Erstellt am: 17. 11. 2011 - 13:57 Uhr
Wolves In The Throne Room
Jahrelang lag das ambivalente Genre des Black Metal in einem komatösen Schlaf und stagnierte auf einem begrenzten musikalischen Niveau. Bis in den letzten Jahren neue Avantgardisten der Popmusik sich der kompromisslosen Struktur dieser Musikart bedienten und so dem leblosen Zombie neue Kraft einhauchten.
Black Cascade
Aber zuerst einmal zurück zum Anfang der Geschichte. Ende der 80er formierte sich in Norwegen ein Musikstil, der in seiner Konsequenz Underground und Mainstream gleichermaßen schockierte und bis heute in seiner Radikalität ein Novum darstellt: Black Metal.

Wolves in the Throne Room
Die Protagonisten dieser neuen Musik befreiten feisten Thrash und Speed Metal von seiner verkopften Virtuosität und setzten auf monotone Gitarrenriff-Mantras. Das Schlagzeug peitscht sogenannte Blastbeats. Der Gesang pendelt zwischen hysterischem Gekreische und gutturaler Kehlenakrobatik. Diese musikalische Radikalisierung von Metal zahlte sich bizarrerweise sogar ökonomisch aus. Black Metal vermag es in seiner simplen Form oft leichter zu stimulieren, als viele andere Metalspielarten, die mit ihrem Fingerfertigkeits-Fetisch eigentlich der Attitüde des Jazz gleich kommen. Deshalb war Black Metal bizarrerweise immer kommerzieller, weil einfacher zu konsumieren.
Black Metal war musikalisch für den Heavy Metal wie Punk für den Rock 'n' Roll. Ein aggressiver Vitaminstoß. Aber was dieses Genre zu einem popkulturellen Flächenbrand machte, war das radikal-nihilistische Image der neuen wilden Horde. Ikonografierte Misanthropie.
Inzwischen musste der Black Metal, genauso wie sein kleiner Bruder Punkrock, die Zähmung durch Kommerzialisierung und Nostalgie über sich ergehen lassen. Neben der ökonomischen System-Verarbeitung erlebt Black Metal aber seit einigen Jahren eine Renaissance.
Primär in der experimentellen elektronischen Musik. Ein Pionier ist da sicher der Österreicher Fennesz. Und dann gibt es eine Welle neuer Bands die sich ganz klar in der Black Metal-Tradition gehen sehen, allerdings ihre Hausaufgaben gemacht haben und im Vergleich zu den Pionieren der Szene eine intelligente Achtsamkeit an den Tag legen. Ganz vorne bei der frischen Inkarnation des Black Metal oder des Indie-Black Metal stehen die beiden amerikanischen Bands Liturgy und die Wolves In The Throne Room.
Celestial Lineage
Und spalten sie Szene massiv. Denn die Wolves In The Throne Room machen eine lichte Seite des Black Metal sichtbar. Die Band lebt als Kommune auf einer Farm im Bundesstaat Washington, versucht sich mit einer eigenen Landwirtschaft autark zu versorgen und vertritt nahezu radikal-ökologische Ansichten. Nun gut, das passt noch einigermaßen in das antichristliche, heidnische Selbstverständnis des Black Metal. Aber auch wenn es um die ideologische Seite dieser Popkultur geht, beziehen die Wolves eine andere Stellung.

Wolves in the Throne Room
Satanistische oder darwinistische Ideen lehnt die Band definitiv ab. Hier ist eine ähnliche Entwicklung erkennbar, die man auch schon vom Mutter-Kind-Verhältnis Punk/Hardcore kennt. Stellt sich aber die Frage, ob diese Musik nun überhaupt noch als Black Metal gelabelt werden kann? Spielt doch der menschenverachtende Aspekt gerade bei dieser Subkultur eine omnipräsente Rolle.
Was die Musik betrifft: Ja. Die Wolves In The Throne Room haben sich wertkonservativem Black Metal verschrieben, der sich kurioserweise an den raffinierten Reduktionen des berühmt-berüchtigten Burzum orientiert. Abgefedert wird die heftige Kost mit Ambient, einer Ahnung von Folk, viel Doom und einer Handvoll Atonalität.

Wolves in the Throne Room
Ein Ergebnis, das Metalheads und ernste Avantgarde-Popper gleichsam zu berühren vermag. Diese neue intelligente, vor allem amerikanische Black Metal-Renaissance befruchtet sogar die Gründerväter. Die norwegischen Rolling Stones des Black Metal, Marduk haben auf ihren letzten Veröffentlichungen die Zügel locker gelassen und auch vermehrt auf neue Impulse wie Doom gesetzt; und auf einmal klingen Marduk so gut wie eigentlich noch nie.
Allerdings werden die Wolves In The Throne Room ihrem unabhängigen Image nur zu gut gerecht; und haben in absehbarer Zeit ihre Auflösung angekündigt.
Am Mittwoch haben die Wölfe in Wien gespielt, am Sonntag sind sie noch einmal in der Stadtwerkstatt Linz zu sehen.