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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

13. 10. 2011 - 23:00

Fußball-Journal '11-115.

Human Resources.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit einer Fußnote zur dieswöchigen Nachlese von Österreichs EM-Qualifikation.
Vergleich dazu auch Fehler im System? aus dem neuen Ballesterer und die EM-Quali-Analyse von abseits.at.

Die heutigen Ausgabe des deutschen Kicker enthält eine ausführliche Gesamtbetrachtung der DFB-Matches in der EM-Qualifikation. Unter anderem eine Liste aller eingesetzten Spieler. Die zerfällt (mit einer Ausnahme: Schweinsteiger, der allzu oft verletzt war) klar in drei Teile: den Stamm (diejenigen, die mehr als die Hälfte der Matches absolviert haben), die zweite Reihe (alle mit mehr als einem Einsatz) und die Versuche.

Sieht man sich dieselbe Liste der 10 ÖFB-Matches an, dann
schaut das auf den ersten Blick ähnlich aus: es gibt auch elf Spieler mit sechs und mehr Einsätzen, zehn mit mehr als zwei Spielen und den Rest.
Nur: der klare Unterschied zwischen Einser- und Zweier-Panier lässt sich nicht festlegen.
In welche Kategorie fällt etwa Dag? In welche Janko? In welche Arnautovic?
Ekrem Dag komnmt, ebenso wie Arnautovic oder etwa David Alaba auf acht Einsätze.

Trotzdem gelten alle drei nicht als Stammspieler. Alaba wird immer noch als "Talent" betrachtet, das "herangeführt" werden muss. Arnautovic gilt als Lehr- oder Lausbub, Ekrem Dag wird maximal geduldet.
Kapitän und Fixgröße Janko bestritt nur die Hälfte aller Spiele.

Die Einsatzliste als Beweismittel

10 Spiele: Fuchs
8: Dag, Baumgartlinger, Alaba, Harnik, Arnautovic
7: Scharner, Hoffer, Maierhofer 1234567
6: Pogatetz, Junuzovic
5: Macho, Prödl, Schiemer, Janko
4: Klein, Dragovic, Kavlak, Royer
3: Grünwald, Pehlivan
2: Gratzei, Kulovits, Korkmaz, Ivanschitz, Linz
1: Jantscher, Hosiner
0 (nur in Testspielen im Einsatz):

Genau hier stimmt etwas nicht; vor allem, wenn man sich die hierarchisch klar strukturierten Deutschen ansieht. Die haben auch Probleme, klar: keinen fixen zweiten Außenverteidiger neben Lahm. Der Rest ist sonnenklar. Und zwar mit Podolski und Klose, die im Team spielen, selbst wenn sie im Verein patzen und auf der Bank versauern.

Beim ÖFB-Team ist hingegen gar nichts klar. Da konnte auch die kurze Ruttensteiner-Phase nichts dran ändern.
Das ÖFB-Team hat in kaum einer Formation echte Fixstarter. Deshalb kein Gerüst, deshalb keine Hierarchie, deshalb kein Zusammenspiel, deshalb so viele Schwächen.

Klar, es gibt und gab viele Verletzungen.
Aber wieso? Der DFB hat da gerade ein echtes Sorgenkind (Schweinsteiger eben).
In Österreich ist es (siehe Hofmann letzte Saison, siehe etliche Fälle dieser Saison) üblich, das Vereine ihre Kicker so lang fitspritzen, bis sich ihre Verletzung so zuspitzt, dass sie gleich länger ausfallen; am besten in der Länderspiel-Pause. Die Holländer haben da im Fall Robben unlängst Alarm geschlagen.

Stammbildungen statt hinterwäldlerischem Hü-Hott

Das passiert dem DFB nicht oder selten, weil seine Ärzte da genau aufpassen, durchchecken, buchführen. In Österreich nimmt man, der ÖFB, diese Dinge seufzend zur Kenntnis.

Und tut auch sonst wenig für eine sinnhafte Stammbildung. Sinnhaft ist es natürlich Spieler positionsgerecht und in Absprache mit den Vereinen einzusetzen. Wer etwa Scharner heuer in die Innenverteidigung reinpferchen wollte, hatte das nicht kapiert.
Ebenso sinnhaft ist die Podolski/Klose-Rückenstärkung. Es ist recht egal ob Ivanschitz, Alaba oder Baumgartlinger bei ihren Vereinen Stammspieler sind oder rotiert werden. Solange sie overall auf ihre Einsätze kommen, ist es wichtiger auf ihr Können zu vertrauen und sie gezielt auf ihre wichtigen&richtigen Positionen zu setzen

Wenig sinnhaft ist der andauernde Beleg der eigenen Hinterwäldlerschaft auf der Basis von kulturellem Unverständnis: Arnautovic in Frage zu stellen, weil er was Dummes gesagt hat; Kavlak abzuschießen, weil er in die Türkei geflüchtet ist; Dag klein zu machen, weil er keine Lobby hat; Scharner als irren Freak auszuleuchten. Richtig wäre es, derlei außen vor zu lassen und sich mit der fußballerischen Qualität der Genannten auseinander- und sie richtiger einzusetzen.

Personalentwicklung und andere Management-Techniken

Wenig sinnvoll ist eine Politik des Hü-Hott - also heute aus Prinzip das Gegenteil des gestern Gesagten als populistische Wahrheit zu vertreten; und dabei andauernd potentielle Kandidaten anzupatzen. Unter anderem deswegen verfügt das Nationalteam aktuell über eigentlich gar keinen Tormann; unter anderem deswegen muss in der Innenverteidigung dauernd umgestellt werden.

Ehe es also überhaupt um die Dinge gehen wird können, die den Unterschied zu Schweden und Irland ausmachen sollen, zwei Teams die womöglich eine gute Euro spielen und sich dort so richtig teambuilden werden, ist die Überwindung dieser Probleme angesagt.
Das sind wenigeer sportliche als vielmehr management-technische Aufgaben. Da ist Menschenführung gefragt, Psychologie, das Verständnis von Gruppenarbeit, die Bedeutung von Personalentwicklung und einem Human Resources-Management.

Alles Dinge, die vor fünfzehn, zwanzig Jahren in dieser Form vielleicht noch nicht nötig waren, heute aber unverzichtbar sind,.
Alles Dinge, die die heimische Trainerzunft (in überwiegendem Maße) nicht beherrscht.
Alles Dinge, die dieser Lobby irre Angst machen, weil ihre Bewältigung eine Schweinearbeit ist und den enormen Nachholbedarf so deutlich machen.

Genau deshalb ist es so ungeheuer wichtig, dass jetzt jemand in den ÖFB kommt, der zumindest weiß wovon da die Rede ist; anstatt eines weiteren schulterklopfenden Kantinen-Besuchers.