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Ballesterer FM

Artikel aus dem Magazin zur offensiven Erweiterung des Fußballhorizonts.

14. 10. 2011 - 16:43

Entrückte Millionäre

Während der Londoner Riots ließen es sich die Stars der Premier League nicht nehmen, der Welt ihre Moralvorstellungen via Twitter mitzuteilen. Während einige populistisch gegen die Rioters wetterten, zeigte David James, wie Fußballer effektiver gegen soziale Probleme vorgehen könnten.

Text: Maximilian Kronberger

"Wenn dich Joey Barton einen Hooligan nennt, weißt du, dass die Riots zu weit gegangen sind." So nennt sich eine Online-Fangruppe des nicht unumstrittenen Queens-Park-Rangers-Kickers. In der Vergangenheit durch diverse Schlägereien und Gefängnisaufenthalte auffällig geworden, mimt Barton mittlerweile öfter den Paulus als den Saulus des britischen Fußballs. Anlass für die Gründung der Facebook-Gruppe war eine Twitter-Meldung, in der Barton zu den Ausschreitungen in London Stellung bezog. "Protestiert, so viel ihr wollt, nur greift keine unschuldigen Menschen an, ihre Lebensgrundlagen und Häuser. Protestiert vor dem Parlament, wenn ihr unzufrieden seid. Hooligans!"

fußballfeld

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Peinlich für England

Joey Barton war nicht der einzige Spieler, der öffentlich Stellung zu den Randalen bezog, die von 6. bis 10. August die britische Polizei und das allgemeine Moralverständnis überforderten. Wayne Rooney, Rio Ferdinand und andere prominente Kollegen teilten via Twitter ihre Bestürzung und ihr mangelndes Verständnis für die Ausschreitungen mit.
Manchester-United-Star Rooney appellierte an sein Twitter-Gefolge und die Randalierer: "Diese Riots sind verrückt. Warum tun Menschen ihrem Land und ihrer Stadt das an? Das ist peinlich für unser Land. Bitte hört auf!"

Wayne Rooneys Teamkollege Rio Ferdinand, der in Peckham in Südlondon in einer Sozialsiedlung aufwuchs, verlor bei den Unruhen einen langjährigen Freund, der unschuldig Opfer eines Schusswechsels wurde. Ferdinand forderte auf Twitter den Aufmarsch der Armee: "Es sieht so aus, als würden diese Kids keine Angst oder Respekt vor der Polizei haben. Vielleicht kann sich die Armee Respekt verschaffen?" Ebenso wenig durchdacht war ein weiterer Ferdinand-Tweet: "Ich bin in einer Sozialsiedlung aufgewachsen und weiß, was es bedeutet, Dinge haben zu wollen, die man nicht haben kann. Darum habe ich gearbeitet, um erfolgreich und reich zu werden. Tatsache!"

Dieser Artikel findet sich in der aktuellen Ausgabe des ballesterer

Zu schnelle Tweets

Es dauerte nicht lange, bis die ersten Antworten eintrafen. Bristol-City-Tormann David James etwa konnte sich in seiner Kolumne für den Observer einen Seitenhieb auf die Kollegen nicht verkneifen. Von ihrer unterprivilegierten Herkunft seien sie doch alle mittlerweile weit entfernt. Hilfreicher als ein schneller Tweet wäre wohl ein langfristiges soziales Engagement des Fußballs und seiner Stars in den Communitys, meinte James.

Zum Arbeiten statt Twittern kamen während der Ausschreitungen manche Spieler ohnehin nicht. Das Freundschaftsspiel der Engländer gegen die Niederlande am 10. August wurde ebenso abgesagt wie die Ligapokal-Heimspiele von West Ham und Charlton. Das erste Saisonheimspiel von Tottenham gegen Everton wurde nach langen Überlegungen der Polizei und der Football League verschoben. Zu stark wurde der Bezirk, in dem die Krawalle ihren Anfang nahmen, in Mitleidenschaft gezogen, um den Fans eine Anreise ohne Hindernisse zur White Harte Lane zu ermöglichen.