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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

7. 11. 2011 - 06:21

Diverse Beats, feines neues Festival

Das "Ahoi! Pop!" in Linz. Mit Pantha Du Prince, Darkstar, Shit Robot u.v.m.

Am Wochenende ist das erste "Ahoi! Pop!"-Festival im Posthof Linz zu Ende gegangen. Die ganze Woche über - mit Ausnahme des Mittwochs - ist das Veranstaltungslokal am Hafen von einem Programm aus Pop, Indierock und verschiedenster Elektronik bespielt worden; beispielsweise Acts wie St.Etienne, die rotzlöffeligen Noise-Popper Yuck, Ginga, das Jeans Team oder Pantha Du Prince sind zu erleben gewesen, wobei man dazusagen muss, dass hinsichtlich Zielgruppenoptimierung die einzelnen Tage des Festivals programmtechnisch dann doch recht eindeutig in "Rock" hier, und "Elektronik" da aufgeteilt waren - angesichts eines vielleicht in einer Kleinstadt nicht gar so zahlreich vorhandenen Spezialpublikums vermutlich eine notwendige Maßnahme.

Dorian Concept

Philipp L'heritier

Dorian Concept
Darkstar

Philipp L'heritier

Darkstar

Philipp L'heritier

Vor allem Freitag und Samstag sind spannend und mutig programmiert: Der Freitag steht mit Dorian Concept, Darkstar, Pantha Du Prince und Soap&Skin im Zeichen von avancierter Beatforschung, filigranem Sound-Design und dunkelschwarzen Gefühlsregungen. Vier mitunter sehr unterschiedliche Acts, die zusammen jedoch eine äußerst stimmige Dramaturgie formen.

Aufgrund gesundheitlicher Probleme muss an diesem Abend leider mit Soap&Skin quasi der Headliner ausfallen - was in einem spürbaren Publikumsschwund resultiert. Die Menschen aber, die in den Posthof gekommen sind, dürfen einerseits eine seit Kurzem wieder neu erstarkte Konzertlocation erleben, in der beispielsweise keine Taschenkontrollen durchgeführt werden und das Deponieren von Kleidungsstücken an der Garderobe "Freie Spende" kostet, anderseits und freilich hauptsächlich drei großartige Performances.

Die flinken Finger des österreichischen Musikers und Produzenten Dorian Concept fummeln in fast schon autistisch anmutender Eigenbrötlerei ein vollelastisches Amalgam aus Funk, hibbeliger Knusper-Elektronik, HipHop und Jazz zusammen. Man kann auch ein paar Tupfer 90er-House heraushören. Das ist wie eigentlich immer bei Dorian Concept gleichermaßen unaufdringlich virtuos wie albern verspielt und ziemlich umwerfend.

Pantha Du Prince

Philipp L'heritier

Pantha Du Prince
pantha du prince

Philipp L'heritier

Eine Überraschung ist der Auftritt von Darkstar, die erst kürzlich bei einem Konzert in Wien von nicht wenigen Anwesenden als besonders langweilig empfunden worden sind. Das absolute Gegenteil ist - immerhin heute - der Fall: Die Performance des englischen Trios gehört zu den besten Konzerten des Jahres so far. Mit dem letztes Jahr erschienenen Debüt-Album hat die Darbietung nicht mehr viel zu tun. Dumpfes Bass-Grollen, siruphafte Soundscapes und ostentativ augenzwinkerndes Rüpelbenehmen und Fuck-Up-Style (Hallo, Witch House!) treffen auf glasklaren und ebenso zerbrechlichen Gesang, der mitunter an die Feingeistigkeiten der späten Alben von Talk Talk erinnert und vor allen Dingen eine aufs Schönste pervertierte Vorstellung von Soul an den Tag legt. Auch das eigentlich nicht mehr coverbare "Everybody's Got To Learn Sometime" von The Korgis wird gegeben. Das kaum für möglich gehaltene Zusammenkommen von Coldwave und Kuschelrock. Ach, wie schön das Herz gefriert.

Dass Herr Pantha Du Prince, der den Abend beschließt, aktuell die schlicht am besten gleichermaßen in Körper wie Seele und Gemüt fließende elektronische Tanzmusik der Gegenwart produziert, darf nach Welttourneen zwischen Mega-Club und Kunstraum-Beschallung als mittlerweile bekannt vorausgesetzt werden. Wer Pantha Du Prince in den letzten Jahren des Öfteren erleben hat dürfen, wird bemerken, dass dieser besonders geschmackvolle Herr immer lockerer und geschmeidiger wird in seinen Performances und sich auch nicht scheut, mal richtig gut abzuraven. Er tut dies aber freilich mit Stil, Perlmut und in Brokat gehüllt. Es fließen Tränen.

pantha du prince

Philipp L'heritier

wolfram

Philipp L'heritier

Wolfram bekommt Kurzbesuch von Shit Robot
shit robot

Philipp L'heritier

Shit Robot
shit robot

Philipp L'heritier

Der Samstag ist von eher neonfarbener Tanzmusik geprägt: Nach einem Live-Auftritt des allseits bekannten Wolfram samt Mikrofon, demonstriert Shit Robot mit einer im Wortsinne aufsehenerregenden Performance, wie denn elektronische Musik "live" interessant aufbereitet werden kann. Die nicht gar so überraschende Antwort: über die Visuals. Shit Robot selbst bezeichnet seine Art der Performance als "crappy take on the Daft Punk Pyramid", was tatsächlich eine bescheidene Untertreibung darstellt.

Der DFA-Mann Shit Robot werkt hinter einer riesigen Leinwand, in deren Mitte ein rechteckiges Guckloch geschnitten worden ist. Der Screen wird mit farbenfrohen Visuals bespielt, mit rotierenden Quadern, Discolichtern, mit Trips nach Outta Space und den überdimensionierten Gesichtern von Gastsängerinnen und - sängern. Selten sah man den herrlichen Mittelweg zwischen Oldschool House und Dance-Pop schöner bebildert.

Jeans Team

Philipp L'heritier

Jeans Team
jeans team

Philipp L'heritier

Dem Jeans Team kann nach seiner Darbietung im Spannungsfeld aus NDW-Dada, Bierzelt-Witz, Punk-Attitude und Studio-Braun-Haftigkeit im Euro-Disco-Beat die - Achtung, ehrlich - Genialität kaum mehr abgesprochen werden. Franz Schütte ist eher distinguierter Conferencier im Sinnes eines Rocko Schamoni, Reimo-Herfort-Ausdruckstänzer und herumfliegender Derwisch nach dem Model Gabi Delgado von DAF. Die Texte gehen so: "Pick, pick mein Körnchen" und "Du musst dich abschießen, nur so wirst du ein Stern", die Bühnenansagen so: "Das nächste Lied hat meine Mutter geschrieben. Ich weiß auch nicht, was sie sich dabei gedacht hat." Zum Glück weiß man das beim Jeans Team auch nie so genau. Gegen Ende gibt's noch die neue "Single" "Bomberjäckchen", die vermutlich gegen jede Vernunft und gegen jedes Wissen, wie denn eine "Single" in etwa funktionieren können sollte, geschrieben worden ist, und eine Lobeshymne auf das titelgebende, mitunter zweifelhafte Kleidungsstück mit einer schlager- und volksmusikhaftigen Schunkelei koppelt. Das geht nie auf, das Stück.

Das "Ahoi! Pop!" ist jetzt schon ein sehr gutes Festival; ein Festival, betrieben von sympathischen Menschen in zurückgelehnter Atmosphäre und kenntnisreich programmiert. Möglicherweise wird man sich für das nächste Jahr eine Verdichtung des Programms auf bloß drei, dafür aber besser miteinander gekoppelte Tage und die stärkere Herausarbeitung eines echten Festival-Charakters überlegen wollen.

jeans team

Philipp L'heritier

jeans team

Philipp L'heritier