Erstellt am: 14. 10. 2011 - 22:38 Uhr
Journal 2011. Eintrag 185.
2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009. Das heißt: Ein täglicher Eintrag, der als Anregungs- und Denkfutter dienen soll, Fußball-Journal '11 inklusive.
Hier finden sich täglich Geschichten und/oder Analysen, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo (oder nur unzureichend) finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.
Heute mit ein paar Gedanken zu David Schalkos Film Wie man leben soll.
Österreichische Filme werden in österreichischen Medien auf zwei Arten rezepiert: entweder übertrieben positiv (weil man so einer Seilschaft dienen möchte oder dem Wirtschaftstandort oder schlicht den Auftrag dazu hat) oder überzogen kritisch (weil man seine Unabhängigkeit betonen möchte, den Wirtschaftsstandort durchstreift wie der Förster den Wald oder schlicht den Auftrag dazu hat).
Ich halte das für ein Ärgernis.
Und ich schätze, dass ich das hier nicht zum ersten Mal thematisiere, derlei ist seit gut sechs Jahren ein wiederkehrendes Thema.
Denn die Kommunikations-Schere, in die sich der hiesige Journalismus damit (ohne eigentliche Not) begibt, schneidet ihm den Zugang zu einem Publikum, dem dieses Eingehen auf das Schattenspiel hinter der Szene zurecht wurscht ist, einfach ab.
Bis auf die verbitterte Minderheit derer, die die Welt ohnehin für 100% nepotistisch-betrügerisch halten, ist der geneigte Medienkonsument an dieser Relativierung, egal ob ins Positive oder ins Negative, nicht sonderlich interessiert.
Die in den Rezensionen versteckten Szene-Querelen
Die wirklichen Entscheidungen um Fördergelder, Produktionsunterstützung und die anderen der wenigen besten Plätze einer in engen Bahnen wandelnden Branche fallen weit vor den Kritiken.
Und so wassern die, die eigentlich berichten sollten über die Verteilungskämpfe, die Szene-Querelen, hinterher - und verstecken ihr Wissen dann indirekt, in der journalistischen Einschätzung eines künstlerischen Produkts.
Weil in Österreich kaum seriöse Hintergrund-Berichterstattung über die heimische Filmproduktion (die oft so spannend wäre wie ein Krimi) existiert, gerät die Filmkritik zum Ausfluss. Und es werden oft und gern Akteure stellvertretend geprügelt - um ganz andere zu treffen.
Das erinnert an die aktuell zutagetretenden Machenschaften der Medien/Experten-Lobbies, die im Bereich Fußball anrüchig geworden sind; das erinnert auch an unselige Zeiten, als die heimische Musikindustrie noch großformatig existierte und mit dezenter und wenig dezenter Einflußnahme für vergleichbare Szenarios sorgte.
Seit die Musik-Majors und die Geschäftsidee des Verkaufs von Musik auf Tonträgern eingebrochen sind, ist das Level der musikjournalistischen Beschäftigung massiv gestiegen. Die Geschäftsidee Film funktioniert noch; und genau deshalb stagniert das Berichterstattungs-Level dort.
Erraten: es geht um "Wie man leben soll"
Wie man leben soll, der Film, den Thomas Maurer (Drehbuch) und David Schalko (Regie) nach dem Roman von Thomas Glavinic geformt haben, ist mein aktuelles Anlass-Beispiel.
Ich lege vorab einmal die Karten offen auf: Schalko ist ein guter Bekannter, den ich aus ähnlichen Gründen wie Robert Stadlober für eine Ausnahme-Begabung halte.
Schalko macht viel, und nicht alles aus diesem massiven Output ist ein Geniestreich. Vieles gelingt aber verdammt sehr sehr gut. Das anarchistische Frühwerk Zap auf Wien 1, die SON sowieso, Kupetzky etwa, zuletzt im Nachtprogramm von 3sat, hat auch auf den zweiten Blick existenzialistischen Tiefgang, Die 4 da gilt sowieso als bedeutendstes Info-Format des österreichischen Fernsehens in diesem Jahrtausend und die Aufschneider waren das schneidigste Fiction-Programm des letzten Jahres.
Ich finde also Schalko super, so, wie ich zum Beispiel Kreisky super finde: aus klar argumentierbaren Gründen. Und nicht, weil Schalko oder Wenzl Super-Burschen sind (was sie auch sind, was aber nichts zur Sache tut). Andererseits war ich zur Premiere von "Wie man leben soll" nicht eingeladen - was im normalen journalistischen Kontext schon für eine zumindest bösartige Fußnote reicht.
Der Schelmen-Film als perfektes Ausstattungs-Kino
"Wie man leben soll" ist fast mein Glavinic-Lieblingsbuch, wenn ich nur nach dem Vergnügen gehe - auch, weil er hier einiges wirklich exzellent eingefangen hat. Und seine Lieblingsbücher will man vor Verfilmungen und der Gefahr der Verwässerung schützen.
Ich hatte dann beschlossen, das Buch nicht noch einmal zu lesen, sondern den Film als Film zu nehmen: ein gänzlich anderes Medium, das sich mit gänzlich anderen Mitteln eines ähnlichen Themas annimmt - einer österreichischen Jugend in den 80ern.
Ich denke, es ist interessant genug, sich anzuschauen, wie das gelingt.
Schalko und Maurer greifen dabei auf die Tricks von Maurer und Schalko zurück: verbales Stop&Go, schnelle Szenen- und Ebenen-Wechsel, Grafik/Comic-Schmähs, und natürliche alle Zutaten aus klassischen Schelmen- und Entwicklungsromanen, mit der genrezugehörigen Flachatmung der Charakterzeichnung.
Das erinnert in seinen besten Momenten an den Umgang amerikanischer Produktionen, die vor allem aus jüdischen Humortraditionen schöpfen - und es bleibt in seinen schwächeren Momenten meilenweit über dem deutschhumorigen Filmfilm-Kino.
Antikabarettistische Ironie und andere Starkpunkte
"Wie man leben soll" ist also (sowohl absolut als auch relativ) ein erstaunlicher Film, formal äußerst gelungen und inhaltlich von entspannter und antikabarettistischer Ironie (was auch deshalb geht, weil er sich nicht mit der Gegenwart, sonder deren Zustandekommen beschäftigt). "Wie man leben soll" setzt vor allem dort, wo das österreichische Kino bislang massive Schwachpunkte hat, Maßstäbe: bei Kostüm und Ausstattung etwa. Wir erinnern uns an den diesbezüglich verheerenden Falco-Film und seine Frisuren-Debakel.
Wenn ich nun die Kritiken durchscanne, werden genau die Starkpunkte schwachgemacht: es wäre davon zuviel des Guten, sowohl die stilechte Fanta-Flasche, als auch die feinen Skizzen von Cameo-Gaststars machen die Kritiker scheinbar nervös. Und sie fordern das, was das Publikum (und sie sonst auch gerne) anmäkeln: Langsamkeit, Innehaltung, Detailsuche. Also Opas Kino.
Wäre "Wie man leben soll" auch nur ansatzweise so gewesen, wäre die Kritik von der anderen Seite gekommen, hätte spöttelnd mehr Tempo und Action gefordert.
Wohin führt Scheu vor Konflikt und Auseinandersetzung?
Und genau das zeigt recht deutlich, woher der Wind weht.
Statt einer womöglich lohnenden, auch kritischen Auseinandersetzung mit dem Vielmacher Schalko, der genau deshalb viele nervt, die ihm deshalb auch Haberei unterstellen, weil sie sich nicht vorstellen können, dass einer so aktionswütig und dabei doch noch straight geblieben ist, wird die ausgestaute Ablehnung auf ein Projekt geschüttet, das eigentlich eine völlig unabhängige Rezension verdient hätte.
So funktioniert österreichischer Journalismus, österreichischer Kulturjournalismus im Speziellen und österreichischer Filmjournalismus in Reinkultur: man trägt Konflikte über Produkt-Kritik aus; das erfolgt zwar auf für Insider klar erkennbare Art und Weise, führt aber den Medien-Konsumenten so in die Irre wie die Faymann-Jubelberichte in Österreich/Heute&Krone.
Ich halte das für ein Ärgernis.
Aber ich denke, das habe ich bereits erwähnt.