Erstellt am: 13. 11. 2011 - 18:02 Uhr
FM4 Handmade – Mach es selbst!
FM4 Handmade - Mach es selbst
Das Selbermachen wird diese Woche auf FM4 groß geschrieben. Geschichten von Schuhmach-Work-
shops, Hartz-IV-Möbel-serien und DIY-Musiker-Innen. Außerdem: Selbermach-Bücher, Netztipps und Läden. Auf fm4.orf.at/handmade sowie der FM4 Morning Show, Connected und Homebase.
Das Prinzip “Do-it-yourself” hat sich in der Gesellschaft breit gemacht. Allerorten wird gestrickt, gehämmert und genäht. Gefilmt, bedruckt sowie
re- und upcycled. Eigenes Gemüse wird angebaut ebenso wie Brot wieder öfter selbstgebacken. Mit Musik ist DIY sowieso die längste Zeit verwoben, genauso wie mit Gegenkulturen und den jeweils Neuen Medien.
Die Motive fürs Selbermachen sind heute ebenso vielfältig wie die ProponentInnen. Rampenlichtler wie Normalos tun es aus Spaß, Not, Tugend oder Ideologie. Ökologisches Bewusstsein steht da neben Kapitalismuskritik. Neue Häuslichkeit opponiert Aktivismus. Kunst vereint sich mit wirtschaftlichen Gründen.
Wir machen also eine Woche möglichst viel selbst - im Rahmen von FM4 Handmade.
Startschuss
Erstmals taucht der Begriff “Do-it-yourself” 1912 auf. Damals regte die Zeitschrift Suburban Life ihre LeserInnen an, Wände doch selbst zu streichen, anstatt Fachkräfte anzuheuern. In Deutschland bzw. dem deutschsprachigen Raum ist der Begriff etwa ab den 1960ern verankert. Auch damals ging es um so genannte Professionisten – genauer: deren Mangel. Wegen allzu langer Wartezeiten legten immer mehr selbst Hand an. Die Tätigkeit für sich lässt sich heute wahrscheinlich grob in drei Formen aufspalten: Dem Prinzip der kreativen Eigengestaltung, dem des Mitmachens (nach vorgegeben Mustern) oder im Sinne des Gemeinschaftlichen als Zusammen-Machen.
Barbara Köppel
DIY ist natürlich auch längst zum Wirtschaftszweig geworden. Da werben Baumärkte mit dem Slogan, dort machen uns Banken zur eigenen Kundenservice-Stelle, nicht zu vergessen jene Möbelhäusern, für die wir Lieferung wie Aufbau übernehmen. Diese Auslagerung von Dienstleistungen an uns selbst, bindet mehr ein, spart mitunter Geld, kostet im Gegenzug aber auch Zeit und macht aus „KönigIn Kunde“ immer mehr „Kunde MitarbeiterIn“.
Lisa Rastl
Zur Branche-DIY gehören aber auch Menschen, die ihre selbst gemachten Produkte verkaufen; online, auf Flohmärkten oder in Selbstmade-Shops. Hier spielt auch die Thematik des Prekarismus hinein. Artikel zum Thema sprechen zudem von „ArbeiterInnennbewegungen“ und einem Wandel von Wirtschaftsstrukturen (Stichwort: Nischenproduktion).
Einen weiteren Aspekt hat mir die Kulturwissenschafterin Elke Gaugele aufgezeigt. Die Marktforschung beobachte bzw. beforsche Plattformen wie Etsy (von dem vor kurzem erste die deutsche Version startete), um rauszukriegen, was man den Do-it-Yourselfer-ern noch so an Produkten anbieten könnte.
Handarbeit
Gaugele ist Professorin für Moden und Styles an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Sie befasst sich mit Textilem und Alltagskultur, Politik und Verstofflichung. Zudem hat sie den theoretischen Zirkel „Critical Crafting Circle“ mitbegründet, der soeben das Buch „Craftista! Handarbeit als Aktivismus“ im Ventil-Verlag herausgegeben hat. Und sie hat mir einiges über die Geschichte der Handarbeit erzählt.
Dass der erste Trend Mitte des 19. Jahrhunderts festzumachen ist, als Handarbeits – wie bürgerliche Zeitschriften aufkommen. Oder von den Tricoteusen der französischen Revolution, die in der Moderne die ersten mit einer politischen Konnotation waren, mit der Handarbeit ihre kämpferische Gesinnung zum Ausdruck brachten.
Wie die Handarbeit in den Kriegsjahren eine eher dunkle Seite der feministisch-politischen Geschichte zeigt, als „Stricken für die Front“ sowie als „kriegswichtige Produktion“ von Frauenbewegungen in Berlin oder Wien stark forciert wurde. Und als die Arbeit mit der eigenen Hand zum Interventionstool wird. Nämlich Mitte/Ende der 1990er mit der Anti-Globalisierungsbewegung und den Protesten gegen Bush und den Irakkrieg. Genauer ist das – und noch viel, viel mehr - im oben genannten Buch „Craftista!“ nachzulesen.
Mehr Lesen
Ein anderes Buch gab übrigens den Ausschlag, sich intensiver mit dem Thema DIY zu beschäftigen: Susanne Klingners „Hab ich selbst gemacht. 365 Tage, 2 Hände, 66 Projekte“ (erschienen als KiWi Paperback). Die Autorin verordnete sich ein Selbermach-Jahr und brachte es anschließend zu Papier.
Radio FM4
Launig ist das zu lesen, wie sie den perfekten Weihnachtsstollen schafft und niemand je wieder einen gekauften essen will; gewöhnungsbedürftig wie sie Faschingskrapfen per „Mit-Strohhalm-Reinblasen“ füllen will. Sie versucht sich an Cocktailkleidern, dem Käse- oder Seifenmachen – und reüssiert. Mit dem Gemüseanbau kommt sie dank Wetterkapriolen allerdings so gar nicht auf Du und Du. Gespickt ist das Buch obendrein mit vielen Tipps (etwa: Salat immer in Tranchen aussäen, damit nicht alles zugleich reif ist), Bücher-empfehlungen (die sie selbst als Einstiegs-Lektüre nutze) sowie Rezepten und Links. Eine Liste findet sich dankenswerterweise auch online.
Ihr Anstoss zum Selbermach-Jahr war, wie sie schreibt, dass sie nach acht Stunden am Computer immer öfter das Bedürfnis hatte, selbstanzupacken, etwas nicht Virtuelles entstehen zu lassen.
Selfmade
Und weil wir schon beim Geschrieben sind, noch ein drittes Druckwerk gibt einen interessanten Überblick. Der Katalog zur Frankfurter Ausstellung „Do It Yourself: Die Mitmach-Revolution” (Ventil Verlag). Hier wird das Motto durch die Zeit und von etlichen Seiten beleuchtet. Aufgespaltet in die fünf Themenbereiche: Hobby, Arbeit, Gegenkultur, Wissen sowie Medien.
Da ist etwa zu erfahren, wie Kriegsutensilien – in erster Linie natürlich aus wirtschaftlichen Gründen - umgearbeitet wurden, ihnen damit gleichzeitig aber auch eine zivile wie pazifistische Bedeutung verliehen wurde. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist der Gewindeabschluss einer Gasmaske, der zu einem Nadelkissen wurde.
Weiter geht es da um Prosumenten (Produktion vermischt sich mit Konsumption), um Laien als Erfinder oder um „DIY als politische Form der Wissensaneignung“. Dass die Wirtschaft sich zu weiten Teilen immer noch auf eine sogenannte Expertenwelt beruft und dass DIY sich gewissermaßen dagegenwendet – ganz im Sinne der Selbstermächtigung und der Idee des Punk.
Barbara Köppel
Auf dem Programm
In der FM4 Morning Show werden im Zuge der DIY Fingerübung Taschen und Hocker entstehen. In Connected werden wir uns zum einen dem Theoretischen am Selbermachen widmen wie auch ausprobieren, wohin man bei ersten Do-it-yourself-Schritten per Netz am besten surft. Zudem wird Menschen, die ihre Eigenproduktionen (derzeit noch nebenberuflich) verkaufen, ein Besuch abgestattet; es werden Schuhe gemacht, ein Fm4 Stempel in einem Fab-Lab gefertigt sowie Schaltkreis-Tüflter und österreichische Indy-Bands aufgesucht.
FM4 Handmade - ab Montag auf FM4 und fm4.orf.at.