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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

29. 10. 2011 - 19:00

Die FM4 Charts vom 29. Oktober

Occupy Occupy

Schon seit knapp zwei Wochen findet innerhalb der (heimischen) Occupy Bewegung eine Art Prozess statt, dessen Ausgang mehrere Möglichkeiten offen lässt. Die Rede ist vom Umstand, dass, wer nach allen Seiten offen ist, nicht ganz dicht sein kann. Oder möchte.

Wo liegt das Problem?
Nun, bleiben wir zuerst mal im deutschsprachigen Raum, wenngleich auch die US-amerikanischen Wurzeln der Bewegung in Verruf kamen, sich nicht eindeutig genug vom Antisemitismus abzugrenzen.

In Österreich gibt es, wie auch in Teilen Deutschlands, eine ziemlich lautstarke Gruppe, die aktuell den Eindruck macht, die Agenda von Occupy ein bisschen zu sehr zu vereinnahmen, die Rede ist vom Zeitgeist Movement.

Was ist und was will Zeitgeist?
Zunächst mal etwas sehr Lauteres: Nämlich eine gerechtere und bessere Welt für alle. Aufbauend auf einen Film von Peter Joseph (von dem es mittlerweile drei Teile gibt) und verwoben mit den Vorstellungen des "Venus Project" von einer utopisch-technologischen Welt, die keine Knappheit mehr kennt. Nachdem der erste Zeitgeist Film durchaus mit Vorwürfen der klassischen Verschwörungstheorie zu kämpfen hatte, fokussiert vor allem Teil 3 recht elegant auf jene Probleme, die den aktuellen Zustand des Spätkapitalismus wackeln lassen. Kurz zusammengefasst: In einer Ressourcen-basierten Wirtschaft (RBE) würde das Problem der Knappheit beseitigt, indem das Geld beseitigt wird, und aufbauend auf der Erhebung der einzelnen Bedürfnisse wird die Produktion mittels Technologie, Kooperation und Substitution so gelenkt, dass das Paradies auf Erden ausbricht.

So nett, so meiner Meinung nach naiv: Denn trotz diverser richtiger Schlüsse in der Analyse (etwa das Menschenbild, das statt Konkurrenz künftig die Kooperation betonen soll, oder auch die Probleme, die der Geldverkehr seit John Locke in die Marktwirtschaft bringt), ist die Ableitung keine gangbare: So ist etwa im wissenschaftlichen Konzept zur RBE zu lesen, dass "unnötiger Luxus" künftig vermieden werden soll – was unweigerlich zu demokratischen Problemen führen muss, denn wer definiert "unnötigen Luxus"?

Und hier wird es mit dem Zeitgeist leider mühsam. Denn so engagiert und unermüdlich viele Mitglieder, etwa des Wiener "Chapters", auch arbeiten – so schwierig ist die Kommunikation nach außen. Soll heißen, Kritik wie die eben formulierte wird zumeist pauschal und erzürnt vom Tisch gewischt – so etwas wie Selbsthinterfragung findet, zumindest nach außen, nicht statt. So hat auch der Vorwurf, eine sehr männlich-technokratisch orientierte "Sekte" zu sein, die Mitglieder einst so empört, dass fortan fast alle Medien unter Generalverdacht standen. Etwas, das sich übrigens bis heute gehalten hat.

Als ein TAZ-Redakteur vor einigen Tagen die Occupy-Proteste in Frankfurt beobachtete, fielen ihm die vermehrten Überschneidungen mit dem Zeitgeist Movement auf, die irgendwann auch gar nicht mehr aufzulösen sind. Von jenen, die vor der EZB campieren, sind rund 25% ZM-Mitglieder – und geben den Ton an.

Ähnliches gilt für Österreich, wo jener TAZ-Artikel mit Häme aufgenommen wurde. In naivster "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns"-Manier wurde das alte Lied der bösen Systempresse gesungen und etwa anderen Aktivisten, die auf der Occupy-Facebook-Seite gegenüber Zeitgeist Kritisches posten, ziemlich übers Maul gefahren.

Nun wäre es vermutlich falsch, all die ZM-Aktivisten, die im besten Glauben für eine bessere Welt kämpfen, einem antisemitischen Generalverdacht zu unterziehen, was allerdings auffällt, ist die Nähe zur fatalistischen Verschwörung – die übrigens auch andere - auf Occupy Austria aktive - Gruppen betrifft, von den zahlreichen FPÖ-nahen Anti-EU-Gruppen, über die Väter-Bewegung bis hin zu obskuren Maya-Kalender-Jüngern oder gar Menschen, die meinen, Gaddafi war unschuldig. Da sind dann leider manchmal auch die Rothschilds als Sündenböcke nicht weit.

Ein zentraler Punkt, der viele dieser Empörten vereint, ist der Glaube, von einer personalisierten Elite bewusst betrogen worden zu sein. Angefangen beim Geldsystem, das ausgedacht wurde, um sich an den 99% zu bereichern, über die Parteipolitik (die zum bloßen Marionettentheater der Weltverschwörung wurde) bis zu den Medien – die als Massenvernichtungswaffe der Elite nur mehr die Aufgabe haben, die Menschen ruhig zu halten, abzulenken und zu belügen.

Dass es in so einem Klima schwierig ist, konstruktiv auf die aktuell herrschende Klasse zuzugehen (oder sich etwa über Parteien selbst zu engagieren) ist klar, denn alle klassischen Strukturen, von den Grünen über FM4 bis zu den Tageszeitungen werden abgelehnt.

Dafür vertraut man lieber Quellen wie dem einschlägig bekannten Kopp-Verlag (der einst mit 9/11-Verschwörungstheorien glänzte und bei Eso-watch ganz oben auf der Liste steht) – und gibt die so zusammengetragenen Inhalte unhinterfragt über soziale Netzwerke weiter, bis ein Schneeballeffekt entsteht und Mythen zu Fakten werden.

Und hier lauert eine von vielen Fallen (eine andere wäre etwa das explizite Herumreiten auf dem Finanzkapitalismus und dem Geldsystem, denn auch wenn das legitim ist, greift es wohl zu kurz, dazu aber mehr nächsten Samstag).

Darüber, dass im Status Quo dessen, was wir Spätkapitalismus nennen, vieles aus dem Ruder läuft, müssen Menschen mit allen Tassen im Schrank wohl nicht mehr streiten – über die Wege zur Besserung aber schon. Und da halte ich es für einen Fehler, alle etablierten Strukturen verdächtig zu finden – so verpasst man nämlich was.

Etwa die Sendung ARD-Monitor, die letzten Donnerstag (bevor der streitbare Wiener Wirtschaftsprofessor Franz Hörmann bei Beckmann mit Waigel und Rösler streiten durfte, unter der Schützenhilfe von Dirk "Reset" Müller) ziemlich klipp und klar erläuterte, warum unsere Milliarden für Griechenland eigentlich Konkursverschleppung waren. Denn schon damals war klar, dass ein Schuldenschnitt kommen muss – im verstrichenen Jahr konnte das Risiko allerdings größtenteils von den Privaten auf den Steuerzahler abgewälzt werden. Wer daran denkt, dass auch unsere geschätzte Finanzministerin glaubte, alles auf den letzten Cent zurück fordern zu können, mag sich natürlich fragen, was sie damals wusste. Und dass in einem solchen Klima Verschwörungstheorien wie die Schwammerl sprießen, ist irgendwo auch allzu logisch. Darf man also skeptisch sein, wenn Regierungen demnächst wieder das Wort "alternativlos" in den Mund nehmen? Bestimmt.
Soll man deshalb in Fundamentalopposition zu allen etablierten Kräften gehen und glauben die Mondlandung war ein Fake? Nicht, wenn man tatsächlich etwas verbessern will und Angst vor starken Männern hat.

Außerdem würde man dann so herrlich-kritische Sendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk versäumen...

Noch ein kurzer Blick auf die aktuellen FM4 Charts

Da bleibt diese Woche viel beim Alten, nur die Plätze 2 und 3 rochieren. Somit landen die Givers heute mit "Up, Up, Up" auf dem dritten Platz. Platz 2 geht stattdessen an die Crystal Fighters mit "Champion Sound". Und die neue, alte Nummer 1 von FM4 heißt "Audio, Video, Disco" und kommt von Justice.


Noch ein feines, verschwörungsfreies Wochenende Euch allen!