Erstellt am: 23. 11. 2011 - 06:00 Uhr
Dudenbrooks
Jochen Schmidt:
Weltall, Erde, Mensch
und
Meine wichtigsten Körperfunktionen
Von Adam und Eva - nein Evelin - über Jochen bis Zarah. Jedem Buchstaben ist ein Name gewidmet. Und nicht nur ein Name, sondern auch sieben Wörter, die einem sturen Prinzip folgen: Jochen Schmidt hat seinen DDR-Schulduden genommen, einen Begriff ausgewählt und dann weitergezählt "wie sie im Abstand von jeweils 10, 20, 30 oder 40 Wörtern im Duden stehen". Bis er sieben Wörter mit demselben Anfangsbuchstaben hatte. Aus diesen hat er dann eine kleine feine Geschichte geschrieben. "Nicht Dada-texte, sondern kleine Miniaturen mit emotionalem Gehalt. Schon dramatisch und irgendwie auch menschlich." Das alles mit möglichst wenigen Worten.
Und es wäre nicht Jochen Schmidt, wenn sich in diesen wenigen Sätzen nicht große Schicksale mit noch größeren Problemen einpacken ließen.
Beispielsweise Evelin
(Echtheit, Edikt, egal, Eheschließung, Eid, Eiland, einberufen.)
"Auf Evelins seelischem Eiland war es sehr einsam, weil ihr Mann kurz nach der Eheschließung zur Armee einberufen worden war.
Evelin zweifelte an der Echtheit des Edikts, aber ihrem Mann war das egal, er berief sich auf seinen Eid und ließ sich nie wieder blicken."
Line Hoven/Jacoby&Stuart
Line Hoven:
"Liebe schaut weg"
Ergänzt werden die Texte mit prächtigen Bildern von Line Hoven. Diese Kunstwerke verstehen sich nicht als bloße Illustrationen, sondern überholen "den Text von hinten rum", eröffnen mit ihrer Verspieltheit neue Welten. Sie habe es sich zur Aufgabe gemacht so richtig in Klischees einzutauchen, erzählt Line Huven. Und so gestaltet sie etwa bei J wie Jochen Bandplakate für Nobelpreiträger oder lässt bei U wie Ursula (Andress) den Nachbarn, "der nicht überklug war", mit einem dementsprechenden FBI-T-Shirt (Falscher Busen Inspektor) Wache stehen. Das habe sie mal irgendwo gesehen, schüttelt sie den Kopf. Abgesehen von diesen versteckten Details beeindrucken die Arbeiten von Line Hoven durch ihre Technik. Denn Line Hoven ist eine der wenigen Comiczeichnerinnen, die "schabt". Äußerst aufwendig kratzt sie in Schabkartons Umrisse aus. Eine Woche arbeitet sie durchschnittlich an einem Bild.
Dudenbrooks
Dudenbrooks sind Anfang 2011 wöchentlich in der FAZ erschienen und vor kurzem gesammelt als Buch:
Jochen Schmidt/Line Hoven: Dudenbrooks, Jacoby&Stuart Berlin 2011
Jochen Schmidt wollte also ein literarisches Alphabet machen und Line Hoven sollte dieses bebildern. Und irgendwann brauchte das Projekt auch einen Namen, erinnert sich Line Hoven. "Dudenbrooks" fand man in ihrem Freundeskreis äußerst "albern und doof", Jochen Schmidt aber war von dem Vorschlag begeistert.
Denn wie bei den Buddenbrooks sind die Dudenbrooks eigentlich eine große Familie mit ganz unterschiedlichen Typen. Wirken sie optisch irgendwie verwandt, so ähneln sie sich vor allem in dem großen Leid, dass sie tragen müssen. "Glücklich ist keiner von ihnen, aber in was für schönen Wohnungen dürfen sie ihren Kummer pflegen!"
In diesem Sinn wären wir gern auch noch beim nächsten Familientreffen dabei und hoffen auch auf die weiteren Verwandten!
Short Cuts
Erich Fried Tage 2011
von 23.11.2011 – 27.11.2011
Dudenbrooks sind eine Art, um in wenigen Sätzen Geschichten zu erzählen. Um kurze Prosa geht es bei den diesjährigen Erich Fried Tagen im Literaturhaus in Wien. "Short Cuts" ist das Thema dieser Tage. Rund 35 internationale AutorInnen lesen an fünf Tagen und diskutieren über "Kurzgeschichten, Kürzesttexte, Erzählungen, Tagebuchnotizen, Fragmente, literarische Kolumnen, Miniaturen, Aphorismen und literarische Blogs."
Mehr Buchempfehlungen auf FM4
Jochen Schmidt wird am Freitag ab 18 Uhr über seine Bloggerei auf Triumphgemüse und Schmidt liest Proust berichten.