Erstellt am: 14. 11. 2011 - 16:33 Uhr
Alte Meister
Wir treffen uns im Kunsthistorischen Museum. Ich will das Bild sehen, vor dem der pensionierte Kunsthistoriker Reger immer saß. Jeden zweiten Tag hat er in dem Roman von Thomas Bernhard das Kunsthistorische Museum besucht, sich vor den "weißbärtigen Mann" von Tintoretto gesetzt und
dort nachgedacht, vor allem aber geschimpft. Über Gott, die Welt, die Politik und auch sehr über die Kunst. Thomas Bernhard at it‘s very best! Erzählt wird die Geschichte von Atzbacher, einem Freund Regers. Atzbacher beobachtet Reger im Museum, verabredet sich mit ihm auch dort und geht letztlich mit ihm ins Burgtheater. Soweit, so gut, so "Alte Meister" von Thomas Bernhard.
Nicolas Mahler/Suhrkamp Verlag
Nicolas Mahler/Suhrkamp Verlag
Aber zurück zu Mahler, der mich auf dem Weg zu Tintoretto auf einen Museumsaufpasser aufmerksam macht. Der sitzt hinter der Kordel, natürlich hat Mahler dieses Detail genauso gezeichnet. Und das, obwohl er nur zwei Mal für seine Recherchen im Kunsthistorischen Museum war. "Ich bin kein besonderer Museumsfreund. Ich hab da eher eine gewisse Beklemmung." Räume, in denen der Boden knarrt, wenn man geht, lassen ihn unrund werden. Deswegen könne er auch nicht ins Theater gehen. "Weil der Boden auf der Bühne so knarzt. Wenn die Stücke auf Spannteppich gezeigt werden, würde ich es mir eher anschauen." Er schaue sich lieber im Katalog die Bilder – in Ruhe an. So habe er auch hauptsächlich mit der umfassenden Datenbank des KHM gearbeitet.
Natürlich will er nur ablenken, weil wir besagtes Bild nicht finden. Die hätten da einiges umgehängt, wundert sich Mahler und freut sich gleichzeitig über die Veränderung.
Der weißbärtige Mann sei derzeit in San Francisco, klärt uns ein Museumswärter auf und so setzen wir uns gegenüber von einem schwarzbärtigen Mann und Nicolas Mahler erklärt, wie es zu dem Projekt gekommen ist. Der Suhrkamp Verlag habe ihn gefragt, ob er eine Graphic Novel zeichnen möchte – zu irgendeinem bedeutenden Autor aus dem Verlag. Thomas Bernhard sei ihm als erstes eingefallen und da wiederum "Alte Meister". Aber Thomas Bernhard als Graphic Novel, ja geht denn das überhaupt? "Na besser als Anne Frank und Graphic Novel." Reale Schicksale seien doch heikler als Literatur und man könne jede Fiktion adaptieren.
Auf keinen Fall wollte er eine Nacherzählung zeichnen, die dem Text nichts hinzufügt. Und so nimmt Mahler den Monolog von Bernhard, verwendet allerdings nur die Stellen, die sich auf die Kunst beziehen, kürzt dort gelegentlich und ergänzt dies mit seiner typischen Bilderwelt: Reduzierte Figuren und Details in schwarz weiß plus gelb-gold.
"Wenn ich schon die Adaption mache, kann ich ja gleich ich sein, und hab mich gezeichnet." Dass der Ich-Erzähler Nicolas Mahler extrem ähnelt, sei dem Verlag noch gar nicht aufgefallen.
nicolas mahler/suhrkamp verlag
Die Figuren sind also wie in den anderen Büchern.
Neben Szenen aus dem Museum hat Mahler viele Kunstwerke, "alte Meister" eben, gezeichnet, die den Text wunderbar ergänzen. Er schafft es auch, mit grafischen Details dem Text noch mehr Wirkung zu geben. Wenn er etwa mit dem Muster des Fußbodens die Wandlung von Einsamkeit zu Verrücktheit darstellt.
14.11.2011 19:30h
Buchpräsentation der Graphic Novel "Alte Meister" von Nicolas Mahler im Kunsthistorischen Museum
Lesung des Textes: Martin Schwab
Eintritt: frei
Vor einem Jahr hat er mit den ersten Skizzen begonnen. Ein gutes halbes Jahr habe er an "Alte Meister" gezeichnet. In der Zeit haben auch die Bernhard Stiftung und der Bruder von Thomas Bernhard von der Graphic Novel überzeugt werden müssen. Aber die waren nach ein paar Probeseiten schon so begeistert, dass sie ihm nicht nur alle Freiheiten gelassen hätten, sondern auch eine Ausstellung in Gmunden planen.
Für ihn sei das ein wunderbares Arbeiten gewesen, denn im Unterschied zu eigenen Büchern habe er sich nicht alles aus den Fingern saugen müssen, sondern konnte mit vorhandenem Text arbeiten.
Der trockene Humor von Nicolas Mahler und die Schimpftriaden von Thomas Bernhard – da haben sich zwei getroffen!