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Christian Pausch

Irrsinn, Island, Ingwer.

10. 10. 2011 - 19:05

Traumland?

In seinem Sachbuch fragt Andri Snær Magnason, was nach der Krise von seiner Heimat Island geblieben ist und zieht am Beispiel der kleinen Insel globale Schlüsse.

traumland island

Orange Press

Andri Snær Magnason "Traumland", aus dem Englischen von Stefanie Fahrner, erschienen bei Orange Press.

Es gab eine Zeit, in der die Menschen sich davor fürchteten, dass die Maschinen ihnen ihre Jobs wegnehmen und sie arbeitslos machen würden. Manche versprachen sich davon ein Leben voller Freizeit, denn die Maschinen würden ihnen schließlich die Arbeit im Haus, im Stall, auf dem Feld und beim Fischfang abnehmen. Doch es war seltsam: Der technologische Fortschritt brachte keine zufriedenen Arbeitslosen hervor, die den ganzen Tag im Bett lagen, während die Rohre das Wasser transportierten und die Heizung wärmte und die Fischfangmaschine den Fang einsammelte und an Land brachte. Als die Arbeitslosenquote drei Prozent überschritt, schrien die Zeitungen in balkendicken Horrorüberschriften: "REZESSION! KRISE!"

Was bleibt, wenn alles verkauft ist

Island dient in Andri Snær Magnasons Buch "Traumland" als Miniaturausgabe unserer Welt. Akribisch und dennoch in einfachen Worten zeichnet Magnason uns die Welt auf, wie sie heute ist und (nicht) funktioniert. Das alles bringt er in Bezug auf seine Heimat im Nordatlantik. Seit die Aluminiumfabriken das Landschaftsbild Islands dominieren, wird dort ein unausweichlicher Kampf gefochten: Naturschützer, die das nördliche Traumland und den paradiesischen Inselzustand erhalten wollen, gegen Wirtschafter, die zwar Arbeitsplätze schaffen, aber große Teile der Insel ausbeuten und zerstören.

Westmann Islands Landscape with Horse

Johnny Bliss, 2010

Die Gesamtkosten der weiterführenden Schulbildung in unserem Land liegen bei 125 Millionen Dolar pro Jahr. Die Gesamtkosten für alle Studenten auf Universitätsniveau betragen etwas über 75 Millionen. Für die nächsten vier Jahre wurde beschlossen, 750 Millionen Dollar für neue Straßenbeläge auszugeben. Wir finden Asphalt auch ganz toll, auf jeden Fall. Aber eigentlich ist es klüger, das Ziel zu kennen, bevor man die Bulldozer und Dampfwalzen anrollen lässt.

Island ist überall

Christian Pausch

Andri Snær Magnason, als Vertreter einer visionären Ökologie-Bewegung, zeigt uns mit "Traumland" das gesamte Ausmaß eines technokratischen Alptraums. Wir alle werden manipuliert, auch von isländischen Tourismus-Brochüren, die mit "grüner Energie" werben und verheimlichen, welch ausbeutende Industrie dahinter steckt. Auch Magnason hat nicht alle Antworten, doch daraus macht er keinen Hehl. Er gibt sich als einer von uns und erklärt uns das ganze auch so, dass man langsam zu verstehen beginnt, was vielleicht alles falsch läuft, auch hier in Österreich.

Das Vorwort des (übrigens auch verfilmten) Buches hat keine geringere als Björk höchstpersönlich verfasst, und sie schließt mit dem Satz: "Ich glaube, es handelt sich um ein globales Problem, und unsere Generation wird Lösungen dafür finden. Dieses Buch ist eine dieser Lösungen."

Island auf der Frankfurter Buchmesse

Island ist nicht länger nur Touristentraum mit Geysiren und Elfen, sondern nun auch für Staatsbankrott und Naturzerstörung bekannt. Die Frankfurter Buchmesse begrüßt den Staat, der zwischen diesen beiden Extremen baumelt und sich im wirtschaftlichen Wiederaufbau befindet, dieser Tage als Ehrengast.