Erstellt am: 15. 10. 2011 - 18:38 Uhr
StarCraft statt Fußball
Ich erinnere mich gut an mein erstes Treffen mit Computerspielbekanntschaften außerhalb digitaler Grenzen. Es war circa im Frühjahr 1999, als sich heimische Mitglieder der ersten Generation von StarCraft-Spielern in einem Lokal in Wien getroffen haben, um einen plastischeren Eindruck von dem zu bekommen, was sich sonst nur hinter kryptischen Usernamen verbirgt. Damit man sich auch sicher war, wer wer ist, gab es beim Empfang leere Namensschilder und Stifte, mit denen man dann "Axtschwinger" oder "Zergling82" draufgeschrieben hat, damit das Gegenüber wußte, ob einem gerade ein unbezwingbarer Erzfeind oder bloß der nette Anfänger von letzter Woche gegenübersitzt. Dieses Wissen hat dann die darauffolgenden Gespräche über Strategien im Spiel ("Scheiß Rusher!") und Online-Zeiten ("letzten Freitag zehn Stunden in Serie!") natürlich maßgeblich beeinflusst. Darüber hinaus war die Personenzusammensetzung lustig, weil die StarCraft-Spieler damals zwischen 14 und 24 waren, und somit die junge, freche Rotzerpartie im Vergleich zu den gemütlichen Diablo-spielenden Herren Ende Zwanzig.
Vom Clan-Treff zur LAN
Zu dieser Zeit wurden auch LAN-Parties populär. Anfang der 2000er Jahre sind die Hallen und ist die Anzahl der dort spielenden und in Schlafsäcken übernachtenden Geeks immer größer geworden. Mit dem eigenen Rechner und guten Getränken im Gepäck ist man schon mal mehrere hundert Kilometer gereist um ein verlängertes Wochenende auf der Lieblings-LAN verbringen zu können. Gespielt wurde vieles, vermehrt aber First-Person-Shooter von Quake 3 bis Counter-Strike und Echtzeitstrategiespiele wie StarCraft und das damals brandneue WarCraft 3.
Das zweite Wiener BarCraft findet im replugged auf der Lerchenfelder Straße 23 im 7. Bezirk statt. Angesehen wird das Turnier MLG Orlando.
BarCraft Vienna
Nach ein paar Jahren des Erfolges sind LANs dann aber von Spielemessen geschluckt worden. Vor allem die ehemalige Games Convention in Leipzig hat sich im deutschsprachigen Raum ab 2004 zu einer zentralen Veranstaltung von Videospiel-Gemeinschaften gemausert. Auf solche Events hat man sich zunehmend konzentriert, weil auch die Veranstalter schnell eine entsprechende Infrastruktur zur Verfügung gestellt haben - mit E-Sport-Turnieren und Case-Modding-Wettbewerben.
Post-LAN-Generation
Es war ein unüberhörbarer Aufschrei vieler Fans, als klar wurde, dass die StarCraft-Entwicklerfirma Blizzard Entertainment für den lange ersehnten zweiten Teil der Serie die Möglichkeit für lokale Mehrspielerpartien - also das LAN-Feature - gar nicht mehr integrieren würde. Es sei nicht mehr notwendig, hieß es, denn die Netzanbindungen seien mittlerweile so schnell und verlässlich, dass man nebeneinander sitzend genauso effizient übers Netz spielen könne, wie über lokale Kabel. Das LAN-Zeitalter wurde mit dieser Entscheidung des weltweit wichtigsten Computerspieleentwicklers endgültig abgeschlossen und besiegelt.
Doch was danach kam, war ohnehin viel besser als jede mit Computern vollgestopfte Veranstaltungshalle: Die in Bezug auf andere Videospielgemeinschaften riesige Community von StarCraft II brachte eine erste Riege an Spielkommentatoren hervor, die das Game über das Spielen hinaus nun auch als Zuschauersport etablieren.
Sean Plott
Die logische Konsequenz aus der kurzen Geschichte der Videospieler/innengemeinschaften und der neuen Infrastruktur, die sich immer mehr jener des klassischen Sports annähert, ist das beste aus beiden Welten. Die Gamer-Treffen von damals werden mit der spannenden Freizeitunterhaltung des E-Sport von heute zusammengeführt. Das Ergebnis nennt sich BarCraft - ein sogenanntes Kofferwort der Begriffe Bar und StarCraft. Ein bisschen erinnert es auch an den Namen der spontanen Workshop-Zusammenkünfte, die BarCamps.
Im vergangenen Mai hat ein 35-jähriger Games-Enthusiast namens Glen Bowers in Seattle die Idee des BarCraft geboren. Die Idee: Public Viewing von StarCraft-II- anstatt Fußball- oder Baseball-Matches, die in heiterem Umfeld gemeinsam vor großen Flatscreens genossen werden. Der Anlass ist jeweils eines von mittlerweile vielen größeren StarCraft-Turnieren, die weltweit stattfinden, von Profi-Kommentatoren unterlegt und ins Netz gestreamt werden. Bowers Idee folgten schnell weitere US-Städte und im August war es bereits dem "Wallstreet Journal" einen Bericht wert.
BarCraft Vienna
Wien weit vorne
Mitte September hat BarCraft dann auch in Europa debütiert. Ganz kurz nach London und zeitgleich mit Stockholm hat BarCraft Austria in Wien gestartet. Mittlerweile schießen die BarCrafts nur so aus dem Boden, in Europa gibt es nun etwa auch welche in Utrecht, Berlin und Köln oder Krakau. Weil bereits die erste Veranstaltung in Wien ein Erfolg war, wird am Samstag, 15. Oktober, und am Sonntag, 16. Oktober, das gemeinsame Anschauen von StarCraft-II-Profi-Matches in öffentlicher Runde fortgesetzt. Rund 60 Zuseher/innen haben sich für das Wochenende angemeldet, Tendenz steigend. Der Eintritt ist frei, die Getränke sind gut gekühlt, eine kleine Spendenbox steht bereit.