Erstellt am: 4. 11. 2011 - 13:06 Uhr
Leergefegt
Am 1. November ist die Novelle des Wiener Prostitutionsgesetzes in Kraft getreten. Seit diesem Datum ist die Straßenprostitution in Wohngebieten verboten, beim Übertreten dieses Verbots können nicht mehr nur die Sexarbeiterinnen, sondern auch die Freier bestraft werden. Weil in Wien ein Großteil der Fläche Wohngebiet ist, bleiben den Sexarbeiterinnen derzeit nur zwei Plätze, um auf der Straße zu arbeiten: im Prater und im Gewerbegebiet Auhof am Stadtrand. Zwar sollen im Stadtgebiet, vor allem am Gürtel, einzelne "Erlaubniszonen" eingerichtet werden, diese sind aber noch nicht festgelegt.
Frauenstadträtin Sandra Frauenberger hat das Gesetz drei Tage nach seinem Inkrafttreten als „gutes Gesetz“ verteidigt und gemeint, „es wirkt“, nämlich insofern, dass deutlich weniger Frauen auf der Straße stehen würden. Ich habe mich zwei Tage, nachdem das Gesetz in Kraft getreten ist, auf eine abendliche Fahrradtour begeben und mir die zwei größten Konfliktfelder, Felberstraße und Äußere Mariahilferstraße sowie die vorgeschlagenen Erlaubniszonen am Neubaugürtel und am Sechshausergürtel angesehen.

Irmi Wutscher
Felberstraße
Gegen den Strich
Das neue Prostitutionsgesetz in Wien will alle Seiten bedienen und erntet nur Kritik. Eine Diskussion am Beispiel des Straßenstrichs entlang der Felberstraße in Rudolfsheim-Fünfhaus.
Ich beginne in der berühmt-berüchtigten Felberstraße. Hier haben sich im vergangenen Jahr eine Bürgerinitiative und die Sexarbeiterinnen respektive ihre Vertretungsorganisationen medienwirksame Gefechte geliefert. Angeblich ist wegen diesen Auseinandersetzungen bzw. wegen der Bürgerinitiative die Novelle des Wiener Prostitutionsgesetzes mit dem Verbot der Straßenstrichs so strikt ausgefallen.

Irmi Wutscher
Ich kurve die ganze Felberstraße entlang und hier ist es wirklich wie leergefegt, keine einzige Sexarbeiterin ist zu sehen, nicht einmal in den paar Rotlichtbars, sofern einsichtig, sieht man Frauen. In den Nebenstraßen warten keine fetten BMWs und beobachten die Straße, wie es mir erzählt wurde. Aber auch keine Polizisten, die hier ununterbrochen Streife schieben, kommen mir unter.
Die wenigen PassantInnen in der Felberstraße wollen mir keine Auskunft geben. Sobald sie das Wort Straßenstrich hören, winken sie ab. Offensichtlich ist das Thema hier noch zu heiß oder die AnrainerInnen hier wurden zu oft vor ein Mikrofon oder eine Kamera gezerrt. Nur einer murmelt ins Mikrofon, dass er froh ist, dass „die“ da jetzt weg sind und dass Frauen jetzt nicht mehr angesprochen werden.
Neubaugürtel
Ums Eck von der Felberstraße, am Neubaugürtel 30-38 ist eine Erlaubniszone vorgeschlagen worden. Mir ist nicht ganz klar, wo das dann sein soll, weil dort sind eigentlich lauter Hotels.
Noch sind die Erlaubniszonen ohnehin nicht legal, darüber muss nämlich noch abgestimmt werden und wahrscheinlich werden sie nicht vor Anfang nächsten Jahres verordnet werden. Der Bezirksvorsteher des 7. Bezirks, Thomas Blimlinger, ist jedenfalls nicht begeistert von dem Vorschlag, einerseits wegen des Hotels, andererseits weil genau in dem fraglichen Abschnitt des Gürtels ein Mädchenspielplatz geplant ist.

Irmi Wutscher
Auch ein paar Jugendliche, die dort gerade unterwegs sind, sind von der Idee der Erlaubniszone nicht überzeugt: „Ich finde das nicht gut, hier sind schon viele Jugendliche unterwegs“, meint ein Mädchen. Und ein Bursche sagt: „Das ist ja noch hiniger als in der Felberstraße da, das werden total viele sein und die gehen den Leuten hier ja noch viel mehr auf die Nerven als dort.“
Äußere Mariahilferstraße
Als nächstes fahre ich in die Äußere Mariahilferstraße. Ich hab hier einmal vor Jahren gewohnt und ist man als Frau abends hier entlanggegangen, ist jedes Auto langsamer geworden. Diesmal ist das nicht so. „Ich weiß nicht, ob hier wirklich alle weg sind“, meint ein Passant. „Ich weiß, dass gestern noch ein paar da waren.“
Am ersten Tag des Inkraftretens der Gesetzesnovelle hat die Polizei hier hart durchgegriffen: Insgesamt, gemeinsam mit der Felberstraße, gab es an diesem ersten Abend 40 Anzeigen und fünf Frauen wurde sogar festgenommen. Auch ich begegne gleich zwei Polizisten auf Fußgängerstreife, die mir aber nichts sagen dürfen.
Eine Passantin, die auch hier wohnt, meint: „Heute ist niemand da, ich glaube aber, dass jeder gerade sehr sensibel ist und sich im Hintergrund hält. In ein paar Wochen werden die Mädchen wieder da stehen, aber sich halt unauffälliger verhalten.“

Irmi Wutscher
Sechshausergürtel
Auch an einem kleinen Streifen des Sechshausergürtels, Nummer 1-11, soll eine Erlaubniszone eingerichtet werden, wo Sexarbeiterinnen auf der Straße „anbahnen“ können. Bis zu 15 Sexarbeiterinnen hätten hier Platz, hieß es im Vorfeld vom Bezirksvorsteher des 15. Bezirks, der froh ist die Sexarbeiterinnen in seinem Bezirk aus dem Wohngebiet draußen zu haben. Das ist recht wenig gegenüber der Anzahl Frauen, die man zuvor in der Äußeren Mariahilfer oder in der Felberstraße vorgefunden hat. Das heißt wohl, der große Rest muss sich andere Plätze suchen, weiter draußen.
Sexarbeiterinnen hatten an den kleinen Erlaubniszonen im Vorhinein außerdem kritisiert, dass zu viele Frauen auf einem Platz mehr Konkurrenzkampf und damit ein Preisdumping auslösen. Also auch nicht ein Anreiz, sich als Sexarbeiterin da hinzustellen.

APA/EMANUEL MAUTHE
Jetzt ist auf der Sechshauserstraße jedenfalls nichts los. „Hier ist kein Straßenstrich, nur lauter Puffs, der Straßenstrich ist auf der Mariahilferstraße“, belehrt mich ein Anrainer. Als ich ihm erkläre, dass der jetzt verboten ist und hier herwandern soll, fragt er: „Was soll das lösen?“
Das ist auch die Frage, die viele andere Menschen auf der Straße gestellt haben. Niemand glaubt, dass die Sexarbeiterinnen, nur weil sie gerade nicht zu sehen sind, auch verschwunden sind. „Ich weiß nicht, wo die jetzt sind“, meint eine Passantin „angeblich irgendwo am Stadtrand, was ich für gefährlich halte.“ Auch die Jugendlichen am Neubaugürtel sind überzeugt: „Die werden halt nur von einer Ecke auf die nächste verschoben. Weniger werden die deswegen noch lange nicht!“ Und ein Mann meint überhaupt: "Jetzt verbietet man das da und erlaubt es hier, in ein paar Jahren verbietet man das dann wieder... Das ist sowieso nur Beschäftigungspolitik. Einer spricht Verbote aus, ein anderer muss überprüfen, ob sie eingehalten werden. Es ist ein ewiger Kreislauf, finde ich."