Erstellt am: 8. 11. 2011 - 18:49 Uhr
A Room of One's Own
"A room of one's own" ist eine Forderung, die Virginia Woolf schon 1929 im gleichnamigen Essay geäußert hatte. In diesem Fall ging es aber nicht (nur) um einen tatsächlichen Raum, um als Frau in Ruhe schreiben zu können, sondern auch symbolisch um einen Platz für Frauen im männlich geprägten literarischen Kanon.
Frauenräume, wie wir sie heute kennen und vorfinden, sind untrennbar mit den Ideen und Forderungen der zweiten Frauenbewegung verbunden. In Österreich sind Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger Jahre unterschiedlichste Women Only-Räume entstanden: Von Frauen-Buchhandlungen und -Cafés bis hin zu Gewaltschutzeinrichtungen. Aber auch heute werden Frauenräume benötigt und immer wieder eingerichtet, zuletzt zum Beispiel bei der #unibrennt-Bewegung, weil es zu sexuellen Übergriffen gekommen war, oder im (inzwischen geräumten) besetzten Haus in der Lindengasse.
Wofür braucht es Frauenräume? Was haben sie in den vergangenen 30 Jahren gebracht? Können junge Feministinnen damit noch etwas anfangen? Und ist der Ausschluss von Männern und teilweise Queer*/Inter*/Trans*Personen noch zeitgemäß? Ich habe mich auf eine Spurensuche begeben….
Raum fordern
Während die erste Frauenbewegung die Gleichheit von Frauen und Männer vor dem Gesetz und als StaatsbürgerInnen eingefordert hatte, ging es der zweiten Frauenbewegung um die Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Nach der Öffnung der Institutionen mussten Frauen erkennen, dass sie sich einseitig an die männlich dominierten Strukturen anpassen mussten, um darin existieren zu können. Das kritisierte die zweite Frauenbewegung und setzte dem die Idee einer spezifischen weiblichen Erfahrungswelt entgegen.
Wikicommons
Damit geht auch die Forderung nach eigenen Frauenräumen einher, zu der Männern keinen Zutritt haben. "Es entstand eine Subkultur, mit Frauenbuchhandlungen, Frauencafés, etc. die Frauen für sich haben wollten und dieses Recht auch verteidigten", erklärt die feministische Historikerin Maria Mesner, "Das zeugt vom Selbstbewusstsein, als Frauen aufzutreten und das Recht einzufordern, Raum für sich zu haben. Dieses Spezifikum der Zweiten Frauenbewegung ist seitdem in die Geografien der Städte eingeschrieben."
Für ALLE Frauen
Das WUK und das FrauenLesbenZentrum sind zwei autonome Vereine, die beide im roten Backsteingebäude in der Wiener Währingerstraße untergebracht sind.
1978 entstand in Österreich ein Frauenhaus. "Ein Hauptschwerpunkt von Frauenräumen ist natürlich, dass viele Frauen Gewalt erleben, vor allem Gewalt von Männern", sagt Maria Newald vom autonomen FrauenLesbenzentrum im Wiener WUK "In Frauenräumen finden sie Gleichgesinnte, wo Platz ist, dieser Trauer, dem Zorn oder der Wut überhaupt Ausdruck zu verleihen und dabei aber gleichzeitig nicht mit Männern konfrontiert zu sein."
Wiener Frauenhäuser
Gewalt blieb aber nicht das einzige Thema, das die Frauen in Frauenräumen teilten und bearbeiteten: Es entstanden Frauenzeitschriften mit eigenen Redaktionsräumen, die zu wichtigen Organen der Frauenbewegung wurden. In den - inzwischen berühmten - Körpererfahrungsgruppen erkundeten Frauen ihre Körper und ihre Sexualität. Es gab Selbstverteidigungskurse, Theater- bzw. Kabarettgruppen, Kunstkurse und Bars und Cafès als Aufenthaltsräume. Und natürlich wurde gemeinsam an politischen Forderungen und Aktionen gearbeitet, die autonomen Frauentagsdemos, die sich ab den 1980er Jahren die Straße zurückholten, haben sich zum Beispiel in den Frauenzentren organisiert.
"In den Siebziger und Achtziger Jahren, wo die Frauenbewegung wirklich noch ganz breit und stark war, war sozusagen jede Frau, also auch viele verheiratete Frauen mit ihren Kindern, im Frauenzentrum. Sie haben sich hier organisiert und ihre Forderungen gestellt. Es ist aber natürlich immer schon und jetzt vermehrt sichtbar ein Ort für Lesben gewesen."
Kontrolle durch Finanzierung
Und noch etwas veränderte sich: Johanna Dohnal wurde 1979 Staatssekretärin für Frauenfragen, das Staatssekretariat bekam mit der Zeit ein entsprechendes Budget und viele vormals autonome Projekt wurden von öffentlicher Seite gefördert. "Mit dieser Finanzierung ist aber auch eine bestimmte Form von Kontrolle eingetreten", so Maria Newald "und vor allem in den Neunziger Jahren wurde einige Projekte abgedreht."
APA/Herbert Pfarrhofer
Heute sind daher bei weitem nicht mehr so viele Frauenräume und -Projekte übrig, wie in den 1980er Jahren. Manche mussten auch ihre explizit feministische Politik ändern, wie die Frauenberatungsstellen, die mittlerweile Familienberatungsstellen sind, um die Förderungen behalten zu können.
Frauenorte wie das FZ im Wiener WUK wollten und wollen sich solchen Vorschriften nicht beugen. Auch wenn das heißt, keine oder nur sehr wenig Förderung zu bekommen. Weil feministische Frauenorte für die Bewegung wichtig sind und weil sie wichtige Funktionen erfüllen, sagt Maria Newald: "Frauen werden ganz oft in die Richtung erzogen, sich Männern und Kindern zuzuwenden und miteinander in Konkurrenz zu treten. Frauenorte durchbrechen genau das."
Legitimation des Ausschlusses qua Geschlecht?
Viele der autonomen Projekte kämpfen ums (finanzielle) Überleben, aber auch um die Legitimation in den Reihen der Feministinnen.
Ich habe mich unter jungen (Queer-)Feministinnen umgehört, was sie zum Thema Frauenräume sagen. Viele von ihnen zweifeln die Legitimierung eines Raumes an, der gewisse Menschen aufgrund ihres Geschlechts ausschließt. So meint zum Beispiel Eva Trimmel, Architektin, die ihre Diplomarbeit über Ladyspaces geschrieben hat, auf die Frage ob Frauenräume noch zeitgemäß und notwendig sind: "Ja und Nein. Wenn man Frauenräume als Schutzräume meint, wo Frauen unter gegenseitigem Respekt und Vertrauen sich wohlfühlen und sich vor Übergriffen von Männern beschützt fühlen wollen, dann ja. Ansonsten hätte ich gesagt, wären mir eigentlich so etwas wie queerfeministische Räume lieber, wo man Ein- und Ausschlüsse nicht über Geschlechtszugehörigkeit definiert.“
Während Gewaltschutzeinrichtungen als reine Frauenräume von den meisten jungen Feministinnen nicht infrage gestellt werden, wird die Kategorie "Frau" durchaus kritisiert, sagt die feministische Journalistin Vina Yun "Das, was eine Frau definiert, da gab es ja sehr viele Auseinandersetzungen in der letzten Zeit, dass Frau nicht notwendigerweise biologisch definiert sein muss, insofern sollte man nicht von Frauenräumen sprechen, sondern vielmehr von feministischen Räumen oder meinetwegen auch von queeren Räumen."
Andere Parameter
Vor allem die Frage, ob Intersex- oder Transgender-Personen Zutritt zu den klassischen Frauenräumen haben sollen, hat zu großen Konflikten unter Feministinnen geführt. Das Wiener Frauenzentrum bleibt zum Beispiel bei seinem Standpunkt, dass die beiden Gruppen nicht die gleiche Politik verfolgen: "Wir finden es gibt noch lange nicht genug Frauenräume, es braucht dann einfach FrauenLesben und FrauenLesbenTansgender-Räume und da sind dann Bündnisse möglich. Es ist einfach schwierig, solange zu wenig Orte gibt, wenn sich alles unbedingt an einem Ort abspielen muss."
Dieses Festhalten an biologistischen Ausschlusskriterien ist für viele jüngere Feministinnen, die sich mit Gender-Theorie auseinandersetzen, unverständlich. Sie schlagen andere Parameter des Ein- und Ausschlusses vor, wie zum Beispiel Verhalten, meint Eva Trimmel: "Wo man dann einfach sagt: es gibt ein Verhalten im Raum, das erwünscht ist, und solches, das nicht erwünscht ist. Denn Verhalten kann ich ändern, Geschlecht nicht so leicht."
Temporäre Frauenräume
Auch wenn viele junge Feministinnen sagen, dass sie Frauenräume kaum aufsuchen oder sie persönlich nicht brauchen, entstehen immer wieder temporäre Frauenräume. Das kann im Rahmen von feministischen Veranstaltungen wie Ladyfesten oder queerfeministischen Tagen, wo einzelne Veranstaltungen oder Abende nur für Frauen* (das inkludiert Intersex und Transgender-Personen) reserviert sind. Um eben den Freiraum bieten zu können, zu diskutieren, zu tanzen oder zu schmusen abseits von komischen Kommentaren, Blicken oder gar Übergriffen.
Oder aber jüngste Beispiele wie die Unibesetzung #unibrennt, wo es in der besetzen Uni notwendig wurde, einen Frauenraum einzurichten, weil es vor allem in der Nacht zu sexuellen Übergriffen gekommen war.
unseruni.at
Dass die institutionalisierten Frauenräume wie das FZ durch temporäre wie Ladyfeste dauerhaft ersetzt werden, ist laut Vina Yun aber nicht das Ziel: "Da geht es ja darum, unterschiedliche Räume zu besetzen. Das ist eine parallele Strategie, die man verfolgen kann: Frauenräume zu erhalten, die es schon sehr lange gibt und die institutionalisiert sind. Das finde ich genauso wichtig, wie Räume, die sonst nicht als Frauenräume oder als feministische/queere Räume definiert sind, temporär zu besetzen. Also ich finde, so eine parallele Strategie ist auf alle Fälle sinnvoll!"
Noch lange nicht überflüssig
Und: dass Frauenräume - wenn auch nur temporär - immer wieder neu eingerichtet werden, zeigt, dass sie noch lange nicht überflüssig sind: Maria Newald meint, dass es die Frauenbewegung nicht geschafft hat, alle ihre Forderungen zu erfüllen, dass die Anforderungen an Frauen nicht zuletzt wegen des neoliberalen Wirtschaftssystems härter geworden sind und dass sie das Gefühl hat, dass neben all den Occupy- und Indignadas-Bewegungen auch eine neue Welle des Feminismus am Anrollen ist. Junge Frauen würden dann die Frauenräume wieder brauchen und benutzen, um sich zu organisieren.
"Irgendwann brauchen wir keine Frauenräume mehr, aber das wird nicht in diesem Jahrhundert sein", ist auch Eva Trimmel überzeugt. "Wenn wir eine egalitäre Gesellschaft haben, wo Frauen und Männer wirklich gleichberechtigt sind, wo es kein Patriarchat gibt oder sonstige Privilegien für als Männer geborene, dann brauchen wir das nicht mehr. Aber bis wir soweit sind, werden Frauenräume immer notwendig sein."