Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Diskussion um Studiengebühren"

Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

18. 10. 2011 - 14:57

Diskussion um Studiengebühren

Universitäten können ab März 2012 Studiengebühren in beliebiger Höhe verlangen, wenn die Regierung das Universitätsgesetz nicht repariert. Dies behauptet ein Gutachten, das Wissenschaftsminister Töchterle erstellen ließ. Die ÖH protestiert.

Etwa zehn Prozent der Studierenden in Österreich zahlen Studiengebühren. Befreit sind Berufstätige, Bezieher von Studienbeihilfe und Studierende innerhalb der Mindeststudiendauer plus zwei Toleranzsemester. Die Ausnahmeregelungen wurden 2008 mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und FPÖ beschlossen. Im Juli des heurigen Jahres entschied der Verfassungsgerichtshof (VfGH), dass die Ausnahmen zu unklar formuliert sind. Das Gesetz muss bis spätestens 29. Feber repariert werden.

Für den Fall dass dies nicht geschieht ging man bisher davon aus, dass die Studiengebühren komplett wegfallen würden. Dem aber widerspricht nun ein Gutachten des Verfassungsjuristen Heinz Meyer, das Wissenschaftsminister Karl-Heinz Töchterle gestern präsentiert hat: "Das Gutachten besagt, dass nach Inkrafttreten der Aufhebung durch den VfGH die Universitäten befugt sind, in ihren Satzungen Regelungen über Studienbeiträge zu erlassen."

Töchterle

APA

Karl-Heinz Töchterle

Woran aber stieß sich der Verfassungsgerichtshof überhaupt? Das Gericht hat kritisiert, dass im Gesetz nicht genau geregelt sei, wann Studiengebühren zu zahlen sind und wann nicht: In den Ausnahmeregelungen wird von Studienabschnitten ausgegangen, die es nur mehr im alten Diplomstudium gibt - 80% der Studien sind aber bereits auf die Bologna-Struktur mit Bachelor und Master umgestellt. Für ÖH-Bundesvorsitzende Janine Wulz ist dieses Manko im Gesetz sehr leicht zu flicken: "Man könnte das einfach reparieren, indem man die Worte 'Bachelor' und 'Master' im Gesetz einfügt und das Wort 'Diplomstudium' streicht."

Klingt einfach. Wo ist also das Problem? Wissenschaftsminister Töchterle, ÖVP, möchte, dass Unis bis zu 500 Euro Studiengebühr pro Semester einheben dürfen. Die SPÖ lehnt Studiengebühren ab. Das Gutachten von Heinz Meyer verschafft dem Minister jetzt eine gestärkte Verhandlungsposition in der Koalition, weil es zeigt, dass ohne eine Reperatur auch beliebig hohe Studiengebühren die Konsequenz sein könnten.

Für die ÖH ist das Gutachten ein verhandlungsstrategischer Schachzug und eine fragwürdige Auslegung des Gesetzes. Janine Wulz: "Dieses Gutachten ist ein Auftragswerk, mit dem der Minister versucht, auf Teufel-komm-raus, mit der Holzhammermethode, seine Vorstellung von Studiengebühren durchzudrücken - und das auf Kosten der Studierenden. Sollte es zur Einführung von Studiengebühren in beliebiger Höhe kommen, wird das die soziale Situation der Studierenden extrem verschärfen und eine Vielzahl der Studierenden dazu zwingen, ihr Studium aus finanziellen abzubrechen."

Janine Wulz im Studio

fm4 / irmi wutscher

Janine Wulz

Schon heute, sagt ÖH-Vorsitzende Wulz, starten daher österreichweit Proteste gegen die Ankündigung des Ministers: "Als erstes versuchen wir heute, alle Studierenden über diese absurde und bildungsfeindliche Idee des Ministers zu informieren. Dann treffen wir uns für Proteste. Um 15.30 vor der Uni Wien und vor der TU Wien. Dann gibt es eine Kundgebung um 16.30 vor dem Wissenschaftsministerium am Minoritenplatz. Es gibt sehr viele Aktionen und Proteste an den einzelnen Hochschulen. Und an vielen Unis gibt es auch Vollversammlungen gemeinsam mit den Rektoraten."

Am 19. Oktober 2011 startet außerdem das - schon seit einigen Wochen vorbereitete - Forum Hochschule: Dabei wird über mehrere Wochen ein alternativer Hochschulplan unter Einbeziehung von Lehrenden, Studierenden und Expertinnen entwickelt. Die Frage der Hochschulfinanzierung wird wohl auch dort ein Thema sein.