins popkulturelle Gedächtnis geschoben wie wenige andere Fernseh-Fantasys. Die dazu gehörigen Actionfiguren gelten mittlerweile als Kult-Memorabilien und werden auf Fan-Börsen für viel Geld an Nostalgiker verkauft.
http://cgi.ebay.de/He-Man-Masters-of-the-Universe-MotU-Sammlung-48-Figuren-/230656142453?pt=Figuren&hash=item35b42d6c75
Die Zeit solcher „guilty pleasure“-Serien dürfte jetzt wohl Geschichte sein: der Erfolg der Qualitätsproduktion „Game of Thrones“ hat die Messlatte für Fantasy-Serien merklich angehoben. Und schon versuchen andere amerikanische Sender gleichzuziehen: vor wenigen Wochen sind mit Once Upon a Time und Grimm gleich zwei Serien gestartet, die Märchenfiguren in die Gegenwartswelt holen. Der “Game of Thrones”-Sender HBO bereitet inzwischen bereits die nächste Romanvorlage für ihre Fernsehpremiere vor: Meldungen zufolge soll Stephen Kings siebenteilige Horrorfantasy The Dark Tower als Kinofilmtrilogie und mehrstaffelige Fernsehserie produziert werden. Die Kosten belaufen sich auf einen dreistelligen Millionenbetrag.