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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

9. 11. 2011 - 17:05

Mumblecore

Musik von ganz tief unter der Kuscheldecke: Die Lo-Fi-Melancholie von Youth Lagoon und seinem ganz und gar putzigen Debüt-Album.

Was an "The Year Of Hibernation" sehr schnell und sehr deutlich auffällt, ist die hörbare Beschränkung in den Produktionsmitteln und in den Sounds. Für das erste Album seines quasi grad erst geborenen Projekts Youth Lagoon hat der Klang-Heimwerker Trevor Powers (ein Name übrigens, dessen Action-haftigkeit der Musik seines Trägers relativ diametral gegenübersteht) über weite Strecken an einem reduzierten Instrumente-Arsenal herumgeschraubt, das locker in zwei kleinen Handarbeits-Koffern Platz hätte.

youth lagoon

Youth Lagoon

Trevor Powers, Youth Lagoon

Musik aus der Bastelstube

Ein alter Synthie, den Powers noch von der Großmutter geschenkt bekommen hat, ein, zwei Drum-Machines, ein fast schon unvermeidliches Cheapo-Casio, das immer so schön pluckert und fiepst. Dazu zwingt sich Herr Powers einen geflüsterten Nuschel-Gesang aus dem dünnen, 22-jährigen Körper, viel mehr findet auf "The Year Of Hibernation" nicht statt. Da und dort hat ein Kumpel ein paar eiernde Gitarren-Parts eingespielt, ein bisschen niedliches Spielzeug-Instrumentarium rumpelt, und in ein, zwei Stücken darf es auch schon mal das richtig echte große Klavier - hier aber auch bewusst zurückgenommen betastet - sein, insgesamt aber geht es hier um Reduktion, Rückzug und Ein-Igelung.

Für sein Debütalbum - das an dieser Stelle sogleich als ein bescheidenes Top-20-Album des Jahres angepriesen sein soll - hat sich Powers so also einen äußert passenden Titel ausgedacht, "Hibernation" nämlich, wer es nicht wusste, bedeutet so viel wie "Winterschlaf".

youth lagoon

Youth Lagoon

Wir haben es bei dem Unternehmen Youth Lagoon, das natürlich aus so einem Ort wie dem halbverschlafenen Boise, Idaho kommen muss und auch noch immer dort stationiert ist, mit einem weiteren dieser immer ein bisschen betrübten Lo-Fi-Bastler zu tun, die daheim im Kinderzimmer in schweren Stunden kleine Pop-Preziosen aus dem Chemie-Baukasten fischen. "The Year Of Hibernation" ist in jedem Maße eine Platte, die sich nicht durch die Charaktereigenschaft des Besonders-Seins auszeichnet.

Youth Lagoon

Youth Lagoon

"The Year Of Hibernation" von Youth Lagoon ist bei Lefse/Hoanzl erschienen

Normale Jugend, normale Musik

In acht Stücken (plus zwei unbedingt auszucheckenden Bonus-Tracks) besingt Youth Lagoon wasserfarbenbeige Geschichten von Nostalgie, Jugend-Verwirrung und Teenagerliebe. Man kann das aber nicht immer so genau verstehen. Trevor Powers verschluckt die Silben und die Worte wie die bitteren Pillen eines als mitteltragisch empfundenen, also normalen Erwachsenwerdens. Im Gegensatz zu anderen aktuell populären Nostalgie-Musiken wie der Chillwave und Retromanien, werden bei Youth Lagoon aber nicht pop-schlau die Musikarchive kreuzverwertet und schon gar nicht wissend "Ironie" und "Zynismus" praktiziert - bei Youth Lagoon geht es um die echt gefühlten Poesie-Album-Emotionen. "The Year Of Hibernation" ist "Wunderbare Jahre".

Das alles ist also auch ein recht biedere Musik, Wehmuts-Indie auf zerbrechlicher Tasten-Basis samt sphärisch verwaschenen Sound-Schichtungen, die quasi die Rückkehr des Cocooning feiert und gar arg lieb schnurrt. Genauso aber ist dies hier ein kleines Zauberwerk von einer Platte, das - zwar nicht über die Maßen abwechslungsreich - mit seinen schön einlullenden Melodien und Sound-Ideen gut das Hirn und die Glieder wärmt, wenn draußen vor der Tür grade wieder das Gefühls-Chaos zürnt.

Interview mit und Musik von Trevor Powers gibt es in der heutigen (9.11) Homebase (19-22 Uhr) zu hören

Wie bei alle guten jungen Schmerzens-Frauen und -Männern, die nicht komplett in Rührseligkeit und Selbstritzung ertrinken wollen, balanciert Youth Lagoon das dunkle Drama Leben mit dem sanft im Körper glühenden Wissen aus, dass ja möglicherweise alles eh gar nicht so schlimm ist. Der Grundton ist ein betrübter, aber da hinten, da kann man schon den Regenbogen sehen. Trevor Powers gelingt das Kunststück, Texte zu hauchen, die nach folgendem Schema funktionieren:

When i was seventeen,
My mother said to me
"Don't stop imagining. The day that you do is the day that you die."

Man möchte nicht altklug mit dem Kopf schütteln. Man möchte seine Feinde umarmen. Und dann setzt auch noch der Beat ein.