Erstellt am: 16. 10. 2011 - 23:00 Uhr
Fußball-Journal '11-116.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch das heurige Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit der immer weitere Kreise ziehenden Demontage und Selbstdemontage der hiesigen Trainer/Experten-Seilschaften, die den Schock der Bestellung von Marcel Koller nicht überwinden können.
Siehe dazu auch:
Fußball-Journal '11-115: Human Resources.
Fußball-Journal '11-112: Coachismus.
Fußball-Journal '11-111: Österreichs alte Trainer-Kaste schafft sich selber ab.
Fußball-Journal '11-108: Vermutungen zur populistischen Volksfront gegen den neuen Teamchef.
Fußball-Journal '11-107: Diese Schweizer immer! Vermutungen zu Marcel Koller.
Fußball-Journal '11-104: Die Ruttensteiner-Standards. Der ÖFB stößt für ein paar Tage ins 21. Jahrhundert vor.
Der eine ist so sehr nicht gekränkt, dass er sich dann im Namen der heimischen Trainer zum Sprecher aufschwingt und dann wortwörtlich seine Gekränktheit zum Ausdruck bringt.
Der andere steht zu seinen altmodischen Schulsport-Schuldzuschreibungen auch wenn deren Sinnhaftigkeit im Bereich des Spitzensports widerlegt sind.
Der dritte meint eine Intervention für einen Freund wäre doch kein Ausdruck für eine Verhaberung, und er wäre kein Freund, wenn er nicht versuchen würde Freunden Jobs im Fußball zu verschaffen.
Der vierte "verwehrt sich, dass es kein Österreicher geworden ist" und ist empört über die Zuordnung zu Seilschaften, wohl auch, weil er den Begriff so verwendet, als würde er ihn nicht wirklich verstehen. Gerade die Bestellung von Koller zeige doch, sagt der Ex-Teamchef, dass nur der wirklich so eine Seilschaft habe.
Stöger, Gregoritsch, Prohaska, Krankl...
Die vier sind prominente Proponenten der heimischen Trainer/Experten-Lobby; sie gehören zwei Generationen an, bilden aber zusammen mit anderen eine mächtige Seilschaft, ohne die es im Boulevard und im Medien-Mainstream nicht geht. Sie analysieren für TV-Stationen und schreiben Kolumnen (nominell; in Wahrheit sagt der eine ein paar Stichworte am Telefon, der andere gibt eine ungefähre Richtung vor und lässt sich dann vom Sportchef dessen Ergüsse vorlesen), sie sind Trainer von Bundesligisten (der eine ist Hobby-Schwulenfeind, der andere ließ sich von Walter Meischberger managen), sie stehen aber nur stellvertretend für ihre Zunft, ihren Stand, ihr Gewerbe.
Und sie sind massiv unter Druck dieser Tage.
Fans und Medien (vorrangig die digitalen) stellen erstmals offen Fragen nach der Qualifikation der Experten und auch Fragen nach der Qualität der Ausbildung, die allzu deutlich (und seilschaftsfreundlich) die Ex-Teamspieler bevorzugen und das Aufkommen von guten Fußball-Lehrern verhindern; eine Trainerausbildung des ÖFB, die davon ausgeht, dass die besten Spieler auch die besten Trainer werden.
Ein veritabler Fehlglaube, ähnlich sinnvoll wie davon auszugehen, dass gute Schüler automatisch gute Lehrer werden.
Leben in einer automatisierten Versorgungsanstalt
In einer solchen Welt lebt und handelt aber diese Lobby, zu der parasitär auch die Boulevard-Medien gehören. Eine Seilschaft, die am Dogma der Unverzichtbarkeit hängt, sich davon abhängig gemacht hat. Diese Gruppe lebt von der gegenseitigen Weiterempfehlung, und sie hält das für legitim. Diese Gruppe verwechselt den Fußball mit einem Pensions-Fonds, einem automatisierten Füllhorn, das sie für vergangene Taten entlohnt.
Wegen dieses Automatismus (und auch unter Mithelfe einer entsprechend durchlässigen ÖFB-Trainerausbildung) hat sich diese Kaste weit von den Coaching-.Realitäten Europas entfernt - es war in Österreich schlicht nicht notwendig sich weiter-/fortzubilden: Die Berufsaussichten für Trainer hingen nicht davon, sondern von dem Okay der Seilschaften ab.
Dass ein Teilnehmer des bisher allumspannenden Systems beschlossen hat auszuscheren (aus Panik den Anschluss an Europa komplett zu verlieren) führt zu Panik innerhalb des Systems.
Weil es aber auf Macht- und Ränkespielen und auf virtuellen Werten, wie vormalige Spieler-Popularität basiert und über keinerlei substanzielle Werte verfügt, offenbart sich in diesen Stunden der Gefahr und der panischen Planlosigkeit der Seilschafts-Proponenten.
Die Planlosigkeit der Seilschaften offenbart sich öffentlich
In der heutigen Diskussion auf Sky deutete etwa Peter Stöger die Tatsache, dass heimische Trainer international keine Beschäftigung erfahren, auf groteske Weise um: Die Wahl Kollers habe das verschuldet. "Wie sollen österreichische Trainer was im Ausland werden, wenn sie nicht einmal im Inland geschätzt werden!".
Nach dieser Logik ist also der ÖFB, der die Konsequenz aus den zunehmend schlechter werdenden heimischen Coaching-Leistungen gezogen hat, quasi auch gleichzeitig rückwirkend schuld daran. Denn der hat bisher doch dauernd gesagt, dass die Trainerausbildung eh super ist. So argumentiert Sky-Testimonial Hans Krankl, und er versteht es wirklich nicht.
Immerhin versteht Krankl dann, was Ruttensteiner (so wie jeder Mensch, der sich damit beschäftigt) unter Philosophie versteht, während sich Stöger bockig verweigert und dumm stellt. Außerdem wären Vergleiche gemein, wenn man nicht über Arbeitsbedingungen wie in der Schweiz und Bochum verfügen würde.
Grenzwertige Aussagen und oberflächliche Zurufe
Das erinnert an eine der vielen grenzwertigen Aussagen von Prohaska in der heutigen Presse, in der er behauptet, in der deutschen Bundesliga und speziell bei Bayern würden auch nur "Landsleute" zum Zug kommen. Landsleute wie van Gaal, Arnesen, Favre, Solbakken, Stevens ... Und: Wen hat der HSV geholt? Nicht den österreichischen Meistertrainer, sondern den aus der Schweiz. Logischerweise.
Die oberflächlichen Zurufe der alten Größen sind verzichtbar.
Die unzusammenhängende Strategie bei der U20-WM war ein Problem.
Dass die A-Teamchefs sich der Zusammenarbeit mit den Nachwuchs-Teams verweigert haben, ein anderes.
Und Hans Krankl hatte als Teamchef weder einen Plan noch eine Philosophie.
Dass es auch Ausnahmen gibt, zeigt aktuell gerade Karl Daxbacher in einem -zweiteiligen Standard-Interview.
Das sind allesamt Dinge, die Willi Ruttensteiner in der Sky-Sendung „Talk und Tore“ geäußert hat. Manches explizit, manches (wie das letzte) durch die Blumen.
Ruttensteiner, der darauf geeicht ist, unangreifbar Kalmierendes in die Öffentlichkeit zu bringen, platzt nämlich schön langsam der Kragen. Und er bezieht Position; gegen die schmähenden Zurufer, die nicht einmal die simpelsten Grundsätze von professionellem Anstand erkennen könnten, selbst wenn sie direkt vor ihrer Nase aufgelistet wären.