Erstellt am: 15. 10. 2011 - 19:00 Uhr
Die FM4 Charts vom 15. Oktober
- Die FM4 Charts vom 15.10.2011
- Brand New – Die Neuvorstellungen der Woche
Well, I got a job and tried to put my money away,
But I got debts that no honest man can pay,
So I drew what I had from the central trust,
And I bought us two tickets on that coast city bus.
(Atlantic City, Bruce Springsteen)
Gestern Abend sprach also Stéphane Hessel im Plenarsaal des Nationalrats im Rahmen einer Aufzeichnung für Ö1 und ORF3, das am 26.10. den Sendebetrieb aufnimmt – und auch an diesem Tag dieses Gespräch ausstrahlt. Und abgesehen davon, dass die Sitzgelegenheiten im alt-ehrwürdigen hohen Haus tatsächlich etwas unbequem sind und ich Laura Rudas ihren Stammplatz wegschnappte (die haben tatsächlich ihre Namen am Platz stehen!), war es ein relativ launig-entspannter Abend.
Wenig große Aufregung, einzig die Frage nach dem Glauben in die parlamentarische Demokratie brachte etwas Bewegung in den Saal. Wie man gewählten Vertretern noch vertrauen kann, während etwa Richtlinien zu Gentechnik oder den wiederholten Bankenrettungen scheinbar gegen den Willen des Volkes durchgepeitscht werden (oder Frau Merkel in Deutschland ganze Bankenbeteiligungspakete von der Deutschen Bank eins zu eins übernimmt), wollten einige Zuschauer, unter ihnen etwa Christian Felber, wissen.
Hessels Antwort bleibt und blieb konstant die gleiche: Nur die parlamentarische Demokratie, nur der lange Weg durch die gewählten Institutionen sind geeignet, tatsächlich Veränderung anzustreben.
Das missfällt und missfiel vielen.
Zu groß scheint die Bedrohung durch Korruption und postdemokratische Vereinnahmung der Parteien durch vor allem finanzielle Interessen der ökonomischen Plutokratie. Da muss man nicht mal den oft strapazierten Finanzkapitalismus bemühen.
In dieser Ablehnung der etablierten Strukturen, an der sich ja auch die spanische Demokratiebewegung oder das „Occupy Movement“ orientieren, versteckt sich aber leider auch die Verschwörungsfalle – der man vor allem in den neuen demokratischen Gerinnungslinien (Facebook und Co.) vermehrt gegenübersteht.
- Wollte sich wer empören? - die österreichische Version von "Occupy Wall Street"
Dabei ist alles verdächtig, was nur irgendwie nach Establishment riecht. Von Armin Wolf über die Grünen bis zum Standard. Und selbstverständlich ist die fundamentale Ablehnung etablierter Muster auch ein Kind ihrer Entwicklung. So habe ich etwa bis heute weder in maßgeblichen Medien, noch von derartigen Politikern grundlegende Ehrlichkeit zu Dingen wie dem Euro-Rettungsschirm oder dergleichen gehört.
Denn natürlich sind alle diese Maßnahmen Symptombekämpfung, dieser Fond bedeutet ja im Prinzip nichts anderes als neue Schulden um alte zu bezahlen. Aber, und das hört man dann hinter den Kulissen oft, man will ja niemanden "beunruhigen", schon gar nicht das arme Muatterl mit den paar Hunderten am Sparbuch.
Das wäre aber einer der grundlegenden Eckpfeiler, die man dem demokratischen Souverän ruhig zumuten kann. Ebenso wie den Umstand, dass Energiesparlampen nicht zwingende Vorteile gegenüber herkömmlichen Glühbirnen bringen, oder der Verzehr gentechnisch veränderter Lebensmittel nicht unbedenklich ist.
All das gibt Anlass zur permanenten Skepsis, keine Frage.
Herrn Hessel deshalb Kollaboration mit „den Eliten“ (auch so eine Falle an Schwammigkeit, in die ich selbst teilweise getappt bin) oder ihm gar (wie auch Soros, Buffet und anderen) Unterwanderung von Bewegungen wie #OWS vorzuwerfen, halte ich allerdings für kontraproduktiv und absurd.
Diese verschwörerische Blume blüht auf dem gleichen Acker wie die (heute zufällig auf Facebook entdeckte) Unterstellung, ich hätte gestern ein Interview mit einem Occupy Austria Aktivisten manipuliert (worüber er und ich nur lachen können), kommt aber in prächtigen Farben und wuchert alles zu, bis jene, die der Wiese zuvor wohlwollend-neutral gegenüberstanden, plötzlich geblendet sind.
Übrig bleibt das schwarz-weiße Denken einer Michelle Bachman, die #OWS auf eine zu liberale Erziehung in den 80ern und 90ern zurückführt, womit nun eine sozialistisch geprägte Jugend die USA versauen würde.
Während eben andere Bachman in einen Topf mit der Ersten Bank, FM4 und Armin Wolf werfen, das Etikett „manipulierende Elite“ draufmachen und sich entspannt ihrer Wut hingeben können.
Dieser dumpfen Wut auf eine vermeintlich konstruierte Elite sollte vielleicht wieder der systemische Zorn auf ein kaputtes System entgegen gesetzt werden, wie das etwa Sloterdijk anschaulich illustriert, in der Abgrenzung des gerechten Zorns von der uferlosen Wut.
Denn auch wenn es noch so abgedroschen klingt: „Don´t hate the player, hate the game“.
Nun zu den Charts:
Da landen die Crystal Fighters schon wieder in den Top3, diesmal schaffen sie es mit "Champion Sound" auf Rang 3.
Platz 2 geht an Portugal, The Man mit "So American".
Und die neue Nummer 1 unserer Charts stellen Givers mit "Up Up Up":
So schauts aus im Schneckenhaus. Toi, toi, toi und schönes Wochenende!