Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Fußball-Journal '11-117."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

20. 10. 2011 - 17:37

Fußball-Journal '11-117.

Der kleine Seilschafts-Praxistest.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch das heurige Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit einem kleinen Reality Check, was die alltägliche Praxis der aktuell schwer unter Beschuss gekommenen Trainer & Experten-Seilschaften betrifft.

Siehe dazu auch:

Fußball-Journal '11-116: Offensives Sich-Blödstellen. Neuigkeiten zur Selbstdemontage der heimischen Trainer/Experten-Lobby.

Fußball-Journal '11-115: Human Resources.

Fußball-Journal '11-112: Coachismus.

Fußball-Journal '11-111: Österreichs alte Trainer-Kaste schafft sich selber ab.

Fußball-Journal '11-108: Vermutungen zur populistischen Volksfront gegen den neuen Teamchef.

Fußball-Journal '11-107: Diese Schweizer immer! Vermutungen zu Marcel Koller.

Ich bestreite das gar nicht: aktuell betreibe ich klassische Lobby-Arbeit, aufklärerische.
Denn die Reaktion auf das offensive Bloßstellen von peinlich agierenden und jede-Menge-Schaden-anrichtenden Seilschaften innerhalb des österreichischen Fußballs zeigt, dass es innerhalb der Verkrustung gar kein Bewusstsein für die Verwerflichkeit gibt.
Der eine versteht den Begriff an sich schon einmal nicht (wie so viele andere Begriffe auch) - und der andere findet eben rein gar nix dabei.

Dass der offensichtliche Brotneid so thematisiert wurde und wird, ist dem Korrektiv der neuen Medien zu verdanken, die sich und ihre Themen (die aus Fan-Themen rausgewachsen sind) mittlerweile im Zentrum, im Mainstream verankert haben.

Das allein reicht natürlich nicht.
Jetzt, nach der Überwindung eines ersten Gipfels, gilt es die Mühen der Ebenen durchzustehen.

Konkret heißt das, immer dann, wenn wieder einmal so eine Seilschafts-Aktion in allzu unverschämter Öffentlichkeit stattfindet, deutlich darauf hinzuweisen. Und ihnen so die Macht zu nehmen.

Das nötige Korrektiv zum Experten-Lobbying

Ein kleines Beispiel, wie sowas vonstatten geht: Aktzenzeichen Peter Schöttel, Rapid Wien, Mitte Oktober.

Bei Rapid gibt es diese Saison viele Sorgen - da sind die sportlichen die Geringsten.
Präsident Edlinger bittet um Geduld für den Umbau und spricht offen über Fehleinschätzungen in den letzten Jahren. Das öffnet natürlich eine Flanke für Zündeleien aller Art.

Etwa gegen den Coach. Der steht nicht nur für eine andere Philosophie als sein Vorgänger, etwa im Bereich Kommunikation, sondern auch für einen modernen Zugang, der weit über das Forcieren von Taktik hinausgeht.
Einem in den Augen der alten Seilschaften allzu modernem Zugang.

Rapid steht unter Schöttel sportlich besser da, als unter Pacult im letzten Jahr, der ja kaum je über Platz 5 hinauskam - trotzdem ist von einer Krise die Rede; noch dazu von einer, die ihm anzulasten wäre.

Dass Schöttel eine völlig kaputte Truppe, ein taktisch unterentwickeltes, durch Isolationsfolter nicht mehr kommunikationsfähiges Team übernehmen musste, zählt nichts. In den Augen von Fans, die bekanntlich betriebsblind und rosabebrillt sind, mag das legitim sein. Wenn die von Medien bewusst hingetrimmten und selbsternannten Experten in dieses Gossen-Gejohle einstimmen, hört sich der Spaß aber auf.

Der plumpe Versuch Peter Schöttel zu demontieren

Genau das passiert aktuell.

In einer Phase, in der Edlinger und Schöttel die Notwendigkeit von Sachlichkeit betonen, grätscht ihnen die Seilschaft von hinten in die Beine. Um ihr Vollmitglied Pacult zu rächen.

Der Versuchsballon steigt in der Gratis-Postille Heute und der Angriff erfolgt, wie in solchen Attacken üblich, anonym. Heute zitiert dabei "Rapid-Legenden".

Schöttel ist an allem schuld (am besten auch an der schlechten letzten Saison, an den Zuschauerausschreitungen und der Fan-Krise), weil er Hofmann falsch aufstellt (sagt ein anonymer, vierfacher Meister), weil Salihi nicht spielt (sagt ein vormaliger Torschützenkönig) und weil er eben eine zu kleine Nummer sei (sagt ein "Verteidiger-Veteran").

Es gibt nicht allzu viele Vierfach-Meister oder Rapid-Kanoniere. Die Experten sind Heribert Weber (oder Willfurth, Garger, Weinhofer, Kienast, Feurer) und Hans Krankl (oder Starek). Dass die sich in ihrer Wadlbeißerei anonymisieren lassen, ist angesichts ihrer Medien-Präsenz (TV-Analysen, Print-Kolumnen) grotesk.

Anonyme Wadlbeißerei, die jeder Säugling entgegnen kann

Inhaltlich sind die Angriffe von jedem Säugling zu parieren. Steffen Hofmann wurde in der letzten Saison kaputtgespielt. Er musste trotz anstehender Operation fitgespritzt auflaufen, brachte nur die halbe Leistung und wurde so mittelfristig ruiniert. Insofern ist es egal, ob er - wie unter Pacult - nominell rechts aufgestellt wird und dann eh zentral spielt, oder - wie unter Schöttel - gleich in der Zentrale nominiert wird.

Ähnliches gilt für das Spiel mit Salihi - da hat das Gezerre auch unter Pacult begonnen; alle aktuellen Brösel haben ihre Ursache dort.

Die Handschrift Schöttels war schon nach den ersten paar Matches deutlich zu sehen - wo Pacult irgendwelche Akteure planlos auf den Platz entließ, lassen Schöttels Spieler immer ihre Aufgabe erkennen. Wie das im modernen Fußball nötig ist.

Einzig der Vorwurf, dass der Kader zwar nominell gutaussehend, gruppendynamisch aber nicht erstklassig funktioniert, sitzt. Den erheben aber die Seilschafter gar nicht. Kein Wunder, für ihre Analyse haben sie ja - wie so oft - nicht einmal die Spiele angesehen, sie richten sich nach ihren internen, inoffiziellen Beschlüssen, die die nicht dazugehören rauszumobben.

Die grsuelige Rolle des Medien-Boulevards

Zu so einem Angriff benutzt man ein verpartnertes Boulevard-Medium, das durchaus auch Interesse daran hat, dass wieder ein verbandelter Seilschaftler Einfluss bei Rapid gewinnt - um so an die heißen Exklusiv-Infos zu kommen; und um Vereins-Politik zu machen. Das liegt zunehmend im Interesse der Verlage - die Fellners und Dichands arbeiten schon lange so.

Interessanterweise ist diese Attacke vom Montag die einzige geblieben - keiner stimmte ins Geheul ein; auch weil das Timing schlecht war. Vielleicht hätte die Seilschaft eine eventuelle Derby-Niederlage abwarten sollen.

Andererseits setzen andere Medien auch anderslautende Geschichten dagegen; sei es aus stragetischen Gründen, oder auch nicht.

Diese kleine Schöttel/Rapid-Fußnote ist wie gesagt nur ein Beispiel für den Alltag der heimsichen Trainer/Experten-Seilschaft und ihrer Vorgangsweise. Die sie, solange sie niemand öffentlich macht, beibehalten werden.