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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

22. 10. 2011 - 13:55

Knistern und diverse Bässe

Quasi wie immer: sehr gut programmiert. Das Elevate Festival mit RocketNumberNine, Planningtorock, Holy Other u.v.a.

Man muss sich dann doch immer wieder ein bisschen im besten Sinne wundern, wie das Elevate mitunter Acts ins Programm holt, die an der Vorderseite der Abteilung "Experimentell" die Sounds aus den Geräten holen und dem Dancefloor nur wenig bis gar nicht dienlich sind. Acts, die nicht vor zwei Jahren halbhot gewesen sind, sondern es erst jetzt gerade ein bisschen sind oder es morgen erst sein werden. "Hot" im Sinne von WIRE-Magazin.

Robin Fox

Philipp L'heritier

Robin Fox und sein grüner Laser
RocketNumberNine

Philipp L'heritier

RocketNumberNine
rocketnumbernine

Philipp L'heritier

rocketnumbernine

Philipp L'heritier

Am Eröffnungsabend gibt es da beispielsweise Robin Fox zu erleben. Bei dem Australier mit aufreibend wunderbaren Releases für das österreichische Label Editions Mego im Gepäck ist Lichtshow nicht schmückendes Beiwerk, sondern integraler Bestandteil des Gesamtkunstwerks. Das Lichtspiel eines grünen Lasers schneidet durch die Nacht, darunter sitzt irgendwo - kaum erkennbar - Herr Fox und lässt karg die Elektronik knacken und knuspern. Eine herrliche Lehrstunde in Minimalismus und eine Geduldsprobe für die Aufmerksamkeitsspannen im Publikum. Bassdrum geht anders.

Der kaum anzufechtende Höhepunkt jedoch kommt am Donnerstag von RocketNumberNine. Das englische Duo hat bislang ein erst schmales Werk vorzuweisen: Ein so gut wie nicht erhätliches und kaum einem Menschen bekanntes Album aus grauer Vorzeit, das quasi schon aus der offiziellen Bandbiographie getilgt ist, und - dafür sind RocketNumberNine in Checkerkreisen geschätzt und geliebt - eine sehr feine 12". Der Track "Matthew and Toby" ist bei Oberauskenner Four Tets Label Text Records erschienen und ist ein 13-minütiges, in einem Take ohne Edits right to Tape aufgenommenes Zwitschern und freundliches Scheppern. Die Brüder Tom und Ben Page bauen einzig an Drums und Synthesizern ein vielschichtiges Amalgam aus Kraut, kosmischem Jazz und Tanzelektronik zusammen, in dem vorgefertige und perfekt ausfomulierte Patterns modulhaft hin- und hergeschoben werden, aber auch ausreichend Platz für Improvisation bleibt. Im November erscheint eine drei Stück starke EP beim immer verlässlichen Label Soul Jazz Records.

Crazy bitch in a cave

Philipp L'heritier

Crazy Bitch In A Cave
Planningtorock

Philipp L'heritier

Planningtorock
Acid Mothers Temple

Philipp L'heritier

Acid Mothers Temple
Acid Mothers Temple

Philipp L'heritier

Der Freitag gestaltet sich vergleichweise poppig: Nach dem wunderbaren R'n'B aus einer besseren Zukunft von Crazy Bitch in a Cave erklimmt mit Planningtorock der wohl bekannteste und crossovertauglichste Acts des Wochenendes die Hauptbühne im Dom im Berg. Das Konzert beginnt nach einem Intro mit "Doorway", gleichsam auch das Eröffnungsstück des dieses Jahr bei DFA erschienenen Albums "W". Ein finsterer, minimalistisch gestalteter Eingang in ein Album, in dem nur ab und zu die Neonröhre flackert. Goth-Pop, twisted Disco in Zeitlupe und ein sexy Saxophon, das mal David-Lynch-haft böse Geister beschwört, mal aufgekratzt no-wavige Ekstase dudelt. Einzig: Das Saxophon, nicht zu unterschätzende Zutat auf "W", fehlt an diesem Abend, die Frau, die es für gewöhnlich für Planningtorock spielt, hat mit bürokratischen Visum-Problemen zu kämpfen. Ein sehr gutes Konzert dennoch, das Frau Planningtorock mit Unterstützung an Elektronik und elektronischen Percussions und schamanistisch beschwörenden Gesten bestreitet. Die Abwesenheit einer Musikerin muss man leider totzdem ein wenig bitter bemerken.

Ganz oben in der Höhle im Dom vollführen derweil Acid Mothers Temple aus Japan eine gut zweistündige mindblowing Meditation. Ein gewaltiges Fließen und Gleiten im Universum von Krautrock der Schulen Neu! und Ash Ra Tempel sowie zerdehntem Space-Rock im Andenken an Hawkwind. Es gibt auch Nebel.

Holy Other

Philipp L'heritier

Holy Other
Holy Other

Philipp L'heritier

Phon.O

Philipp L'heritier

Phon.O

Ein Konzert, das mindestens drei Herzen verliehen bekommt ist dasjenige von Holy Other. Der junge Produzent aus Manchester, der Medienpräsenz scheut wie der Teufel das Weihwasser und deshalb mit einem das Gesicht verdeckenden schwarzen Tuch um den Kopf auftritt, ist quasi DER Newcomer des Jahres. Das Modell "Witch House" scheint nach seiner tatsächlich fantastischen, dieses Jahr bei Tri Angle Reocrds erschienen Debüt-EP formuliert geworden zu sein. Dunkler Ambient mit Pop-Untertönen, Dub und eine starke Affinität zu R'n'B inklusive verpitchter, in den Mix geschnittener Vocal-Samples. Das ist kaum abwechslungsreich, jedoch von einer die Organe massierenden Durchschlagskraft.

Kyle Hall

Philipp L'heritier

Kyle Hall

Außerdem: Hype Williams, nicht der Videoclip-Regisseur, sondern das auch etwas mysteriös und "schwierig" agierende Duo gleichen Namens und ein fresh zwischen Oldskool und Future oszillierendes DJ-Set von Detroit-Shooting-Star Kyle Hall. Der in Berlin ansässige Produzent Phon.O war längere Zeit weg und hat statt Musik zwischenzeitlich lieber grafisch beispielweise ein Tiernachschlagewerk oder das Cover für "The Devil's Walk" von seinem Kollegen Apparat gestaltet. Seinen Sound hat er mittlerweile Richtung elastischem Future Bass englischer Note samt dezentem Berliner Touch weiter entwickelt, sein Auftritt beim Elevate lässt für sein demnächst bei 50 Weapons erscheinendes Album auf Großes hoffen.
Heute, Samstag, z.B. nicht versäumen: Chez Damier, Move D, Pearson Sound.