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13. 10. 2011 - 18:15

"Junge" in Europa: Generation in der Warteschleife

Sie sind jung, gut ausgebildet und haben dennoch schlechte Zukunftsperspektiven. Europas "Junge" - das sind die 25plus-Jährigen auf Jobsuche, die von den Sparpaketen im Kampf gegen die Schuldenkrise besonders hart getroffen werden.

von Rebecca Truska

Seit Monaten protestieren sie auf den Straßen Spaniens, Portugals und nun auch in Deutschland, auf dem Fußweg nach Brüssel, gegen die politischen Systeme. "Das könnte der Anfang einer europäischen Jugendprotestbewegung sein", sagt Philipp Ikrath vom Institut für Jugendkulturforschung.

"Wenig neue Arbeitsplätze, unsichere Jobverträge und politische Systeme, denen die Jungen viel zu lange egal waren", seien die Auslöser für die Unsicherheit und die Proteste, sagt Ikrath. In den letzten drei Jahren seien die lange schwelenden Zukunftsängste manifest geworden. Die Generation der heute jungen Erwachsenen werde Sicherheiten wie staatliche Pensionen nicht mehr in dem Ausmaß in Anspruch nehmen können, wie dies noch ihre Eltern getan haben.

In Brüssel fordern Demonstranten eine Reformation der politischen Systeme Europas.

EPA

In Brüssel fordern Demonstranten eine Reform der politischen Systeme Europas.

"Generation Prekär"

Über Jahre müssen sich viele, trotz guter Ausbildung, mit befristeten Jobs und Projektarbeiten zufrieden geben. Fixanstellungen und Langzeitperspektiven im Job seien überholte Vorstellungen. Nicht "Generation Praktikum" sondern "Generation Prekär" nennt der Soziologe Wolfgang Grüninger die Generation der 25plus-Jährigen auf Jobsuche. Es ist ein Synonym für die "Top-Elite", die immer länger braucht, um in einen guten Job einzusteigen. Dabei wird von ihnen erwartet, dass sie immer flexibel und mobil sind. "Die Arbeitnehmer haben sich daran gewöhnt, die Arbeitgeber haben lange genug Druck ausgeübt. Die hochgelobte Flexibilität geht nicht vom Arbeitnehmer aus wie uns weisgemacht wird", sagt Grüninger.

Flexibilität schränkt ein

Eigentlich sollte die berufliche Flexibilität den Arbeitnehmern das Leben erleichtern. Junge Selbstständige könnten mit Projektarbeiten oder Kurzzeitverträgen Familie und Karriere leichter unter einen Hut bringen. "Heutzutage bedeutet Flexibilität aber, dass der Arbeitgeber seinen Bedarf an Arbeitskräften gut abfedern kann. Der Arbeitnehmer muss immer verfügbar sein, die Flexibilität macht weniger frei", sagt Grüninger.

Die Notwendigkeit, am Arbeitsmarkt immer anpassungsfähig und mobil sein zu müssen, schädige soziale Strukturen, warnt Ikrath. Eine langfristige Lebensplanung sei unter diesen Umständen nur schwer möglich. Der Soziologe möchte nicht von einer "verlorenen Generation" sprechen, aber von einer die "extrem unter Druck steht." Im Gegensatz zur Generation ihrer Eltern, die oft noch über Jahrzehnte in einem fixen Arbeitsverhältnis standen, sei heute eine Planung über drei Jahre hinaus selten geworden.

Familienplanung wird aufgeschoben

Die Karriere und die Sicherung des eigenen Einkommens stünden immer länger im Vordergrund. Als Folge wird "die Familienplanung deshalb immer wieder aufgeschoben", sagt Ikrath. An "Familiengründung und Kinderkriegen" denken die meisten erst, wenn sie finanziell unabhängig seien und das trete, wenn überhaupt, erst immer später ein. "Die 25plus-Jährigen sehen sich den Herausforderungen oft nicht mehr gewachsen. Es wird für sie immer schwieriger, eine verantwortete Elternschaft anzutreten", bestätigt auch Grüninger. Weil es immer länger dauert, bis junge Berufseinsteiger eine gefestigte Position im Job haben, würden auch ihre Kinder später geboren. In Österreich beispielsweise bekamen Frauen 2010 ihr erstes Kind im Durchschnitt mit 28,5 Jahre. Vor zwanzig Jahren lag das Durchschnittsalter fast dreieinhalb Jahre niedriger.

Krise ist Alltag

Die teils aussichtslose Lage führe bei vielen Betroffenen zu einer Abstumpfung gegenüber negativen Meldungen. Die diversen Krisen, sei es die Wirtschaftskrise oder die aktuelle Schuldenkrise, wären für die junge Generation der Normalfall. „Wir reagieren mit erstaunlicher Ruhe und Skepsis auf negative Nachrichten", sagt Grüninger. Zu spüren sei außerdem eine neue Form der Eigenverantwortung und Entsolidarisierung: "Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied und jeder ist auf sich alleine gestellt."

Das Vertrauen in ein funktionierendes Sozialsystem ist laut Ikrath "deutlich gesunken". Die Jungen seien ernüchtert. "Sie sind überzeugt, dass es keine Pensionen mehr geben wird und zahlen wenn möglich in private Vorsorgen ein. Sie stellen an das System keine Ansprüche mehr, weil sie enttäuscht wurden." Für ihn stellt sich die Frage was aus der nächsten Generation wird. "Wie wird sie mit diesen Erfahrungen umgehen? Werden sie die Lebenskonzepte wieder umstellen und womöglich zu traditionelleren Werten zurückkehren?"

"Politik hat den Ruf vernommen"

"Sie müssen hinausgehen auf die Straße und die Politik selbst gestalten.", spornt Grüninger die Protestierenden an. "Politik kommt vom Volk. Das muss neu erkannt und wieder erlernt werden." Die friedlichen aber dennoch eindringlichen Proteste in Portugal und Spanien und der Marsch auf Brüssel sind ein deutlicher Appell an die Politik. "Jetzt wo sie ihre Stimme erheben, wird vermutlich auch von politischer Seite mehr auf sie eingegangen werden." Auch in Österreich dürfe die Politik angesichts der niedrigen Arbeitslosenzahlen bei Jugendlichen nicht die Augen vor wachsenden Problemen verschließen.