Erstellt am: 8. 10. 2011 - 20:37 Uhr
Fußball-Journal '11-111.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit einer Aufarbeitung des Selbstdemontage von Österreichs Trainer-Kaste, die gestern nach dem Azerbaijan-Länderspiel live auf ORF Sport Plus abgegangen ist - hier in einer Rückschau von Christoph Luke auf sportnet.at, da eine Analyse auf abseits.at.
Siehe dazu auch:
Fußball-Journal '11-109. Die Leiden des Andreas H..
Fußball-Journal '11-108. Vermutungen zur populistischen Volksfront gegen den neuen Teamchef.
Fußball-Journal '11-104. Die Ruttensteiner-Standards.
Fußball-Journal '11-97. Ein neuer ÖFB-Teamchef allein nützt überhaupt nichts.
Fußball-Journal '11-91. Taktische Fehlleistungen. Damit das, was manch Trainer für "Ganz was Neues" hält, zu einer selbstverständlichen Gewohnheit wird.
Fußball-Journal '11-73. Die Schwäche der heimischen Trainer ist nicht bloß ein Teil, sondern der zentrale Kern des Problems.
Und die ungemein kurze Liste österreichischer Coaches im Ausland.
Gestern abend wurde das, was bislang inoffiziell und hinter den Kulissen verhandelt wurde, öffentlich: Österreichs Trainer-Kaste ging in die Offensive, schoß sich ins Knie und schaffte sich ab.
Auslöser: die Bestellung eines ÖFB-Teamchefs abseits der hiesigen Seilschaften und die Ankündigung des ÖFB sich mit einer neuen Struktur von den hiesigen Coaches unabhängig zu machen.
Hintergrund: das flächendeckende Versagen dieser Gilde aus ehemaligen Nationalspielern auf nationaler Ebene und ihre internationale Unverkäuflichkeit.
In einer langen TV-Diskussion direkt nach dem gestrigen Länderspiel setzten die Exponenten dieser Seilschaften, die (zurecht) ihre Felle davonschwimmen sehen, zur Attacke an.
Die aktuell als Medien-Kommentatoren tätigen Lobbyisten Herbert Prohaska und Frenk Schinkels sowie diesmal auch KSV-Coach Werner Gregoritsch agierten als Wortführer, Anton Polster, der nicht gesichert mit allen Sinnen anwesend war, assistierte.
Dabei exponierten sich die Sprecher des Freundeskreises von Ex-Nationalspielern und nunmehrigen Experten/Coaches massiv; und zeichneten sich (wie auch in ihren Jobs) als taktisch mangelgebildet.
Taktisch unklug exponierter Lobbyismus
Es mag für Freundeskreis-Sprecher und Lobbyisten angehen Drohungen und Forderungen, die an strukturelle Korruption gemahnen, inoffiziell auszusprechen. Dies in aller Öffentlichkeit anzusprechen zeugt von wenig Klugheit.
Das wiederum hat damit zu tun, dass Lobbyisten wie Herbert Prohaska ja wirklich glauben verbriefte Rechte, wie man sie in Monarchien, Diktaturen oder Oligarchien vergibt, zu besitzen.
Das ist nicht nur realitätsfremd.
Das ist nicht nur absurd.
Das ist eine schon angsteinflößend pathologische Fehlleistung.
Konkret zeigte sich das als Prohaska ungefragt für seine unterbeschäftigten Haberer Ogris und Baumeister (bessere) Jobs forderte, mit der Begründung ihrer Qualitäten als Spieler.
Nun ist wohl jedem, der die beiden angesprochenen schon einmal erlebt hat, klar, warum niemand diese beiden hervorragenden Ex-Kicker auf sein Team loslassen würde.
Der kapitale Irrglaube an die Erbhof-Tradition
Fataler ist aber das Prinzip hinter der Prohaska-Forderung: der Ex-Teamchef geht davon aus, dass die Klasse als Spieler auch die Klasse als Trainer vordefiniert.
Das ist kapitaler Humbug.
Die Qualität der neuen Trainer-Generation folgt gänzlich anderen Kriterien.
Das jedoch kann und will die alte Trainer-Kaste, die hiesigige IG der regionalen Seilschaften, zu denen genauso auch recht junge, Anfang30er mit altbackenen Einstellungen gehören, nicht akzeptieren.
Denn diese neue Trainer-Generation legt Wert auf Welten, die Prohaska und Co ablehnen: die Wissenschaft, die Sportmedizin, die Sportpsychologie, Taktik&Strategie und digitale Medien.
Dieser neue Typus wird im übrigen von Marcel Koller aufs Trefflichste repräsentiert.
Deshalb ist der das übergroße Feindbild. Und natürlich der der ihn holt und damit die Tür für die modernen nach internationalen Maßstäben denkenden Coaches öffnet.
Erbitterter Abwehrkampf gegen das neue Feindbild
Das ist der mittelfristige Todesstoß für die heimische Lobby.
Deshalb ihr erbitterter Abwehrkampf, der unterhalb jeder Gürtellinie stattfindet.
Und deshalb kommen plötzlich die dümmsten, die populistischen Argumente aus den Untiefen einer gefühlten Erb-Monarchie.
Prohaska, Schinkels und die anderen Stammtisch-Kicker glauben allen Ernstes, dass der Trainerjob per se eine nachträgliche Belohnung für Verdienste als Spieler wäre.
Diese totale Geistesverirrung war die armseligste Facette in der an argumentativer und inhaltlicher Armseligkeit nicht zu überbietenden TV-Runde.
Eine solche Erbhof-Politik enthebt sich die hiesige Trainer-Garde nämlich ganz von selber jeglichen Anspruchs auf Beschäftigung.
Pathologischer Populismus als Eingeständnis des Versagens
Dazu kommt die von Werner Gregoritsch mit pathologischer Beharrlichkeit gesetzte Selbstaufgabe: der Kapfenberger Trainer schob die Schuld an den schwachen Leistungen des heimischen Fußballs - wie so oft, wie so viele Populisten - auf die schlechter werdende körperliche Verfassung der Jugend.
Die ist ein Fakt - hat aber wiederum mit dem Training im Spitzensport/Profi-Bereich rein gar nichts zu tun. Das Gregoritsch-Lamento, dass Trainer wie er "der heutigen Jugend" nichts beibringen könnten, weil die körperlich deformiert und durch die Computerspiele sonstwie verblödet wären, widerspricht nicht nur allen internationalen Erkenntnissen - es ist auch die Bankrotterklärung der aktuell herrschenden Trainer-Kaste.
Denn sie ist es, die das, was anderswo, sicher unter erschwerten Umständen doch auch klappt, nicht schafft.
Würden andere (Ärzte, Lehrer, Juristen) sich aus dieser Pflicht rausnehmen und den Patienten für unheilbar erklären, wäre ihnen das Unverständnis gewiss. Die heimische Trainer-Gilde fordert für das Eingeständnis ihres Versagens auch noch Applaus ein.
Wie man sich selber die Grundlagen für den Trainerjob entzieht
Selbst Roman Mählich, der noch ansatzweise moderner denkendste in der Runde, konnte sich dann seine "Früher war alles besser!"-Wutrede nicht verkneifen. Nur weil etwas, was ihm früher wichtig war, von der heutigen Spielergeneration nicht mehr geachtet wird.
Allein diese Herangehensweise zeigt das pädagogische und diktaktische Vollversagen der Seilschaften auf: nataürlich finden die Jungen das, was die Alten (die Lehrer) toll und wichtig fanden, blöd. Immer - und zurecht. Eltern, die urgut wissen, was den Halbwüchsigen guttut - geschenkt.
Lehrer, Trainer, Coaches, Menschen, die Junge ausbilden sollen, Leute, die auf jugendliche Schutzbefohlene losgelassen werden, brauchen eben die entsprechende Ausbildung um das abzuchecken, um die neue Welt schnell zu kapieren und die neue Methodik anwenden zu können.
Die Klopps und Mourinhos wissen und können das.
Die Prohaskas, Schinkels, Gregoritschs und auch Mählichs eben nicht. Von den Ogrissen und Polstern erst gar nicht anzufangen.
Die haben sich mit dem massiven Einbetonieren ihrer vorsintflutlichen Standpunkte in dieser öffentlichen Debatte von gestern keinen Gefallen getan.
Sie haben sich bis auf die Knochen blamiert.
Sie haben sich und ihresgleichen bis in alle Ewigkeit als ungeeignet für Trainerjobs mit zeitgemäßen Absprüchen gemacht.
Sie haben sich letztlich selber abgeschafft.