Erstellt am: 13. 10. 2011 - 16:48 Uhr
WWWer hat's erfunden?
Er hat es ermöglicht, dass ich alles, was ich wissen möchte, jederzeit und in wenigen Sekunden nachschlagen kann, dass ich mit Menschen überall auf der Welt ganz einfach Kontakt halten kann, dass ich mir, wenn ich Lust dazu habe, stundenlang eine Rosa-Keks-Katze, die durchs All fliegt, anschauen kann.
Vor zwanzig Jahren, als Sir Tim Berners-Lee noch kein Sir war und am CERN beschäftigt war, der europäischen Organisation für Kernforschung, erzählte er seinem Vorgesetzten von seiner Idee, wie man Texte miteinander verlinken könne, um leichter auf sie zugreifen zu können. Sein Chef gestattete ihm, dieses Vorhaben als "side project" zu verfolgen. Daraus entwickelte Berners-Lee die Hypertext Markup Language und in weiterer Folge nichts geringeres als das World Wide Web.
HTML, HTTP, URL, WWW - alle diese Kürzel, die mittlerweile Teil unseres Alltags sind, als wären sie sowieso schon immer da gewesen, gehen auf diesen einen Mann zurück.
Im Zuge der Veranstaltungsreihe "future.talk" kam der Erfinder des World Wide Web nach Wien und sprach über Daten, Demokratie und zukünftige Projekte.

EPA
Demokratie und Internet
Die Revolutionäre des Arabischen Frühlings bedienten sich des Internets, um zu mobilisieren. In Ägypten wurde das Internet daraufhin kurzfristig einfach abgeschalten. Die Randalierer der London Riots organisierten sich mithilfe von sozialen Online-Networks, infolge dessen der britische Premier David Cameron Online-Medien strenger kontrollieren und die Netzwerk-Konten verdächtiger User einfach sperren lassen wollte.
Der Zusammenhang zwischen Demokratie und Internet ist eng und wird immer ausgeprägter. In totalitären Staatsregimen wird das Internet als potentielle Gefahr der eigenen Machtstellung wahrgenommen und deswegen reguliert (China) bzw. überhaupt abgelehnt (Nord-Korea). In demokratischen Länder hingegen sieht man das Internet als potentielle Felder für Kriminalität und möchte deswegen regulierend eingreifen.
Für Sir Berners-Lee steht außer Frage, dass jede demokratische Regierung dazu verpflichtet ist, ihrer Bevölkerung freie Meinungsäußerung zu gewähren. Die offene Kommunikationsplattform des Internets sieht Berners-Lee damit als Prüfstein für jede Demokratie. Auf der anderen Seite verpflichte das Recht auf freie Meinungsäußerung und Kommunikation aber auch die Bevölkerung zu einem verantwortungsbewussten Umgang damit.
Anonymität
Verknüpft mit der Diskussion über Meinungs- und Kommunikationsfreiheit ist die Frage rund um Anonymität im Netz. Sir Berners-Lee ist sich der zwei gegensätzlichen Bedürfnisse sehr bewusst. Auf der einen Seite wollen wir frei und anonym unsere Meinung äußern können, auf der anderen Seite wollen wir, wenn jemand uns im Netz verbal angreift, wissen woher da geschossen wird. Sein Lösungsvorschlag wäre, eine Instituion einzurichten, der die Identitäten anvertraut werden und die sie, im Fall eines Missbrauchs, aufdecken darf.
Dass aber die Regierung selbst mithilfe der Internetanbieter User kontrolliert und ausspioniert, dagegen stellt Sir Berners-Lee sich vehement.
Netzneutralität
Der Erfinder des www betont, wie wichtig es sei, dass Internet-Anbieter ihre Richtlinien klar und deutlich veröffentlichen, damit weder Regierungen noch kommerzielle Konzerne darauf Einfluss nehmen können, was ich als User im Internet sehen kann oder was nicht. Netzneutralität, das bedeute: keine Filter, weder politische noch kommerzielle. Aber - das machte Sir Berners-Lee deutlich - Netzneutralität bedeutet nicht "Gleiche Geschwindigkeit für alle." Dass man für mehr Geld eine allgemein schnellere Leitung bekommen kann, dass findet Berners-Lee gut und wichtig für den Wettbewerb.
Wettbewerb
Ebenso wichtig ist der Wettbewerb innerhalb des Internets. Gegner von Konzernen wie facebook oder Google hegen die Befürchtung, dass diese Monopolstellungen im Netz einnehmen könnten. An eine derartige hegemoniale Entwicklung im Web glaubt dessen Erfinder aber nicht, da ständig neue Konzepte und Unternehmen entstünden und jederzeit etwas Neues die anderen Seiten ablösen könnte.
Genau das sei von Anfang an seine Absicht gewesen: einen Raum für Interkreativität zu schaffen, wo das Kollektiv mehr schaffen kann, als das Individuum.
Raw & Open
Was Berners-Lee allerdings an Konzernen wie facebook oder Apple in der Vergangenheit oft kritisiert hat, ist ihre Abgeschlossenheit. Er bezeichnete sie als Data-Silos, die dem Gedanken eines offenen Daten-Netzes entgegenwirken. Um das Potential des Internets ausschöpfen zu können, braucht es vor allem Open Data und Raw Data. 2009 beriet Berners-Lee den damaligen Premier Gordon Brown bei der Open-Data-Initiative der britischen Regierung. Was dabei seiner Ansicht nach wirklich zählt ist, dass die Daten veröffentlicht werden, und zwar nicht in Form von aufwendig gestalteten Homepages, sondern als einfache, rohe Datenbanken. Die User können dann selbst damit machen, was sie wollen. Sie können die Datenbanken durchforsten und Programme entwickeln, um sie zu analysieren. Nicht-personenbezogene staatliche Daten gehören, so Berners-Lee, der Bevölkerung.
Private Wolken
Persönliche Daten wollen wir, aus Angst vor Missbrauch, nicht preisgeben. Darin sieht Sir Berners-Lee noch ungenütztes Potential. Wären nämlich alle unsere Daten miteinander vernetzt, könnte unser Leben dadurch nochmal um einiges erleichtert werden.
Natürlich wollen wir aber nicht die Kontrolle über unsere persönlichen Daten verlieren. Deswegen arbeitet das World Wide Web Consortium daran, dass bald jeder seine "personal cloud" hat. Das kann ein Computer daheim oder im Büro sein, auf den dann eine mobile WebApp zugreift. Sämtliche Daten, Fotos etc. werden dann dort gespeichert, und der User hat selbst die Kontrolle darüber, wer darauf zugreifen kann und was mit seinen Daten passiert.
Schenkt man Sir Tim Berners-Lee Glauben, so werden Daten in Zukunft nicht mehr permanent mit -schutz, -missbrauch und -handel in Verbindung gebracht, sondern ein verantwortungsvollerer und sensibler Umgang wird sich durchsetzen. Um das vorstellbar zu machen brachte Sir Berners-Lee als Beispiel ein Einstellungsgespräch, bei dem zwar auch das Alter, das Geschlecht und die Herkunft eines Bewerbers als Information verfügbar sind, aber nicht berücksichtigt werden dürfen. Ähnlich stellt er sich das in Hinkunft mit Daten aus dem Netz vor. In einem Formular kann man dann ankreuzen, ob der Arbeitgeber Social Network-Seiten miteinbeziehen soll oder nicht.
Das klingt jetzt zwar nach Utopie, aber für diesen Vorgesetzten damals beim CERN klang das World Wide Web bestimmt um nichts realistischer.