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Katharina Seidler

Raschelnde Buchseiten und ratternde Beats, von Glitzerkugeln und Laserlichtern: Geschichten aus der Discommunity.

26. 10. 2011 - 15:26

Sounddesign nach Geheimrezept

Zanshin betreibt Sounddesign zwischen experimenteller Electronica und Broken Beats. Ein Album wie eine bewusstseinserweiternde Vulkanwanderung.

Dorian Concept, The Clonius, Cid Rim und ihre gemeinsame Band JSBL, Sixtus Preiss und Ogris Debris - es ist schon fast erschreckend, mit welcher Regelmäßigkeit die Feinspitze von Affine Records Zauberzuckerl aus dem Hut ziehen.

Die offizielle Releaseparty des Zanshin-Albums findet am Fr., 28.10.2011 im Morisson Club in Wien statt! Powered by Jack by The Gap.

Hip Hop und Funk, Electronica und Broken Beat, als Anwärter auf den elektronischen "Sound of Vienna" des 21. Jahrhunderts steht das Kollektiv rund um das Wiener Label schon längst ganz oben auf der Favoriten-Liste. Das erste full-length Künstleralbum aus dem Affine-Stall schlägt musikalisch allerdings eine etwas andere Richtung ein und wagt sich unerschrocken auch in raue, karstigere Klanglandschaften vor.

Zanshin

Andreas Waldschütz

Zanshin

Andreas Waldschütz

Gregor Ladenhauf alias Zanshin muss man nur insofern vorstellen, als er einer breiteren Öffentlichkeit als eine Hälfte des Duos Ogris Debris bekannt ist. Ogris Debris, das ist unter anderem die geniale Idee, aus den Konsonanten eines Wortes einen Beat zu basteln. Tzktz, tzktz, was ergibt das zusammen? Der Track war so ein Erfolg, dass es auf Youtube mittlerweile doch tatsächlich Tanz- und Katzenvideos von fremden Leuten gibt, die damit unterlegt sind. Ogris Debris sind auch luftiger House-Pop, sind Soul, Virtuosität und Musikauskennertum und stehen außerdem für eine mitreißende Liveshow. Man darf sich über meine Euphorie nicht wundern, ich hab ja gesagt, dass aus der Affine-Ecke in Wien praktisch nur Gutes kommt.

Mit der luftdurchlässigen Verspieltheit von Ogris Debris hat die Klangwelt von Zanshin allerdings nur noch wenig zu tun. Weißes Rauschen und komplex geschichtete Field Recordings stürzen sich in spiralenförmige Klang-Krater und Schluchten aus gebrochenen Beats. Rest-Spuren von Funk, ein Dubstep-Kratzen an der Tür, leichte Kost schmeckt anders.

Bewusstseinserweiternde Reisen durch fancybertastische Bild- und Klangwelten - die britischen Sound-Herausforderer Autechre werden zu Recht als Zanshin-Referenz genannt.

Der noisig-experimentelle Zugang, den Zanshin für sein Soloprojekt wählt, überrascht beim näheren Betrachten seiner Biographie nicht mehr. Sein Multimedia Art Studium hat er in algorithmischer Komposition abgeschlossen, und zusammen mit Leonhard Lass ist er Teil des audiovisuellen Performance-Projekts depart. Gemeinsam haben sie ein Programm entwickelt, das Visuals automatisch zu Musik und anderen Soundimpulsen reagieren lässt. Ich habe Gregor Ladenhauf schon am Flügel sitzen sehen, dadaistische Gedichte in halb-fremden Zungen rezitierend, und zu seinen Worten tanzten kleine Dreiecke automatisch durch einen dreidimensionalen Wald. Anschauen!

Cover von "Rain are in clouds"

depart / Affine Records

"Rain are in clouds" von Zanshin erscheint am 28.10.2011 bei Affine Records. Durchskippen kann man hier.

Die einzelnen Klangbausteine sind in den Nummern von Zanshin überaus sorgsam gesetzt, die Kopflastigkeit der Arrangements nicht zu überhören. Sounddesign nach Geheimrezept. "Shadoubt Shaps", "Haemlin Hoop", auch die Benennung der einzelnen Tracks folgt auf dem Planeten Zanshin ihren eigenen, konzeptuellen Regeln. Doch irgendwann schälen sich auch aus den Untiefen von "Carapax Cap" versöhnliche Harmonien hervor, heraus aus dem Wurmloch zwischen den Realitäten Hip Hop, Dubstep, Field Recordings und maschinellem Gebrutzel.

Mutig muss man sein und konzentriert, um sich auf das kompromisslose Zanshin-Abenteuer vollends einzulassen, aber wer sich traut und fallen lässt, wird am Ende mit einem erweitertem Hör-Horizont belohnt.