Erstellt am: 15. 11. 2011 - 15:21 Uhr
Animalischer Lo-Fi Pop
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Metallene Glockenschläge verhallen im unendlichen Klangraum. Dazu gesellt sich ein reduzierter Drummachine-Loop, über den Vincent Cacchione seine flüsternde Kopfstimme erhebt. Passenderweise hat der junge Musiker diesem Eröffnungssong den Titel "Teenagers In Heat" gegeben. Denn die Atmosphäre hat etwas naiv Kindliches, zerbrechlich Unschuldiges und ist wie ein wundervoller, betäubender Traum nach nicht einmal zwei Minuten auch schon wieder vorbei. Ein perfekter, blitzschneller und unmittelbarer Einstieg in das glitzernde, vielschichtige Universum der Caged Animals.
Caged Animals
Vom Schlafzimmer- zum Familienalbum
Ursprünglich ist Vincent Sänger und Songschreiber in der Band Soft Black, die von Kritikern als eine seltsam verschrobene Indieversion von Neil Young gelobt wird. Wie der Name der Band schon nahelegt, beziehen sich die Texte auf die dunklen Zeiten, in denen Albträume, Verlassensängste und der Tod im Vordergrund stehen. Doch der junge, in New Jersey geborene und aufgewachsene Musiker, der mittlerweile seinen Lebensmittelpunkt in Brooklyn aufgebaut hat, verspürte den Drang, auch seine anderen Gefühle musikalisch umzusetzen. Alleine in seinem Schlafzimmer entwarf Vincent mit Laptop und einem simplen freeware Musikprogramm Songskizzen, die sich um Sehnsucht, Versprechen an den Liebespartner, Erinnerungen an die Heimatstadt und Glücksmomente drehen.
Mittlerweile ist die bedroom Produktion zur family affair angewachsen. Mit Talya Rose Cacchione ist Vincents Schwester am Bass zu finden, am Keyboard unterstützt ihn seine Lebensgefährtin Magali Francoise und sein alter Kumpel Patrick Curry hat sich für Caged Animals hinters Schlagzeug gesetzt. Vielleicht kommt daher auch die organische Anmutung von "Eat Their Own", denn bei einem Song wie "This Summer I'll Make It Up To You" flirren einem Surf-Gitarren um die Ohren und zu dem knisternden Drumloop von "Hazy Girls" lotet ein warmer Basssound die tiefen Frequenzgefilde aus, während schlingernde Noise-Gitarren an die gute alte Shoegazer-Zeit denken lassen. Dass "Teflon Heart" mit seinem exaltierten Gesang, der entzückend wabernden Orgel, den dahineiernden Gitarrenlinien und dem billigen Groove zum Sommerhit für den kalten November wird, versteht sich da ebenso von selbst, wie dass der Text eine der einfachsten und zugleich schönsten Metaphern für die Eigenschaften einer Ex-Geliebten beinhaltet.
"You've got a teflon heart
And nothing sticks to you
You've got a teflon heart
I think I want one too, I want one too..."
Caged Animals
Der neue "Loser"
Der Stilmix, den Vincent auf "Eat Their Own" praktiziert, folgt nur einer einzigen Richtung, nämlich der seines musikalischen Herzens. So werden in die Caged Animals-Songs alle Vorlieben hineingepackt, die sich der Sänger und Gitarrist seit seinen Teenagerjahren bis heute bewahrt hat. Neben aktuellen Referenzen, die man mit Chillwave oder einfach Lo-Fi-Elektronica betiteln könnte, werden Cacchiones Stück von dem "Doo Wop"-Gesangsstil der 1960-iger Jahre durchstreift (man höre die Anfangsminuten von "The NJ Turnpike", passenderweise eine Liebeserklärung an den gleichnamigen New Jersey Highway) und das knacksende HipHop-Sample von "All the Beautiful Things In The World" lässt vermuten, dass Vincent hier seine eigene Version von Becks "Loser" kreiert hat.
Caged Animals
Beck Hansen ist sowieso der Name der am öftesten fällt, wenn es um eine Verortung vom Caged-Animals-Debüt "Eat Their Own" auf der musikalischen Landkarte geht. Schließlich sieht sich Vincent selbst mit seiner Genremischung, die sich aus einer im Kopf befindlichen Plattensammlung - also einem virtuellen Songarchiv, auf das natürlich nur unbewusst zugegriffen wird - speist, ganz in der Tradition der frühen Werke des Singer/Songwriters aus Los Angeles. Dass Caged Animals trotz dieser referenziellen Bezüge auch im Hier und Jetzt verankert sind, beweist das Stück "Pile Of $$$". Es ist eine extrem ironische, clever umgesetzte Kritik am kränkelnden Musikbusiness, das sich in Amerika immer noch hauptsächlich über die heillos überproduzierten R'n'B-Songs finanziert. Dementsprechend überdreht kommt Vincents Stimme daher, die er gleich zweimal hintereinander durch die "Produktions-Wundermaschine" Auto-Tune gejagt hat. Die "Überkorrektur" des Tonehöhenverlaufs lässt ein dissonantes Hörerlebnis entstehen, in dem eine fiktive Person über hölzern hohlen Beats vom großen Geld träumt, das mit mit diesem "R'n'B Hit" doch zu machen wäre.
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Wann immer Vincent Cacchione die billigen Beats anwirft, zwitschernde Syntheziser erklingen und seine melancholisches Timbre sich wie ein roter Seidenvorhang um die filigranen Songgerüste spannt, entsteht durchwegs ein Gefühl der Entzückung. Vincent schafft es nämlich, diese musikalischen Verschmelzung sehr spontan und natürlich klingen zu lassen. Und mit all den spontan eingesungenen Texten gewährt uns der nachdenkliche und gleichzeitig außergewöhnlich fröhliche Songschreiber einen tiefen Blick in seine Seele. Nur dass diesmal ein erhellende Glückgefühle die dunklen Winkel ausleuchten.