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14. 10. 2011 - 16:30

Reporter im Glück

Mara Simperler war als Gewinnerin des Reporter11-Bewerbs in Bhutan. Zwischen Fußball spielenden Mönchen und ehemaligen Drogensüchtigen hat sie das Glück gesucht – und gefunden. Bewirb auch du dich als NachwuchsreporterIn!

von Mara Simperler

Die Tageszeitung Die Presse schickt jedes Jahr Nachwuchsreporter um die Welt. Letztes Jahr konnte Mara Simperler mit ihrem Vorhaben überzeugen. Du willst deine Geschichte schreiben, und weißt auch schon, wo es hingehen soll? Dann bewirb dich für den Reporter12. Wer gewinnt, reist mit Außenpolitikredakteur Thomas Seifert in die vorgeschlagene Destination, um zu berichten.

Das Glück in Bhutan fand ich versteckt in einem kleinen dunklen Raum des Klosters Chimi Lhakhang. Draußen spielten kleine Mönche in orangen Roben mit einem abgewetzten Ball Fußball, drinnen schlug mir ein anderer kleiner Mönch mit einem Holzpenis auf die Stirn. "Für die Fruchtbarkeit", erklärte unser Übersetzer und grinste mich an.

Als ich wieder aus dem Kloster heraustrat, wehten bunte Gebetsfahnen im warmen Wind und die fußballspielenden Mönchskinder lachten mir ins Gesicht. Ob ich nach dieser Segnung fruchtbarer war, konnte ich nicht sagen. Dass ich hier glücklich war, jedoch definitiv.

Nach Bhutan kam ich dank einer Verkettung von glücklichen Ereignissen. Vor Monaten hatte ich einmal über das kleine Himalaya-Land und sein ungewöhnliches Entwicklungskonzept gelesen. Bhutan strebt nach Maximierung des "Gross National Happiness", des "Bruttonationalglücks", nicht nach möglichst hoher Wirtschaftsleistung.

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Zufällig fiel mir dieses Thema wieder ein, als ich im Oktober letzten Jahres über den Reporter 11-Wettbewerb stolperte und beschloss, mich zu bewerben. "Auf der Suche nach dem Bruttonationalglück in Bhutan" war nicht nur ein guter Titel, es war auch das Thema dieser Zeit: Cameron, Sarkozy, China, sie alle propagierten die Suche nach dem großen Glück. Einige Bewerbungsrunden später schlug ich überglücklich und ungläubig in den Redaktionsräumen der Presse die Hände vors Gesicht: Ich hatte gewonnen. Ich war Presse-Reporterin11.

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Wenige Monate später fand ich mich in ähnlicher Euphorie auf besagtem Hügel bei Chimi Lhakhang wieder und ich bin mir bis heute sicher, der heilige Holzpenis hatte damit nichts zu tun. Vielmehr waren es die interessanten Gespräche mit dem Sekretär der "Gross National Happiness Commission". Es waren Begegnungen mit Menschen wie der Farmerin Kaki, die wir im angeblich glücklichsten Bezirk Haa auf ihr Feld begleiteten. Es waren diese kleinen Momente, die zu einer großen Story werden sollten. Diese Herausforderung war für mich aber nie Grund zur Angst, sie war immer eine große Chance.

Die größte Überraschung war vielleicht, wie sehr ich mich dennoch geirrt hatte. Bevor ich nach Bhutan kam, hatte ich die Story, die ich schreiben wollte, praktisch im Kopf. Ich hatte so viel über das Land und über Gross National Happiness gelesen, dass ich das Gefühl hatte, ich wisse nun alles. Kaum zwei Tage nach unserer Ankunft waren all meine Vorstellungen komplett auf den Kopf gestellt. Wir hatten lächelnde Menschen gesehen, aber auch ein Zentrum für ehemalige Drogenabhängige. Wir hatten Minister getroffen, die stolz auf ihr Land waren, aber auch davon sprachen, wie vorsichtig man mit der Euphorie umgehen müsse, die "Gross National Happiness" auslöse. Der Artikel, der schlussendlich in der Presse erschien, hatte mit dem Artikel, den ich gedacht hatte, zu schreiben, nur mehr das Thema gemeinsam.

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Die Reise nach Bhutan war nicht nur journalistisch eine wichtige Erfahrung, sie hat mir in gewisser Weise eine neue Welt gezeigt, wie das immer so ist, wenn man in ein neues Land fährt. Und zusätzlich zu dem gefürchteten "travel bug", den ich sowieso schon seit Jahren habe, habe ich nun auch den "journalist travel bug" - denn als Journalistin habe ich endlich einen Grund, fremde Leute in fremden Ländern anzuquatschen und ihnen all die Fragen zu stellen, die mir schon immer auf der Zunge gelegen sind. Und um ehrlich zu sein – ich hoffe, ich werde ihn nie wieder los!