Erstellt am: 2. 11. 2011 - 08:00 Uhr
Unterschreiben gehen?
Das Volksbegehren Bildungsinitiative wird seit über einem Jahr vorbereitet und jetzt geht es los: Zwischen 3. und 10. November läuft die Eintragswoche und wenn dann mehr als 100.000 Unterschriften zusammengekommen sind, muss sich der Nationalrat mit den zwölf Forderungen des Volksbegehrens befassen.
Das Volksbegehren unterschreiben können alle Wahlberechtigten - das sind alle österreichischen StaatsbürgerInnen, die bis 10. November mindestens 16 Jahre alt sind.
Hier hakt die Sache natürlich, denn die Forderungen sind - auch völlig von parteipolitischen Ideologien losgelöst - geradezu revolutionär. Ihre Umsetzung wäre kein bloßes Reformieren einzelner Teilbereiche, kein Herumgedoktore an diesem Fleckerlteppich aus Klientelpfründen, kein lauer Kompromiss zweier Weltanschauungen. Sie würde ein neues Bildungssystem bringen. Alles soll anders werden:
- Das Parteibuchsystem nach Ländermachtverteilung soll aufgelöst werden. Schulen sollen eigenverantwortlich handeln können und vom Bildungsministerium nur mehr auf Einhaltung von Qualitätsstandards kontrolliert werden.
- Alle PädagogInnen - vom Kindergärtner bis zur HTL-Professorin - sollen eine universitäre Ausbildung erhalten, beim Bund angestellt sein und gleich viel verdienen.
- Die Gesamtschule soll kommen, auch wenn sie nicht so genannt wird. Alle Kinder sollen erst nach Ende der Schulpflicht entscheiden, wohin sie sich bewegen wollen.
- Die Möglichkeit eines Hochschulstudiums für möglichst viele Menschen. Die 2% des BIP für die Hochschulen, zu denen sich Regierungen seit langem "bekennen", sollen Realität werden. Das wären etwa 2 Milliarden mehr. Wir reden von Euro. Pro Jahr.
Die Unterschrift kann am Gemeinde- bzw. Bezirksamt des Hauptwohnsitzes geleistet werden.
Praktisch nebenher laufen vergleichsweise realistische Forderungen nach flächendeckender Kinderbetreuung und Ganztagsschulen; nach "individuellem und vielfältigem Unterricht"; dem Wegfall gläserner Decken im Bildungsaufstieg; ein Kurssystem, in dem es kein Sitzenbleiben mehr gibt; gleiche Bildungschancen für MigrantInnen; lebenslanges Lernen, etc.
APA/ROLAND SCHLAGER
Einigen Punkten kann auch die Gegenbewegung Bildungsplattform Leistung & Vielfalt zustimmen, die sich als traditionalistisch-konservative Alternative mit den Schlagworten wie Leistung, Disziplin und Entscheidungsgewalt der Eltern abheben will. Dort sieht man als große Gefahr zwischen einigen sinnvollen Forderungen die Gesamtschule. Letztlich geht es also darum, ob alle Kinder bis nach der neunten Schulstufe die selbe Bildung erhalten und dabei "individuell gefördert" werden. Oder ob die verschiedenen Schultypen eine Berechtigung haben. Und genau hier sind wir mitten in einer ideologischen Diskussion, die die SPÖ-ÖVP-Koalition in Bildungsfragen entzweit und zu dem bildungspolitischen Dahinschlendern geführt hat, das Österreich nicht nur bei Erscheinen von Bildungsstudien vor Augen geführt wird.
Vorzeigen muss man dort einen Personalausweis, Führerschein oder Pass.
Wer dem Forderungskatalog in ihren teilweise sehr klaren, teilweise aber ziemlich schwammigen Ausformulierungen zustimmen kann, wird unterschreiben gehen. Auch wenn der Nationalrat einfach nur drüber reden wird und zunächst wohl kein einziger dieser Punkte umgesetzt wird. Einfach weil sich in dieser erzwungenen parlamentarischen Beschäftigung mit dem Thema jede Menge Potential liegt, gerade Bildung immer mehr Einfluss auf die Wahlentscheidung hat und der Druck der allgemeinen Unzufriedenheit damit an keiner Regierung vorbeigehen darf.