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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

25. 10. 2011 - 16:04

Elevate Festival 2011

Konkrete Handlungsanweisungen wären zu schön. Doch es gibt herausragende Ideen. Ein Best Of.

Marlene Streeruwitz liest

LUPI SPUMA

Zu allererst war da Marlene Streeruwitz. Am Eröffnungsabend des Elevate Festival 2011 im Grazer Dom im Berg setzte die Autorin kluge, knappe Analysen zum Zustand der Gegenwart, begleitet und pointiert von Musik von Bernhard Fleischmann und Christof Kurzmann. Zu gerne hätte ich einen kühlen Kopf für Streeruwitz' Performance gehabt - allein: Das Programm des Elevate steckt bereits am ersten Abend voller Möglichkeiten.

Dabei: Es ist doch der Überblick, der angestrebt werden will! Einhundert Seiten umfasst das Programm des Festivals für Musik und politischen Diskurs. Die Kunst im Untertitel zog sich mit einem Festival im Festival ins Kulturzentrum bei den Minoriten zurück: "hoergeREDE" präsentierte Sprachkunst und Geräusch. Progressiv gibt sich das Elevate seit seinem Debüt 2005. Dieses Mal wurde in Graz die Zukunft verhandelt. Motto: "Elevate the 21st century".

Das Elevate Festival stellte sich und seinen BesucherInnen die Frage: Wie wollen und werden wir in diesem Jahrhundert leben?

  • Heute, Dienstag, in der Homebase ab 19 Uhr zu hören: ein Best Of Elevate 2011.

Vor den großen Themen wie Klimawandel, Ressourcenverteilungen, technologischen Entwicklungen und Machtverhältnissen ist das Elevate noch nie zurückgeschreckt. Dieses Jahr allerdings waren konkrete Prognosen gefragt. Darum hier an dieser Stelle ein Best-of an Visionen und Ideen, die sich aufzugreifen oder zu verfolgen lohnen.

"If your job is not making the world a better place, then why are you here?"

Buchcover von "An Optimist's Tour of the Future" mit geschwungenem Schriftzug

Profile Books

Mark Stevenson hat nicht nur ein lässiges Buch geschrieben, das einen klüger macht und mit einem Cover-Schriftzug wie Sufjan Stevens' "The Avalanche"-Album auch optisch reizt. Der smarte Brite ist der Meinung, dass uns nur die Summe der einzelnen Teile aus der Misere retten wird. Was wir dazu dringend bräuchten, wäre ein pragmatischer Optimismus.

"The future is an unknown territory - and there isn't a guidebook", schreibt Mark Stevenson in seinem Buch "An Optimist's Tour of the Future". Unbestritten hat er Recht. Doch trotzdem wünsche ich mir Handlungsanweisungen, und kann den ausweichenden Hinweis nicht mehr ernst nehmen, Veränderung solle nicht von oben herab verordnet, sondern von jeder und jedem Einzelnen aus passieren. Diese Antwort habe ich nicht nur einmal von Experten gehört, die in Podiumsdiskussionen saßen. Stevenson ist da eine der erfreulichen Ausnahmen: Rationalismus - hurra! Pragmatismus - jawohl! Angefangen vom Bildungsystem, das Fehler stigmatisiere und Kreativität unterdrücke, bis zur Vision einer CO2-freien Tankstelle steht für Stevenson alles zur Diskussion. Dafür hat er die "League of Optimists" gegründet, die sich an Stammtischen austauscht.

Digital Habeas Corpus?

Kein anderes Unternehmen wird am Elevate so oft genannt wie Google. "Own your digital persona!" proklamieren Juan Manuel Biaiñ und Ina Vaduvescu. Der Filmemacher und die Sozialanthropologin sind der Meinung, dass keine Software und kein Tool unsere Privatsphäre ausreichend schützen werden wird. Darum gehen sie weiter, als es etwa der studierte Jurist James Vasile mit seinem Projekt "FreedomBox" tut: Juan Manuel Biaiñ und Ina Vaduvescu wollen ein universell eingeräumtes Recht auf die eigene digitale Person. An der Formulierung wird bereits gearbeitet. Da ein derartiges Unterfangen von möglichst Vielen getragen werden will, steht das Manifest zu Digital Habeas Corpus online: Zum Mitschreiben, Ergänzen und Kommentieren ist jede und jeder eingeladen.

In einem Bildschirm spiegelt sich eine Person, auf dem Bildschirm liest man allerlei Daten

Junco Films

Prosumieren

Muss man doch alles selbermachen? Schlecht wäre ein bisschen Handarbeit hier und da jedenfalls nicht. Der Sozialwissenschafter Bernd Röttger brachte den Begriff des "Prosumenten" mit zum Elevate Festival. Das Wort ist nicht neu, aber vielfach vergessen. Das will nicht heißen, dass wir uns diesen Herbst Strickwesten stricken - obwohl: warum nicht? In den Achtzigern trug ich ganze gestickte Bauernhöfe auf gestrickten Westen in die Volksschule.

Klassische Fertigkeiten werden zukünftig von Vorteil sein, sind sich einige Gäste am Elevate sicher. Der Filmemacher Dean Puckett empfiehlt: "Learn how to grow your own food!". Denn wenn die Supermarkt-Nahrungskette einmal unterbrochen wird, stünden wir tagelang vor leeren Regalen.

Holistisch betrachtet

Wirtschaftskrise und Ressourcenknappheit, die Lebensmittelindustrie und die industrielle Landwirtschaft, Aufrüstung und Terrorismus - eine Krise greift in die nächste. Anstatt hier eine Expertenrunde anzusetzen und da einen Gesprächskreis zu bilden, mischt das Elevate Festival die großen Podiumsrunden. Traditionell war Sonntagabend buchstäblich Show-Time: Das Festival streamt und microbloggt (noch mit einigen wenigen im Erstanlauf), während die deutsche "gegenstrom"-Aktivistin Mona Bricke erklärt: "Es muss immer wieder gesagt werden auch hier am Elevate: Das ist Teil des Ganzen. Diese Occupy Wallstreet-Bewegung, der Arabische Frühling - auch das hat alles damit zu tun, dass wir an den Grenzen des Wachstums angekommen sind."

Zu guter Letzt: Enthusiasmus, noch mal!

Entlang der "Straße der Enthusiasten" führt heute Dienstag der letzte Abend des Elevate 2011 in die Nacht: Nach einer Live-Übertragung der "Big Brother Awards" im Forum Stadtpark macht es sich die zweite liga für kunst und kultur "schön, warm und dekadent". Auf den Bühnen im Forum Stadtpark werden sich Fantastic Mr. Fox und Solar Bears Gute Nacht sagen (laut Timetabe ab 01.00 Uhr bzw. 03.00 Uhr!), Nite Jewel spielt (Schlag Mitternacht) ebenso live wie Lokalmatador Favela Gold.

Nite Jewel

Nite Jewel

Ein Schnappschuss, wie aus dem Grazer Stadtpark hinter dem Forum: Nite Jewel.

Weitere vielversprechende Erkenntnisse vom Elevate im Forum hier auf dieser Seite sind herzlich willkommen!