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Roland Gratzer

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22. 11. 2011 - 16:16

"Ich will nicht enden wie Donna Leon"

Der österreichische Fantasy-, Horror- und Thrillerautor Andreas Gruber im Gespräch über Kommerzliteratur und die Gemeinsamkeiten von Schreiben und Hausbauen.

Fantasy-Autoren regen die Phantasie an. Sind sie so wie Tolkien erzkatholische Uni-Professoren oder schlicht völlig Wahnsinnige wie H.P Lovecraft? Wohnen sie in Rheuma-Höhlen oder doch nur in alten Schlössern? Haben sie langes, graues, fettiges Haar und einen zwei Meter langen Gehstock? Ernähren sie sich von dem, was sie im Wald finden?

Andreas Gruber

Torrex, Wien

Andreas Gruber schreibt am liebsten über psychiatrische Anstalten, düstere Katakomben, gefährliche Expeditionen ins Eismeer und gelegentlich auch über in Not geratene Raumschiffe.

Andreas Gruber ist der erfolgreichste Genre-Autor Österreichs. Er widerspricht so zirka jedem Klischee, mit dem solche Autoren leben müssen.

Ein schmuckes Einfamilienhaus im niederösterreichischen Grillenberg. Ein adrett gekleideter Mann, der halbtags als Buchhalter und Controller in einem Pharmakonzern arbeitet. Ein Interview, in dem es um Nebenjobs, jüdische Detektive, Handwerker, Maurer und nervige Fragen geht.

Herr Gruber, wir sind hier im wunderschönen Grillenberg. Wissen die Leute hier eigentlich, was sie machen?

Mittlerweile wissen sie es. Und zwar deshalb, weil ich bei der Eröffnung der Bibliothek gelesen habe und der Bürgermeister hat groß angekündigt, dass wir ja einen Autor in Grillenberg haben. Dadurch haben die Leute das erfahren. Außerdem spendiere ich bei den Feuerwehr-Heurigen und Feuerwehrfesten immer Geschenkskörbe mit Büchern.

Bei österreichischer Literatur denken viele zuerst an Elfriede Jelinek oder Thomas Bernhard. Sie werden auf der Straße nicht so oft erkannt. Stört Sie das?

Ganz im Gegenteil. Ich bin sogar froh, dass mich niemand erkennt. Selbst nach einer Lesung trauen sich nur sehr wenige Menschen zu mir her und fragen um ein Autogramm. Die Leute sind generell eher schüchtern. Es wird wohl nie so sein, dass ich auf der Straße erkannt werde. Hätte ich das gewollt, wäre ich Schauspieler geworden. Oder hätte versucht, einer zu werden.

Obwohl Sie ein erfolgreicher Autor sind, arbeiten Sie nebenbei als Buchhalter und Controller in einer Pharmafirma. Lassen sich diese Jobs gut vereinen?

Diese zwei Standbeine sind zeitmäßig halb halb aufgeteilt. Ich arbeite 25 Stunden die Woche im Büro, den Rest meiner Zeit nutze ich zum Schreiben. Thematisch lässt es sich gut vereinbaren. Auf der einen Seite muss ich mit der logischen, rationalen Hirnhälfte Buchhaltung und Kostenrechnung machen, und wenn ich dann zuhause bin, habe ich den kreativen Part, wo ich Stories entwickle und Charaktere erfinde.

Sie kommen also heim, setzen sich hin und sind kreativ. Wie funktioniert das?

Der kreative Part besteht daraus, eine Handlung, einen Plot mit Wendungen, Handlungsfäden und Charaktere zu erfinden, die eine Historie und Ecken und Kanten haben und zur Story passen. Da muss man sich schon hinsetzen und herumtüfteln. Diese Arbeit kann mitunter Monate dauern, in denen man sich mit Testlesern und anderen Autoren bespricht. Wenn dieser kreative Part abgeschlossen ist, muss man den Roman "nur" mehr herunterschreiben. Dieses Runterschreiben ist wie ein Handwerk. Das ist wie ein Maurer, der einen Plan vom Architekten bekommt und das Haus hinstellt. Der Architekt hat den kreativen Part und plant das Haus, der Maurer baut es. In einem Schriftsteller vereinen sich diese beiden Tätigkeiten.

shayol verlag

shayol verlag

Sie geben auch Kurse für junge Literaten oder solche, die es gern werden wollen. Was braucht es denn, um einen guten Roman zu schreiben?

Man brauch ein dickes Fell. Es gibt da so einen Spruch: Schriftsteller sein bedeutet zehn Prozent Inspiration und neunzig Prozent Transpiration. Man weiß beim ersten Text ja nicht, was einen guten Text ausmacht. Man muss kontinuierlich lernen und besser werden. Wer dann auch noch den inneren Schweinehund überwindet und ein, zwei Jahre an einem Roman schreibt, hat man schon gute Voraussetzungen.

In ihren Kursen arbeiten Sie viel mit Meta-Literatur über das Schreiben. Reicht es, diese Bücher zu lesen, um selbst ein gutes zu schreiben?

Diese Creative Writing Ratgeber sind das Basiswissen, das jeder Autor haben muss. Dieses Wissen müssen sich alle erarbeiten. Charakteraufbau, Dialogaufbau, Szenenaufbau, Recherche, wie und wo dem Leser welche Informationen vermitteln, Erzählperspektive, Spannungsbögen, Rückblenden, all das wird in diesen Ratgebern vermittelt. Wer das nicht beherzigt, wird nie einen guten Roman schreiben. Das ist so, wie wenn man jemandem eine Videokamera in die Hand drückt und sagt, er soll jetzt einen Spielberg-Film drehen. Das wird niemand schaffen. Mein Lieblingsbeispiel ist Ernest Hemingway. Der hat sein ganzes Leben lang am Stil gefeilt, gestrichen und oft wochenlang an einem Satz geschrieben, bis er endlich perfekt war. Und selbst er hat dieses Wissen von jemandem vermittelt bekommen, nämlich von Gertrude Stein in den Zwanziger Jahren in Paris.

In Österreich wird kommerziellen Autoren oft vorgeworfen, dass sie kommerziell erfolgreich sind. Wie stehen Sie zu diesem Vorwurf?

Es kommt darauf an, ob man davon leben will oder nicht. Will ich nur für die Schublade oder 200 Leser schreiben oder will man, dass mehrere tausend Leute diese Geschichten lesen, weil man davon überzeugt ist, dass sie gut sind, dann spricht nichts dagegen, kommerziell zu sein. Natürlich kann man einer Joanne Rowling vorwerfen, dass sie kommerzielle Literatur schreibt. Aber sie hat den Harry Potter sicher nicht deshalb geschrieben, weil sie viel Geld verdienen wollte. Sie hat ihn deshalb geschrieben, weil es ihr Herzblut war und sie das gerne gemacht hat. Das merkt man auch, wenn man die Geschichten liest.

Sie sind in vielen Genres vertreten. Fantasy, Horror, Science Ficiton, Sie haben auch schon für eine Lovecraft-Reihe geschrieben. Wo fühlen Sie sich denn am Wohlsten?

Das Genre ist von der Verpackung abhängig. Kurzgeschichten schreibe ich am liebsten in den Bereichen Horror und Fantasy. Da kann ich in verschiedene Welten abtauchen und abstruse Sachen schreiben, die mit einer bösen Pointe enden. Bei den Romanen bevorzuge ich aber die Genres Krimi und Psychothriller.

Neigen Genre-Autoren zur Wiederholung oder versuchen sie, das zu vermeiden? Oder macht man es gar bewusst, weil es die Leser erwarten?

Ich will nicht immer wieder dasselbe schreiben. Ich will nicht enden wie Donna Leon, dass dann irgendwann mal Inspektor Brunettis 71. Fall erscheint. Das wäre mir viel zu langweilig. Bei den meisten Verlagen ist es aber so: Sobald sie erkannt haben, dass etwas erfolgreich ist, wollen sie das selbe noch einmal haben. Die Branche denkt so. Wenn ein Erfolg da ist, sollen der zweite und der dritte Roman ähnlich sein.

Trotzdem würde sich einer ihrer Charaktere, der jüdische Detektiv Jakob Rubinstein, sehr gut für eine Fortsetzung eignen und der österreichischen Krimilandschaft sicher gut tun.

Die Figur ist sicher interessant, hat aber als Fantasy-Krimireihe mit Science Fiction-Elementen angefangen. Gerade jetzt schreibe ich aber lieber Psycho-Thriller. Würde ich einen neuen Rubinstein-Krimi schreiben, müsste der natürlich im Fantastik-Genre bleiben. Momentan habe ich dafür aber kein Exposee in der Schublade.

Wenn Sie jemanden kennenlernen und gefragt werden: "Wos mochst du eigentlich so?", sagen Sie dann "Autor" oder "Buchhalter"?

Ich werde sagen, dass ich in der Kostenrechnung arbeite. Erst im Laufe des Gesprächs wird sich herausstellen, dass ich als Hobby nebenbei Autor bin, schon veröffentlicht habe und einige meiner Bücher sehr erfolgreich sind. Wenn ich nämlich gleich sage, dass ich Autor bin, kommt sofort die Frage, woher ich denn meine Ideen habe. Und diese Frage kann ich einfach nicht mehr hören.<<

Ich habe Sie das aber nicht gefragt.

Und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.