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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

21. 10. 2011 - 19:21

Givers

Zwischen Südstaaten und Indie-Klischees. "In Light" von den Givers aus Louisana ist unser Album der Woche.

„Down in Louisiana, where the alligators grow so mean” - Tony Joe White, ‘Polk Salad Annie’

Fried Indie Rock

Der Süden und seine Mythen: southern hospitality, Hitze, fried everything, eine etwas abgebremste Alltagsgeschwindigkeit, Rhythmen in den Straßen, das Heulen von Überlandzügen, Mint Julep, Schaukelstühle auf der Veranda und eine noch immer nicht überwundene Segregation von Schwarz und Weiß. Stimmt alles. Irgendwie. Ich war vor wenigen Tagen erstmals dort. Eine Pilgerfahrt zu einem runden Jubiläum. Aber dazu ein andermal. Die Stippvisite in Memphis, Tennessee ist jedenfalls der Grund, warum das "Album Der Woche" hier auf den schwarzgelben Seiten erst mit gehöriger Verspätung auftaucht. Immerhin kann ich behaupten: der King ist schuld!

Demnächst also die Abenteuer eines nicht mehr ganz so kleinen Jungen mit großen Augen, Ohren und vollem Herzen, der auch das Memphis Chapter von OWS besuchte und mit dortigen AktivistInnen gesprochen hat. Auch dazu demnächst mehr.

Fried Pickles

Christian Lehner

So sehen "fried pickles" aus. Überraschung: panierte Essiggurken schmecken besser als die Vorstellung davon.

Givers and takers

Noch wenige Tage vor dem Abflug nach Tennessee hatte ich zwei junge Menschen aus dem weiter südlich gelegenen Louisiana an der Digitalstrippe. Tiffany Lamson und Taylor Guarisco von den Givers beantworteten in einer Konferenzschaltung Fragen zum Debütalbum "In Light" (Glassnote Rec/Cooperative Music) der jungen Band aus dem Städtchen Lafayette und erwiesen sich dabei als gleichermaßen heimatselig und weltoffen. „Für uns gibt es keinen Grund, von hier wegzuziehen“, erteilt Taylor der handelsüblichen Landflucht der Jugend eine Abfuhr. „Die lokale Kultur, die Menschen, das Essen, wir möchten das alles nicht missen. Außerdem haben wir keine Lust, in New York, LA oder San Francisco mit all den anderen Nachwuchsbands um Aufmerksamkeit zu betteln.“

Givers

Cooperative Music

Die eingangs erwähnten, eher positiven southern-Klischees werden von den Givers umarmt anstatt sich davon abzuwenden. Auch das ist eine Methode, mit dem Lokalen klar zu kommen - man muss ja nicht gleich wie ein vom Traktor gefallener Hillbilly klingen und die nächstgelegene Tea Party mit Knarre und Bourbon heimsuchen.

Die Givers inkorporieren vielmehr die aus dem Französischen kommende Tradition der Cajun Musik und des Zydeco. Obwohl das Quintett regelmäßig zwischen den „liberalen pockets“ (Taylor) von Lafayette und New Orleans hin- und hergependelt, haben die Givers „das mit dem Jazz“ (Tiffany) lieber sein lassen, jedoch eine Menge westafrikanische Melodie- und Harmoniefolgen, Rhythmen und den Afrobeat eines Fela Kuti in den kreolischen Eintopf gerührt. „Wir verstehen uns aber keinesfalls als Folk- oder Weltmusik Band“, stellt Taylor klar, der bei den Givers singt und die Gitarre zupft. „Die in Lafayette omnipräsenten Cajun und Zyedco-Stile spielen in unserer Musik eher eine atmosphärische Rolle. Sie stehen für unser Lebensgefühl in dieser Stadt und nicht für Traditionspflege im herkömmlichen Sinn “.

Givers

giversmusic.com

Wer sich bei dem jovial aufbrausenden Indie Rock der Givers ein wenig an Vampire Weekend, die tUnE- yArDs oder Dirty Projectors erinnert fühlt, liegt tatsächlich nicht weit daneben. Die mittlerweile biophilen Projectors rund um David Longstreth waren wohl auch aus wahlverwandtschaftlichen Gründen schwerstens begeistert von den im Internet aufgelesenen Songs der Givers. Der Einladung als Tour-Support folgte der heute so notwenige Blog-Buzz. Nun liegt das Debütalbum der im Jahr 2009 gegründeten Band vor.

„Wir sind über das Improvisieren von Shows zusammengekommen“, erklärt Tiffany, die für das Bedienen des Standschlagzeuges, der Stimmbänder und der häufig wie ein Banjo gespielten Ukulele verantwortlich ist. „Hier ein Gig auf der Veranda von Freunden, dort ein Auftritt in einem Juke Box Joint. Wir hatten anfangs gar keine Songs sondern legten einfach drauf los. Dann hatte ich einmal einen MP3-Recorder dabei. Aus dem Mitschnitt haben wir anschließend die ersten Stücke quasi herausgeschrieben.“

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Songs wie „Up Up Up“, „In My Eyes“ oder “Ceiling Of Plankton” sind so ein bisschen wie die Südstaatenküche: herzlich, aber eine Spur zu kalorienreich. Hier wird ein Feuerwerk der Lebensfreude abgefackelt, das bisweilen blendet, weil alles gleichzeitig passieren muss und jeder Ton um Aufmerksamkeit brüllt. Aber bitte, die Pferde kann man auch noch später einfangen. Die herrlich abartigen Arrangements und Rhythmen entschädigen ohnehin für den zu hohen Energieverbrauch. Einzig mit der Ballade „Go Out At Night“ schaukelt das Quintett etwas in Kings Of Leon Manier der Nacht entgegen. Sonst ist „In Light“ weitestgehend Südstaaten-Rock-frei. Für gar nicht wenige ist das sicher ein Qualitätsmerkmal.

Die Givers und ihr Debüt dürfte Menschen gefallen, die auch gerne zu der Musik von Vampire Weekend, Dirty Projectors, aber auch Matt And Kim, Royal Bangs oder dem The Go! Team in Square Dance-Formation tanzen.