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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

14. 11. 2011 - 19:50

Fußball-Journal '11-126.

... oder auch: Journal 2011. Eintrag 206. Der g'scheite Pepi und die Rückkehr der geschätzten Intellektualität.

2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009. Das heißt: Ein täglicher Eintrag, der als Anregungs- und Denkfutter dienen soll, Fußball-Journal '11 inklusive.

Hier finden sich täglich Geschichten und/oder Analysen, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo (oder nur unzureichend) finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.

Heute mit einem Basis-Plädoyer für den g'scheiten Fußball.

Es war der pure Zufall, der uns an den Tisch von Ferdl, wie ich ihn anonymisierend nennen möchte, führte. Ferdl ist ein Vorstadt-Schwadroneur wie er im Buche steht, die Light-Version des, ein Alles-Wisser und Hinterblicker, der keine Fragen kennt und nur aus Antworten besteht; Ferdls Weisheit entspringt seinem proletarischem Instinkt und wurde durch seine Frühpensionierung geschärft - und da ihm die gestresste Verbitterung vieler Karl-Kollegen abgeht, ist er zumindest für die eine oder andere gewitzte Wuchtel gut.

Ich hab einmal wirklich hingehört im Auf und Ab seines Parforce-Ritts durch Politik, Society, Fernsehabend und Privates: als er vom Schulz-Pepi erzählte, dessen Bruder er kennen würde. Oder besser: wie er davon berichtete.
Die Karriere des Schulz-Pepi, eines guten Fußballers aus den 70er Jahren, so erzählte der Ferdl, habe ja erst nach seiner Zeit als Spieler begonnen. Ein g'scheiter Bua sei der gewesen (wie der Bruder auch) und der einzige sei er gewesen, der eine Doktorarbeit übers Kicken geschrieben habe. Schlau habe er es gemacht, als er mit seinem großen Wissen ins Ausland gegangen wäre, ein Fußball-Camp in Spanien aufgezogen, big business, und seine Frau war eine Miss Vienna oder Miss Venezuela, das wusste der Ferdl nicht mehr so genau. Aber in jedem Wort schwang ein gewisser Stellvertreter-Stolz, eine gewisse Bewunderung mit.

Der Schulz-Pepi und sein Erfolg im Fußball-Ausland

Und genau das hat mich verblüfft.
Das da nämlich einer mitten aus der meinungsunveränderbaren Herr-Karl-Basis nicht dem, vor allem im Fußball, allgegenwärtigen dumpfen G'scheiderl-Bashing nachhechelt, sondern zu differenzieren imstande ist; und somit erkennt, dass so eine Schulz-Karriere in einer Stehenbleiber-Branche eine Extra-Leistung darstellt.

Ich hab das heute nachrecherchiert: es war nicht Spanien, sondern Florida (also eh ähnlich), und es gibt mehr als nur seine Doktorarbeit. Trotzdem war (Dr.) Josef Schulz ein Pionier, einer der neben dem Kicken sein Studium fertiggekriegt hat und willens war seinen Intellekt einzusetzen um zur Praxis auch die dringend nötige Theorie dazuzukriegen.

Klar, auch die Schulz Soccer Academy kocht nur mit Wasser - er schickt seine Kicker ernsthaft zur Wiener Viktoria, um sie dort unter dem "besten neuen Trainer" üben zu lassen; er zahlt Hans Krankl ein Konsulenten-Honorar - andererseits hat Schulz Jozy Altidore entdeckt und unterhält ein veritables Juniorenteam. Aber das sind Pragmatismen und geschmäcklerische Anmerkungen.

Der Herr Karl singt das Loblied auf g'scheite Fußball-Lehrer

Mir geht's um was anderes.
Der Ferdl und sein Schulz-Loblied sagen mir dass das Intellektuellen-Bashing, das anlässlich der Koller-Bestellung des ÖFB als schwerste Waffe aus dem Arsenal der reaktionären Trainer/Experten-Lobby geholt wurde, nichts wirklich im Bewusstsein der Menschen fix verankertes ist. Es handelt sich dabei vielmehr um etwas herbeigeführtes, eine bewusst gesetzte Ideologie.

Das praktische Zusammenspiel zwischen Medien (vor allem der Krone, seit ein paar Jahren kommt die restliche regierungsfinanzierte Boulevardpresse dazu) und Akteuren (Krankl und ein großer Teil seiner 78er, auch viele der 90er wie Andreas Ogris, der aus den von ihm betreuten Team systematisch Maturanten rausmobt) ist Träger einer Haltung, die ideologisch an die Khmer Rouge oder Maos Kulturrevolution erinnnert, wo alle, die sich nur dem Verdacht der Intellektualität aussetzen, als Spaziergänger diffamiert und entsprechend weggeräumt werden.

Diese Haltung bestimmt immer noch den fußballerischen Alltag. Es gibt Trainer, die ihr fundiertes Wissen und Können nur in Nischen (wie Neulengbach) praktizieren, es bewusst vermieden haben in den zentralen Bereich des Profi-Fußballs vorzustoßen, weil ihnen klar war, dass sie in einer solchen Atmosphäre keine Chance bekommen würden. Ein, zwei ganze Trainer-Generationen, allesamt Nicht-Ex-Starteamspieler, sind so verlorengegangen.

Der Erfolg der Khmer-Rouge-Ideologie schwindet

Bislang konnte die Trainer/Experten-Lobby (egal welcher Generation - unter den 98ern finden sich ja auch verheerende Blender) mit diesem impliziten Ausschluss-Verfahren herrschen. Jetzt, nach dem Schock der ÖFB-Bestellung von Koller und der dumpfdreisten Reaktion darauf haben sie enorm an Kredit verloren - da bleiben also die Boulevard-Medien, die (aus verlagsstrategischen Gründen) einen Generalverdacht gegen jeglichen Intellektualismus vertreten. Ob die sich - wie sonst auch - nach dem Wind drehen werden, wird sich weisen. Ihr einziger Applaus für Gscheiderln kam bislang ja für bauernschlaue Trickster, die den Sport als Aufmarschgebiet für ihre Ausblutungs-Aktionen benutzten und dabei auch mediale Verbündete benötigten. Ein Kartnig hätte es ohne die antiintellektuellen Boulevard-Medien nie so weit gebracht.
Aber auch hier droht durch das Debakel von Peter Svetits, des letzten freilaufenden Unschuldsvermuteten, eine Trendumkehr.

Angesichts der Tatsache, dass beide Assistenten Kollers Buchautoren und somit ausgewiesene Theoretiker sind, steht eine echte Lager-Bildung an: die alten und jungen Schein-Praktiker der alten Seilschaften gegen die g'scheiden Buam, die sich auf wissenschaftlichem Level mit Fußball auseinandersetzen. Und seit der Sonntags-Rede vom Ferdl hab ich da deutlich weniger Sorge.