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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

22. 11. 2011 - 19:19

Gratis Öffis gegen Feinstaub?

Die Feinstaubbelastung in weiten Teilen Österreichs ist gesundheitsgefährdend. Wären Gratis-Öffis eine Lösung?

Die Ursache der derzeitigen extrem hohen Feinstaubwerte im Norden und Osten Österreichs sei die Inversions-Wetterlage, meint Dr. Reinhard Böhm, Klimaforscher von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). „Das heißt, wärmere Luftschichten lagern über kälteren. In der Zwischenschicht entsteht dann dieser sichtbare Hochnebel, und kalte Teilchen, auch Staubteilchen, werden daran gehindert, sich in der ganzen Atmosphäre zu verbreiten. Sie bleiben bodennah und akkumulieren sich – übrigens nicht nur Feinstaub, sondern alle anderen Luftverschmutzungen auch.”

Kein Zusammenhang mit dem Klimawandel

Diese Situation habe im übrigen gar nichts mit dem Klimawandel zu tun, eine Inversionswetterlage gäbe es eben von Zeit zu Zeit. Eine kurzfristige Lösung, so meint er, wäre, in die Berge zu fahren. „Dann sind Sie aus der Feinstaub-Suppe heraußen.”

Allerdings sollte man mit der Bahn fahren, denn der Autoverkehr ist eine der Hauptquellen von Feinstaub, neben der Industrie und dem Heizen mit Holz. „Übrigens ein gutes Mittel gegen Klimawandel, weil die Treibhausgase damit nicht erhöht werden, aber halt schlecht für die Luftqualität”, meint Böhm.

Gratis-Öffis gegen Feinstaub? Die Politik ist skeptisch

Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou

Lukas Beck

Maria Vassilakou, Grüne Verkehrsstadträtin in Wien

Sein Vorschlag als kurzfristige Maßnahme: Solange Wetterlage und Luftsituation anhalten, sollten öffentliche Verkehrsmittel gratis sein. Eine bestechende Idee, möchte man meinen. Im Verkehrsministerium hält man allerdings nicht viel davon: Irgendwer müsse die Öffis ja trotzdem bezahlen, und mit einer solchen Maßnahme käme man in eine ziemlich komplizierte Finanzierungssituation.

Ähnlicher Ansicht ist Maria Vassilakou, Wiener Vizebürgermeisterin und grüne Verkehrsstadt- und Landesrätin. Sie steckt Geld für die Finanzierung öffentlicher Verkehrsmittel lieber in Ausbaumaßnahmen als in solche kurzfristigen Aktionen. Sie glaubt, mit dem Ausbau der Parkraumbewirtschaftung und der Verteuerung der Kurzparkzonen, zumindest mittelfristig ausreichende Steuerungsmaßnahmen beschlossen zu haben. Im übrigen halten sowohl das Verkehrsministerium als auch Vassilakou den öffentlichen Verkehr für attraktiv und preiswert genug, um Autofahrer zum Umsteigen zu reizen.

Sollten allerdings Fahrverbote notwendig werden, müssten diese administrativ gut vorbereitet werden, und als eine begleitende Maßnahme an solchen Tagen würde Vassilakou auch über Gratisöffis nachdenken.

Kein Verständnis in Graz

die Grazer Vizebürgermeisterin Lisa Rücker

Stadt Graz / Die Grünen

Lisa Rücker, Grüne Verkehrsstadträtin in Graz

Ihre Grazer Kollegin Lisa Rücker, ebenfalls von den Grünen, hält allerdings gar nichts von dem Gratis-Öffi-Vorschlag.

Erstens ist er nicht sehr gerecht gegenüber all jenen, die jetzt schon die ganze Zeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren und dafür bezahlen. Und an den Adventsamstagen, wo wir gratis Öffis anbieten, sieht man leider, dass das nicht wirklich ein großer Beitrag dazu ist, dass die Leute umsteigen.

Ich nehme an, man denkt auch in der Steiermark an Fahrverbote, und wäre das dann nicht sozusagen die positive Seite den Autofahrern gegenüber!?

Ich denke, man versucht mit so viel positiven Anreizen, die Autofahrer zu erreichen, indem wir die Öffis massiv ausbauen. Das Zweite ist, dass die Autofahrer leider von selbst nicht aussteigen, wie man sieht in diesen Tagen – es fahren so viele wie zuvor mit dem Auto, obwohl alle wissen, dass sie damit enorme Gesundheitsgefährdung verursachen. Das heißt, es wird leider auch Maßnahmen geben müssen wie Verbote oder tageweise Verbote, damit die Leute zu bewegen sind. Und warum sollen sie dann nicht für die Öffis zahlen, wie es alle anderen täglich tun? Ich bin schon auch für Gerechtigkeit in der Diskussion.

Denken Sie an Fahrverbote?

Ja, wir denken schon länger daran. Wir haben uns sehr für die Umweltzone in Graz eingesetzt, wir sind gescheitert, weil das Land nichts tut. Ich habe heute den Landeshauptmann (Franz Voves, SPÖ, Anm. d. Red.) aufgefordert, nachdem der zuständige Landesrat (Gerhard Kurzmann, FPÖ, Anm.) gar nichts tun will im Bereich Verkehr.
Es gibt die Möglichkeit, aufgrund des
Immissionsschutzgesetzes (IG) Luft, jederzeit Fahrverbote auszusprechen. Was fehlt, ist der politische Wille, in dem Bereich etwas zu tun. Wir Grüne fordern das schon lange. So wie es momentan ausschaut, ist es notwendig wie nur was, weil wir kurzfristige Maßnahmen brauchen. Wir bauen Fernwärme, etc., das wirkt mittelfristig, aber was wir brauchen ist kurzfristige Wirkung. Es ist höchste Zeit. Es reicht.

Ihre Partei- und Amtskollegin Maria Vassilakou in Wien habe ich zu dem Thema auch befragt, die ist ja selbst auch Landesrätin, sie will allerdings nur mittelfristige Maßnahmen setzen. Was sagen Sie dazu?

Feinstaub braucht ein ganzes Paket an Maßnahmen. Das braucht langfristige Maßnahmen, z.B. Sanieren von Wohnhäusern, Fernwärme ausbauen, Umrüstung von Fahrzeugen etc., mittelfristige Maßnahmen, wie wir in der Steiermark Osterfeuer verboten haben, und dann braucht's gerade in solchen Akutsituationen kurzfristig wirksame Maßnahmen.

Wenn man zum Beispiel nach Südtirol schaut: Bozen war so eine Stadt, die haben wirklich ernsthaft Maßnahmen gesetzt in allen Bereichen, kurz-, lang- und mittelfristig, und die können teilweise Maßnahmen wieder zurücknehmen, weil sie Wirkung gezeigt haben. Das bestärkt mich darin, dass wir uns in Österreich endlich trauen sollten, auch in den kurzfristigen Bereich zu gehen, und das ist nun einmal der Verkehr.
Wir müssen schauen, dass der Autoverkehr reduziert wird, weil wir auch wissen, dass an Hauptverkehrsstraßen die Belastung für die Bevölkerung enorm groß ist, und die haben ein Recht darauf, gesund zu leben, wie alle anderen auch.

Wenn Sie jetzt sagen, es ist der politische Wille nicht da: es gibt ja EU-Richtlinien…

…genau, auf der Gesetzgebungsebene gab es einen politischen Willen. Das sehen wir ja auch bei der Klimapolitik: man ist sich d’accord, dass man keinen Feinstaub will, aber wenns dann um die Umsetzung geht, haben alle Angst vor den Wählern und den Wählerinnen. Aber ich glaube ganz sicher, dass die Mehrheit der WählerInnen das verstehen würde, denn es geht um ihre Gesundheit und insbesondere um die von den Kindern.

Aber wenn das jetzt wirklich gesundheitlich so relevant ist, dann müsste es ja auch auf dem Klageweg Möglichkeiten geben – denken Sie an sowas?

Es gibt mehrere Leute, die jetzt gerade in den letzten Tagen sich gemeldet haben. Zum Beispiel die Umweltzone in München ist ja aufgrund einer Klage eingeführt worden. Und die Deutschen haben die ja deshalb in 48 Städten mittlerweile umgesetzt, weil die ersten mittels Klage eingebracht wurden. Es gab in der Steiermark eine Klage in den letzten Jahren, es gibt ein Verfahren, das läuft. Prinzipiell kann man den Leuten nur raten, wenn die Politik nichts tut und nicht bereit ist, Maßnahmen zu setzen, nachdem es sich wirklich um eine akute Gesundheitsgefährdung und –bedrohung handelt, den Klagsweg zu beschreiten. Seit Juni warten wir auf eine Entscheidung der EU, eigentlich müsste die längst eine Entscheidung getroffen haben, weil die Maßnahmen sichtbar nicht ausreichen.

Die EU-Entscheidung in welchem Bezug?

Es gibt ja ein Verfahren gegen die Steiermark, weil keine Maßnahmen im ausreichenden Maß ergriffen wurden; dieses Verfahren läuft seit Juni, und eigentlich müsste die EU sich längst für eine Strafzahlung entschieden haben, weil wir alle Tatbestände für eine Strafzahlung erfüllen. Aber offensichtlich will die Politik lieber eine Strafe zahlen als jetzt konkret für die Gesundheit der Menschen zu sorgen.

Ich habe heute wieder mit einer Ärztin geredet. Aus den Kliniken gibt es alarmierende Zahlen. Wir haben 80 bis 100 Kinder am Tag in der Kinderambulanz mit Lungen- und Atemwegserkrankungen, ganz akut! Es ist nicht so, dass man das noch hinausschieben kann, und wenn die Wetterlage bleibt, wie sie bleibt, das ist ja angekündigt, dann wird das in den nächsten Tagen sich potenzieren. Also, der Handlungsbedarf ist gegeben. Es braucht nur noch den politischen Willen, und den vermisse ich. Und da hilft uns die EU nur marginal, weil da keine Entscheidung getroffen wird, obwohl eigentlich alles nach der EU-Norm nicht erfüllt wird, was zu erfüllen wäre.