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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

1. 11. 2011 - 12:35

Trashpartys und Underground

Diesen Freitag bittet FM4 Unlimited zur großen Nacht der österreichischen Clubkultur. Vorab informiert die Grazer Abordnung disko404 über das lokale Geschehen.

Unlimited Flyer

Radio FM4

FM4 Unlimited. Eine Nacht der österreichischen Clubkultur im Wiener Rathaus.

Freitag, 4. November 2011, Einlass ab 22.00 Uhr

Tickets gibt's bei wienXtra - Jugendinfo, in jeder Erste Filiale mit Spark7-Ermässigung und über Ö-Ticket oder unter +43/1/96096.

Wenn die FM4 Unlimited-Meister Functionist und Beware kommenden Freitag auf das große Parkett ins Wiener Rathaus bitten, wird der Status Quo der heimischen Clubkultur verhandelt. Lautstark, versteht sich. Sehr schön, findet die Grazer Delegation von disko404. Ihres Zeichens Freunde des unlimitierten und aktuell bass-lastigen Tanzvergnügens, haben feelipa, zvonko und B.L.O. auch ein Auge darauf, was sich auf den restlichen Dancefloors in Graz tut und tummelt.

Müssen draußen bleiben

Die kalte Jahreszeit hat so ihre Vorteile. Alle kommen wieder zusammen. Im Parkhouse allerdings ab heute auf vorläufig unbestimmte Zeit nicht mehr. Denn: Das Parkhouse wird generalsaniert! Es bröckelt, wie es ein grummeliger Keller drastisch formuliert. Die zweitkleinste Tanzfläche nach der Kombüse könnte jedoch an Raum gewinnen: "Das Parkhouse wird innen umgebaut und zu einer Location für 150 Leute. Vielleicht wird es die Alternative zur Alternative", sagt Roland Oreski alias DJ zvonko. Eichhörnchen könnten schon vorsorglich den Schlafbaum wechseln. Auf Hundeohren wird das Parkhouse weiterhin als einziges Lokal in Graz tatsächlich Rücksicht nehmen.

Eingangstür zum Parkhouse mit einem Schild, das Hunde nach 19 Uhr im Lokal verbietet. Auch im Interesse der Hunde.

Radio FM4 | Maria Motter

There's no limit to our love

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Clubmusik mache nur ab einer gewissen Lautstärke Sinn, sind sich feelipa, zvonko und B.L.O. einig. Zumal sich die Clubmusik in den letzten Jahren mit Dubstep in eine Richtung entwickelt hat, die auch gespürt werden will. Mehr und mehr Sub-Bässe dominieren. Minimum: 95 Dezibel.

Beschreibungen langweilen Filipa Cicin-Sain alias feelipa. Kaum eine Genrebezeichnung würde ihre Musikwahl auf den Punkt bringen, denn die Genres sind ineinander gewachsen. Gefragt, was feelipa auflegt, nennt sie am Liebsten noch UK Bass Music, "mehr oder weniger". Musik zwischen 120 bis 140 bpm. Hauptsache: Bass, Bass, Bass. Filipa lacht. Musik ist für disko404 nicht Hobby und nicht Profession, sondern Passion.

DJ B.L.O. an den Turntables

disko404

Legt B.L.O. nicht auf, dann tanzt er. Exzessiv. Bis zum Bänderriss in jedem Knie.

Bass und Spaß

HipHop hat weiterhin seine Plätze in Graz. Dorian Pearce lädt mit Four Elements auch zu eigenen Filmabenden: Einmal im Monat im Café Nil. Ein Hallo auch zur afrikanischen "Community". Nächster Termin: 3. November.

Als sie vor vier Jahren nach Graz kam, hatte die gebürtige Kroatin Filipa Cicin-Sain das Bild von der Stadt als House- und Techno-Hochburg. Eine starke HipHop-Szene nicht zu vergessen. Die jungen Männer von disko404 hatten Drum'n'Bass damals bereits hinter sich gelassen. Cicin-Sain schloss sich ihnen an. Kommerzieller Erfolg stand und steht bei disko404 nicht an erster Stelle. "Wir haben uns damit immer alles offen gehalten und uns nie stempeln lassen, à la 'eine Drum'n'Bass-Crew'", sagt Roland Oreski alias zvonko.

Kommerzieller, weil professionalisiert, agieren indes andere. Das P.P.C. in der Neubaugasse und die Postgarage sind Veranstaltungsorte mit Partyschienen. Von progressiveren und musikalisch anspruchsvolleren Abenden hat die im Kulturhauptstadtjahr 2003 eröffnete Postgarage eher Abstand genommen. Dass FM4 Unlimited in der Postgarage regelmäßig Auswärtsspiele gibt, ist da eine äußerst willkommene Unterbrechung. Auch "Mittwochs Exakt" mit Live-Auftritten bei einladenden Eintrittspreisen bildet eine schöne Insel im Partyprogramm.

Trash-Partys feiern fröhliche Urstände. "Worst of the Ninties" oder "Best of the 80ies", "Brasil Night Electro" oder Remmidemmi. Die großen und beliebten Locations der Stadt setzen auf Motto-Partys und kaum auf programmatisch Interessantes. "Das hat in Graz Spuren hinterlasssen", stellt Roland Oreski fest, "Ob die gut sind, muss man sich jeder selber überlegen." Im Kottulinksy, das im Univiertel aufgesperrt hat, geben sich indes auch Mr.Dero und seine DJ-Kollegen von tiefparterre ab und an ein Stelldichein.

Wohin zieht es disko404 als Alternative? Das Kulturkompetenzzentrum Niesenbergergasse gilt einem losen Stammpublikum seit zwei Jahren als der Club in Graz. Von disko404, die ich durchaus als Residents im einzigen Underground-Club der Stadt bezeichnen würde, liebevoll "Niese" genannt. In der "Niese" kennt man kein Limit, das DJs vertreiben könnte oder BesucherInnen plötzlich in grellem Licht erstrahlt, wenn es an die Sperrstunde geht.

Hey kleines Schlagerravemädchen

Den ungebrochenen Auflegerekord halten "Melodien für Millionen". Roland Oreski war bei der Party. Ging nach Hause, hat geschlafen, Dinge getan. Und bemerkt, dass er etwas in seinem Büro in der Niesenbergergasse vergessen hatte. Dort schallte es noch fröhliche Melodien im Keller.

Die "Niese" darf das, sie ist als Vereinslokal organisiert. Der Mitgliedsausweis ist kein lustiges Gimmick. Selbst, wenn man einen hat, doch der zuhause liegt statt im Geldbörserl steckt, muss man einen DinA4-Bogen mit Personalien füllen. Erst dann wird Eintritt gewährt.

Ein Faible für dezent ausgedrückt heruntergekommene Orte darf man den GrazerInnen unterstellen. NonStop Kino und Chat Noir sind Geschichte. Inzwischen will man es wieder chicer. Der Club "Lila Eule" in der ehemaligen Thalia-Bar setzt auf das alte, vertraute Ambiente.

Doch nach zwei Jahren hat auch die Alternative Kratzer im Image abbekommen. Und das, obwohl konstant gegen den Charme des Abgefudgten gearbeitet wird und die Räumlichkeiten über den Sommer erneut verbessert wurden. Die Klangqualität im Keller schätzen die DJs von disko404 nun mehr denn je. "Die Niese ist nach wie vor einer der wichtigsten Orte für elektronische Musik. Es geht nicht nur um Abfeiern, sondern darum, dass man sich dort als DJ persönlich weiterentwickeln kann", sagt Roland Orski. Für viele junge DJs ist der Club Niesenberger heute so wichtig wie Anfang 2000 das Sub für Oreski aka zvonko.

Vom Sub hatte Roland Oreski kürzlich einen handkopierten Flyer in der Hand. Schwarz-weiß und passend zu den angekündigten Death Metal-Konzerten. Die Metalszene in Graz war eine andere, große Geschichte. Vielleicht ist sie wieder im Kommen?

Filipa Cicin-Sain aka DJ feelipa

Filipa Cicin-Sain

feelipa bei ihrer Passion.

Wer immer mehr wird, das sind weibliche DJs und Produzentinnen. Ina D. Clara Moto. Mimu. Und Aiko Aiko, "großartig": Filipa preist die Grazer Produzentinnen und Musikerinnen geradezu. Dass sie selbst dennoch meist in männlicher Gesellschaft auftritt, findet sie nicht verwunderlich. "Das ist klar, die ganze Gesellschaft funktioniert noch so. Ich freue mich, wenn es mehr und mehr weibliche DJs gibt und es werden zunehmend mehr."

Am Flyer für den 5. November mit Mickey Pearce, die Nacht nach der Über-Super-Sause mit FM4 Unlimited in Wien, steht dennoch eine einzige Frau.