Erstellt am: 19. 10. 2011 - 19:39 Uhr
Besser leben durch Algorithmen
Ein Sinn des Lebens ist es, die Welt besser verstehen zu lernen. Die Methode dazu war schon immer, sich von einem Thema zum nächsten weiterzuhanteln. Nirgendwo funktioniert das besser als in einer großen Bibliothek und - seitdem es erfunden und für die Mehrheit der Menschen verfügbar ist - im Internet. In jüngster Zeit sei die digitale Pluralität aber bedroht, wie manche Expert/innen monieren. Als Grund dafür werden die immer intelligenter werdenden Algorithmen genannt, die die Schnittstelle zwischen uns und den wichtigsten Anwendungen im Web darstellen: Internetsuchmaschinen, Online-Shops, Soziale Netzwerke.
Wird uns die Entwicklung der personalisierten Internetsuchmaschine tatsächlich sukzessive in eine sogenannte "Filter Bubble" führen, wie der IT- und Netzkultur-Autor Eli Pariser in seinem gleichnamigen Buch schreibt? In dieser sozialen Blase würden wir früher oder später nur noch das lesen und suchen wollen, was unseren Vorstellungen entspricht. Genauso auf Facebook: Wer unsere neuen Freunde sein könnten, bestimmen immer öfter die von Algorithmen generierten Vorschläge aufgrund unseres bisherigen Verhaltens. Sind wir Algorithmen tatsächlich so ausgeliefert und nehmen sie unseren freien Willen? In den meisten Fällen ist es wohl nicht ganz so heftig, wie diese düstere Vision. Algorithmen umgeben und unterstützen uns, und die meisten sind alles andere als gefährdend für das freie Denken.
Effizienz statt Zensur
"Wenn dir dieses gefällt, könnte dir auch jenes gefallen" - diese berüchtigte Zeile, die wir vom Online-Shopping her kennen, liegt einem Prinzip zu Grunde, dem unser Gehirn immer schon gefolgt ist. Ohne Vertrautheit von Dingen und der Wiederholung von Abläufen, wären Orientierung und Selbstverortung für uns quasi unmöglich. Algorithmen dienen uns im Alltag vor allem als Werkzeug zur schnellen und effizienten Vorselektion. Zwar wissen wir oft - wie etwa bei der Internetsuchmaschine - nur sehr grob, wie die Algorithmen dahinter genau funktionieren. Aber letztlich wollen wir ja einfach nur möglichst schnell brauchbare Ergebnisse aufgrund bestimmter Begriffe geliefert bekommen, nach denen wir suchen.
Gerade bei der Auswahl von Büchern hat sich die Situation in der digitalisierten Welt eher vereinfacht als dass uns heute tatsächlich etwas vorenthalten werden würde. Alleine im deutschsprachigen Raum erscheinen im Jahr viele Tausend Bücher. Dass es sie alle überhaupt gibt, wissen wir nun Dank des Netzes. Früher, alleine im Buchladen und mit den subjektiven Empfehlungen des Ladenbesitzers war das anders.
Kostenlose Orientierung vs. kommodifizierte Suchbegriffe
Überspitzt formuliert: Ohne Algorithmen würden wir uns in der global vernetzten Welt und ihrem Informations(über)fluss wohl nur noch schwer zurecht finden. Aber nicht nur im Internet und im digitalen Raum sind Algorithmen ein alltägliches Werkzeug. Sie sind auch dort, wo man sie nicht zunächst nicht vermuten würde - im Kühlschrank, im Backofen, in der Mikrowelle.
flickr.com/Robert Couse-Baker
Selbstverständlich können wir durch Algorithmen auch manipuliert werden, und missbräuchlich verwendet werden können sie natürlich ebenfalls. Doch nur wegen schlauer Internetsuchmaschinen und smarter Freundesvorschläge auf Facebook muss man sich noch keine großen Sorgen machen - schließlich ist man mündiger User. Natürlich, hier sind kommerzielle Firmen am Werk, die mit Werbekunden und damit mit unseren Sucheingaben Geld verdienen. Doch dass Algorithmen, die uns primär als selbstgewählte Filter dienen, unser Wesen und Wirken nachhaltig verändern würden, ist dann wohl doch ein wenig zu hoch gegriffen. Was man auch nicht vergessen darf: Auch unsere Einkaufsliste im Supermarkt und der gestrenge Preisvergleich ist letztlich ein Algorithmus. Muss ja nicht immer alles digital sein.