Erstellt am: 7. 11. 2011 - 21:32 Uhr
Fußball-Journal '11-123.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch das heurige Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit zwei Begebenheiten, die Murphys Gesetz belegen.
Posse 1 spielt in Hartberg, beim Tabellenletzten der 1. Liga, und sie erklärt die miese Performance.
Posse 2 ist die jüngste Entwicklung in jedermanns Stiefkind, dem ÖFB-Cup.
Hier der Link zu diversen Journalen zum Cup.
Fall 1: die Fehlentscheidung des TSV Hartberg
Martin Živný ist ein tschechischer Abwehrspieler, der einst sein Land bei einer U20-WM vertrat und sich zuletzt bei zweitklassigen heimischen Vereinen zuletzt beim TSV Hartberg verdingte.
Im oststeirischen Hartberg ist es Ziel die Klasse zu halten - schließlich befindet man sich im Fegefeuer zwischen Voll- und Halbprofitum. In der Vorsaison gelang dies, unter anderem mit Zivny, vor allem deshalb weil Coach Bruno Friesenbichler und sein Team auf eine junge und eingespielte Mannschaft vertrauten. So konnte man die Vienna und Gratkorn abhängen.
Bei der Saisonabschluss-Feier nach Meisterschafts-Ende kam es nun zu einem verhängnisvollen Vorgang. Zwei unterschiedliche Quellen bestätigen folgenden, trotzdem hier bewusst vorsichtig formulierten Vorgang (zumal nicht genau geklärt ist, wie und ob es im Vorfeld nicht auch schon zu Reibereien unter den Beteiligten kam): In einem Klima fortgeschrittener Euphorisierung näherte sich der Spieler Zivny der bei der Feier ebenso anwesenden Freundin des Co-Trainers auf eine Art an, die zu einer Auseinandersetzung, einem Handgemenge, jeder Menge Ärger und schlussendlich dazu führte, dass Trainer Friesenbichler dem Hartberger Vorstand die Vertrauensfrage stellte: entweder Zivny bekommt die Fristlose oder er und sein Co würden gehen.
Aus der Wirtshaus-Schlägerei wird ein Prinzipien-Streit
Der Vorstand entschied, zur großen Überraschung aller, für Zivny und gegen die Trainer.
Im Juni übernahm Althase Kurt Garger die Mannschaft; mit Zivny. Der absolvierte in dieser Saison 15 Pflichtspiele für Hartberg, ehe er vor vierzehn Tagen dann nicht mehr eingesetzt wurde.
Hier, im Cupspiel gegen die Rapid-Amateure war er bereits nicht mehr dabei, angesichts der Qualitäten des jungen Luca Tauschmann fehlte er auch nicht.
Hartberg ist, nachdem durch den Abgang Friesenbichlers auch etliche Spieler (sein Bruder Günther, Seebacher, der zur Admira, Rodler und Domoraud, die zu Mattersburg gingen und vor allem Thomas Hopfer) den Verein verließen.
Der neue Coach musste eine neue, recht wild zusammengestoppelte Mannschaft aufbauen, die durchaus ihre Qualitäten (Bytyci, Gremsl, Huber...) hat, aber trotzdem - wenig überraschend - sofort in den Abstiegskampf eintauchte.
Die Herbstmeisterschaft beendete Hartberg als letzter.
Und Coach Garger gab vor wenigen Tagen bekannt, dass man Martin Zivnys im Dezember auslaufenden Vertrag nicht verlängern wolle.
Verspätete Kündigung als Hohnsprechung
Das Symptomatische an dieser Posse (das sie auch von der reinen Wirtshaus-Schlägerei erhebt und beschäftigungswert macht) ist die Moral, die man angesichts von Fehlleistungen ziehen kann.
Fehler von Spielern auf dem Platz sind innerhalb einer Saison leicht wiedergutzumachen; auch Fehler von Coaches lassen sich ausbügeln. Fehler im gesellschaftlichen Umgang lassen sich schon wesentlich schwerer beheben.
Fehler die die Geschäftsführung macht, haben aber den massivsten Einfluss auf das Schicksal.
Ein Vorstand, der ein funktionierendes Trainerteam opfert (und damit die Aufbauarbeit eines Jahres abschießt), um es sich nicht mit einem Führungsspieler zu verscherzen, trägt die Verantwortung für den daraus resultierenden sportlichen Abstieg. Und zwar ganz alleine.
Weil sich nämlich blöde Vorfälle bei Feiern (zumindest im Rauschkugelland Österreich) nie verhindern lassen werden - weshalb eine geschicktes Handling solcher Vorfälle unabdingbar ist.
Dass Zivny jetzt, nicht einmal ein halbes Jahr später, vom neuen Coach als eh durchaus verzichtbar angesehen wird, spottet der Entscheidung der Klub-Verantwortlichen zusätzlich Hohn.
Die Moral der Geschichte: oft sitzt der schlimmste Feind der eigenen Truppe in den Aufsichtsgremien.
Fall 2: der Skandal um den Worst Case im ÖFB-Cup
Tolle Paarungen hat sie gebracht, die Auslosung zum ÖFB-Cup-Viertelfinale, tönt die offizielle Presseaussendung.
Ja, klar.
Im wilden Reich der betriebsblinden Euphemisten vielleicht.
In der wirklichen Welt brachte sie die Horror-Paarung schlechthin: Red Bull Salzburg gegen die Red Bull Juniors Salzburg.
Das ist echt zum Reihern: Da darf in einem Viertelfinale eines offiziellen Bewerbs ein Verein gegen sich selber antreten. Und der ohnehin (durchaus zurecht) gebeutelte Retorten-Verein ist diesmal nur zum Teil selber schuld an dieser Peinlichkeit, die den Operettenstatus des heimischen Fußballs aufs Trefflichste dokumentiert.
Wie also konnte dieser aufgelegte Schwachsinn passieren?
Schuld ist - wie immer - die Gier, das "den Hals nicht Vollkriegen" der größeren Player im heimischen Kick.
Wie bei Monty Python: Salzburg spielt gegen sich selber...
Während sonstwo in der zivilisierten Fußball-Welt die Regel "Ein Bewerb, eine Mannschaft" gilt, erlaubt es eine Sonderregel im immer wieder neu organisierten Stiefkind ÖFB-Cup (ein Bewerb, der sowieso im Keller des Hauses Fußball leben muss, nach guter österreichischer Familien-Tradition) dass auch die B-Teams der Bundesliga-Clubs startberechtigt sind.
Das bringt zusätzliche Gelder - und hält den großen Vereinen auch kleine Vereine, gegen die man sich in frühen Runden blamieren kann, vom Leib.
Nun wird der ÖFB-Cup zwar nicht von der Bundesliga, der Interessenvertretung der Profi-Vereine, sondern vom ÖFB, dem Dachverband aller Klubs, vor allem der Amateur-Vereine, ausgerichtet - was den mächtigen ÖFB-Generaldirektor Alfred "Gigi" Ludwig, der den Cup wie sein Eigentum betrachtet, aber nicht davon abhält, den entsprechenden Lobby-Einflüsterungen zu erliegen.
Und: was Ludwig, ehemaliger Krone-Sportjournalist und letztes Überbleibsel der Ära Sekaninia sagt, das ist Gesetz.
Außer er sagt, wortreich, nichts.
Wie im Fall des Cup.
Angewandter Lobbyismus: Großklubs richten sich's im Cup
Die Peinlichkeit, dass ein Profi-Team seine eigenen Amateure zugelost bekommen hat, ist nämlich keine Premiere. Es ist eigentlich erst recht kurz her, dass der gleiche Ballerwatsch Rapid Wien passiert ist. Im Sommer 2010 und die Begleitmusik war eindeutig: so nicht; da muss was geändert werden - diese Leier sang auch der peinlich berührte ÖFB, selbst General Ludwig.
Davon war dann, ein Jahr später nicht mehr die Rede. Man hatte vergessen die entsprechenden Reformen in die Wege zu leiten.
Und wieder gab es Amateur-Teams zuhauf, die den Cup verstopfen und vor allem gar keine Zuschauer bringen; und so kleinen Vereinen die Chance einen der Großen zugelost bekommen, minimieren.
Und wieder hagelte es Kritik (kaum in der gleichgeschalteten Mainstream-Presse, die sich schlaue Ex-Pressemenschen mit Lockangeboten gern auf lau halten, aber in den diesbezüglich forscheren neuen Medien); und wieder stimmte der Chor der zerknirschten Beschwichtiger ein "Jössasna!"-Stoßgebet an.
Ganz vorne: Gigi Ludwig, der sich hier bei 90minuten reuig zeigt.
Aber nur strategisch.
Beschwichtigungs-Arien und Verzögerungs-Taktik
Auf die Frage nach dem katastrophalen Zuschauer-Schnitt der Cupspiele redet er sich nämlich (wohl in der Hoffnung, dass das niemand checkt) auf die selbstverschuldeten Amateur-Teams aus und sagt dann "wir haben da noch viel zu tun!".
Dass dieses "viel" mit ein paar simplen Regeländerungen schon seit Monaten erledigt hätte sein können, kommt dem Generaldirektor nicht in den Sinn. Und jetzt, nach dem Worst Case kündigt er wieder etwas an.
Aber nur vage. Zitat: "Jetzt ist ein Punkt erreicht, wo man ernsthaft darüber diskutieren muss."
Ein Mächtiger wie er muss nicht diskutieren: er dekretiert.
Mit diesem Schmäh hält sich Ludwig, der protoösterreichische Lavierer, nämlich den Rücken frei, um gefahrlos umfallen zu können, wenn die Groß-Klubs wieder einen Dreh finden, um ihre Amateur-Teams dann doch wieder auch in den Cup 2012/13 reinzuargumentieren.
Das alles klingt nach Verzögerungs-Taktik par excellence.
Den gleichen Schmus haben Ludwig und der ÖFB der Öffentlichkeit schon im Vorjahr nach Rapid gegen Rapid erzählt - ohne etwas zu unternehmen.
Um das klarzustellen: hier gibt es keinen perfiden Masterplan.
Wirkliche Machiavellisten hätten natürlich dafür gesorgt, dass die Auslosung eine "Auslosung" ist, die den Unfall Salzburg gegen Salzburg erst gar nicht zulässt - so gefinkelt sind die ÖFB-Granden auch nicht; sie zelebrieren nur eine interessengesteuerte Wurstigkeit, die alles konterkariert, was gerade in anderen Bereichen (Nationalteam, Neustrukturierung) passiert.