Erstellt am: 22. 11. 2011 - 15:09 Uhr
Widerstand gegen Vorratsdatenspeicherung
Mehrere Organisationen haben eine Bürgerinitiative dagegen gestartet. Andreas Demmelbauer und Thomas Lohninger von dieser Initiative namens zeichnemit.at warnen vor den umfangreichen Verknüpfungsmöglichkeiten, die durch die verdachtsunabhängige, vollständige Sammlung von Verbindungsdaten möglich werden: "Ein modernes Smartphone, das sich auch ständig mit dem Internet verbindet, erlaubt ein Bewegungsprofil zu erstellen, mit dem auf Stunden und Meter genau nachzuvollziehen ist, an welchem Ort ich wann war. Zusammen mit den Anrufdaten kann man dann genau nachvollziehen: Mit wem verkehre ich, wo schlafe ich, wo arbeite ich und mit wem."
Neben den Aspekten der Privatsphäre kritisieren AktivistInnen auch die hohen Kosten für die Vorratsdatenspeicherung. Die Regierung spricht von 20 Millionen Euro Mehrkosten pro Jahr für alle Telekom-Unternehmen, 80 Prozent davon würden aber vom Staat (also vom Steuerzahler) finanziert. Die Telekom-Unternehmen selbst rechnen mit weit höheren Kosten und haben vorsorglich schon begonnen, neue Gebühren, etwa eine Servicepauschale von 20 Euro pro Jahr, einzuführen - mindestens 200 Millionen Euro pro Jahr werden die Firmen durch versteckte Preiserhöhungen in diesem Jahr kassieren, kritisierte die Arbeiterkammer im Sommer.
Das Vorhaben der Vorratsdatenspeicherung wird in Österreich vor allem mit einer entsprechenden EU-Richtlinie argumentiert: Sie zwinge uns eben dazu. "Faule Ausrede", sagen Andreas Demmelbauer und Thomas Lohinger von zeichnemit.at: "Immer wenn es heißt ‚Die EU macht dies und das‘ ist ja auch unsere Regierung daran beteiligt. Österreich sitzt im EU-Mininsterrat und hat die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit verabschiedet. Und es gibt Beispiele aus anderen Ländern wie zum Beispiel Schweden, die sich einfach dazu entschieden haben, diese Richtlinie nicht umzusetzen - und es jetzt auf ein Vertragsverletzungsverfahren ankommen lassen. Dann gab es Länder wie Tschechien, Rumänien und Deutschland, deren Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung gekippt wurden, weil die Verfassungsgerichtshöfe dieser Länder gesagt haben: Das ist ein zu starker und unverhältnismäßiger Eingriff in die Bürgerrechte. Darum wurden diese Gesetze dort aufgehoben." Die Forderung der Bürgerinitative ist also an die österreichische Regierung gerichtet: Sie solle die Aufhebung der EU-Richtlinie fordern.
Zu den UnterstützerInnen der von zeichnemit.at gehören die Initiative für Netzfreiheit, Quintessenz oder das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte. Letzteres ist ein wenig kurios, weil das Boltzmann-Institut selbst im Auftrag der Regierung am Gesetzestext zur Vorratsdatenspeicherung mitgearbeitet hat: "Die haben ihnen natürlich ein Gesetz geschrieben, das so verfassungsschonend wie möglich ist – weil verfassungskonform geht nicht. Dieselbe Organisation, die dieses Gesetz geschrieben hat, ist jetzt auch Mitglied im AKvorrat und unterstützt unsere Initiative."
Die Bürgerinitiative hat in nur einer Woche genug Unterschriften gesammelt, um auf der Website des Parlaments gefeatured zu werden - ab 8. Dezember kann man also auch dort unterschreiben. Thomas Lohinger führt den Erfolg darauf zurück, dass es gelungen ist, das sperrige Thema Vorratsdatenspeicherung leicht verständlich zu erklären: "Ich will nicht, dass der Staat weiß, mit wem ich telefoniere, mit wem ich SMS schreibe, wem ich E-Mails schreibe und wo ich bin, wenn ich mein Handy verwende. Wir haben diese Bürgerinitiative gestartet, weil wir Regierung und Parlament sagen wollen: 'Stopp! Das ist zuviel Überwachung. Das schränkt unsere Bürgerrechte zu sehr ein. Es gibt auch eine Grenze, wie weit die Bespitzelung gehen kann.'"
Die deutsche Schwester der Bürgerinitaitive, zeichnemit.de, hat heute ein bisher vertraulich behandeltes EU-Dokument veröffentlicht. Darin fordert die EU-Kommission Deutschland zum zweiten mal zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung auf, ansonsten komme es zu einem Vertragsverletzungsverfahren. Die entsprechende EU-Richtlinie schreibt allerdings auch eine grund- und menschenrechtskonforme Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung vor. Ob das überhaupt möglich ist, werden wohl noch in mehreren Staaten und auf europäischer Ebene die Gerichte entscheiden.