Erstellt am: 14. 11. 2011 - 17:48 Uhr
50 Jahre Herr Karl
Im Wiener Innenstadtlokal Gutruf wurde Helmut Qualtinger und sein Co-Autor Carl Merz im Frühjahr 1961 vom Fernsehspielchef des ORF beauftragt, sich etwas für eine 50 Minuten lange TV-Sendung einfallen zu lassen. In eben diesem Stammlokal Qualtingers brachten sie den Herrn Karl auch zur Welt.
ORF
„Man hat gefühlt, man is unter sich.“
Der Herr Karl arbeitet im Keller eines Lebensmittelladens und erzählt einem imaginären Kollegen von seinem Leben während und nach dem Krieg. Der Herr Karl ist ein arbeitsscheuer, feiger, ungebildeter Raunzer, der es blendend versteht den Hals rechtzeitig zu wenden, um unauffällig mitlaufen zu können. Einer, der ohne Rücksicht auf Verluste nur für sein Wohl und Auskommen redet und handelt. Einer, der sich arrangiert mit den Mächtigen, von der „Frau Chefin“ bis Adolf Hitler.
„Er hat mich ang‘schaut, i hab eam ang‘schaut. Dann hat er g‘sagt: ‚Ja ja!‘. Da hab ich alles g‘wusst.“
Die Volksseele tobte
Direkt vor der Erstausstrahlung im ORF gab es beschwichtigende Worte an das Publikum vor den Bildschirmen. Bereits während der Ausstrahlung tobte ein beleidigter Sturm der Empörung zorniger Zuseher, der sich heftig in der ORF-Telefonzentrale entlud.
Ein Politiker regte tags darauf an, den Fernsehdirektor nach Sibirien zu schicken. Ein Manager der Austrian Airlines leserbriefschreibte: „Kaum ist Gras über die Geschichte gewachsen, kommt so ein Kamel und frisst es wieder ab.“ Wochenlang hielt die Volksseele den Atem an und erboste sich zugleich in den Leserbriefspalten ob des Spiegels der ihr vorgehalten wurde.
„Jeder einzelne Satz ist irgendwann einmal von irgendjemandem in Wien gesprochen oder gedacht worden.“ (Helmut Qualtinger über „Herr Karl“)
Die internationalen wie heimischen Medien reagierten im Gegensatz dazu positiv auf den Herrn Karl. Qualtinger verkörperte den Herrn Karl zigmal auf der Bühne und hielt seinen Monolog achtmal am Broadway im ausverkauften Barbizon Plaza Theater.
Der Monolog funktionierte, ob der spärlichen Rahmenhandlung, auch als Hörspiel, war alsbald ausverkauft und lag 1961 unter vielen Christbäumen. Wäre doch auch 2011 wieder ein tolles Geschenk, gell!
Der Bildhauer Alfred Hrdlicka, der die Grabbüste Qualtingers auf dem Wiener Zentralfriedhof gestaltete, meinte: „Der Herr Karl war, rückblickend gesehen, nicht Vergangenheits-, sondern Zukunftsbewältigung.“
Herr Karl bei Chez Hermes
Anlässlich des Jubiläums dieser Zukunftsbewältigung, dieses beeindruckenden Soloprogrammes, dieser nachhaltigen Satire erfährt Chez Hermes am Dienstag (15.11.2011) eine einstündige Verlängerung und bringt in der zweiten Sendungsstunde den Herrn Karl zur Gänze zu Gehör.
chapeau,
Hermes