Erstellt am: 7. 10. 2011 - 11:27 Uhr
Love hurts
Wenn ihr mich fragt, ist es ja so eine Sache mit dem Genre Romantic Comedy. Einerseits firmieren unter diesem Überbegriff in bestimmten Abständen die besten Filme der Welt, ich sage jetzt nur "Bridesmaids", in dem sowohl das romantische als auch das komödiantische Element auf unglaublich vitale Weise auf die Spitze getrieben wird. Oder zuletzt Mike Mills' Meisterwerk "Beginners", ein Streifen, der Leben, Liebe und Tod unendlich ernst nimmt und trotzdem vollgepackt mit Humor ist.
Auf der anderen Seite stehen solchen Ausnahmen von Regisseuren, die es auf die Erweiterung und Unterwanderung der Genregrenzen anlegen, in letzter Zeit etliche Mogelpackungen gegenüber. Filme, die an der Oberfläche so tun, als ob sie Konventionen brechen, nur um dann wieder sämtliche üblichen Vorurteile auf schmalzige Weise zu bestätigen.
Der im Sommer gestartete "Crazy Stupid Love" entpuppt sich hier als perfektes Beispiel: Trotz Sympathieträgern wie Ryan Gosling, Julianne Moore oder Emma Stone und einigen wirklich witzigen Passagen und bösen Pointen, bleiben am Ende nur schale RomCom-Klischees übrig. "A Little Bit Of Heaven", von den deutschen Verleihern sehr frei als "Kein Mittel gegen Liebe übersetzt", gibt nun erst gar nicht vor, auf zuckersüße Hollywood-Soße verzichten zu wollen.
Senator Film
Grinsend, energiegeladen, locker: Die Mitte dreißigjährige Marley (Kate Hudson) ist eine dieser erfolgreichen Singlefrauen wie aus dem Seiten eines einschlägigen Lifestyle-Magazins entsprungen. Auf der einen Seite meistert sie ihre Karriere in einer Werbeagentur mit links, auf der anderen Seite genießt sie ein unbeschwertes Sexleben. Ein emotionales Vakuum empfindet Marley dabei nur in Ansätzen.
Der mahnende Drehbuch-Zeigefinger naht in Form eines ärzlichen Befundes. Die lustige Werberin erfährt, dass sie Darmkrebs hat. Und scheinbar sind alle Heilungsversuche zwecklos. Weil wir uns im RomCom-Land befinden, muss Marley vor ihrem Tod aber noch ihre ganz große Liebe kennenlernen, die in Gestalt des behandelnden jungen Arztes Dr. Goldstein naht. Nur eine kurze Zeit bleibt dem jungen Paar für innige Umarmungen und intensive Annäherungen.
Senator Film
Wer auf Grund der Story eine Mischung aus picksüßem Kitsch und rührseliger Betroffenheit befürchtet, liegt durchaus richtig. Whoopi Goldberg als Gott persönlich, Gael Garcia Bernal als extrem farbloser Liebhaber und ein ausgesprochen schwülstiger Loungejazz-Soundtrack kommen noch erschwerend hinzu, auch bei der mehrfachen Chemotherapie bleibt die füllige Lockenpracht der Protagonistin erhalten.
Eine pure Katastrophe also? Ganz unzynisch gesprochen befindet sich unter der zuckersüßen Hollywood-Soße ein Kern, der tatsächlich manchmal berührt. Das liegt aber einzig an der charmanten Kate Hudson, die ihre schwierige Hauptrolle der sterbenskranken Karrierefrau passabel meistert. Oder war bloß meine marode Befindlichkeit, am Tag der Pressevorführung, die mich manchmal seufzen ließ.
Senator Film
Diametral verschieden zu dieser leichten Komödienkost, die dennoch schwere Themen behandelt, ist eine italienische Bestsellerverfilmung, die auch dieser Tage anläuft. "La solitudine dei numeri primi", auf deutsch "Die Einsamkeit der Primzahlen", erzählt nach dem gleichnamigen Roman von Paolo Giordano von zwei Menschen, zwei Familien, zwei Schicksalen.
Es ist ein Liebesdrama der vorsichtigen Berührungen, der Blicke, die im Vorbeigehen ausgetauscht werden. Als sich Alice (Alba Rohrwacher) und Mattia (Luca Marinelli) zufällig in der Schule in die Augen sehen, passiert etwas. Eine Verbindung ist spürbar, ein vages Gefühl. Die beiden Jugendlichen sind Außenseiter in ihren Klassen, sensible Sonderlinge mit blassen Gesichtern und heftig angeknacksten Seelen.
Polyfilm
Aus der Bahn geworfen wurden Alice und Mattia bereits in der Kindheit, beide sind durch Tragödien gezeichnet, die sie nie überwunden haben. Als sie sich erstmals von ihrer existentiellen Einsamkeit erzählen, spüren die zwei Teenager plötzlich eine magische Anziehung füreinander. Aber bei aller Seelenverwandschaft lassen sie doch keine wirkliche Nähe zu.
Ich habe Paolo Giordanos Buch nie gelesen, aber anscheinend gelang ihm etwas Wunderliches: Ein massenkompatibler Weltbestseller, der von fragilen Randexistenzen erzählt. Regisseur Saverio Costanzo verzichtet glücklicherweise auf eine gefällige, allzu glatte Umsetzung. Seine Verfilmung betört zwar mit hochgradig poetischen Bildern. Aber die Figuren bleiben zurückhaltend und sperrig, eine simple Erlösung hält "Die Einsamkeit der Primzahlen" nicht bereit.
Nicht nur die faszinierende Kamera erinnert an große Melodramen und abgründige Giallo-Thriller der siebziger und achtziger Jahre. Mit pulsierenden Synthesizern und gespenstischen Songzitaten gelingt dem Ausnahmemusiker Mike Patton ein großartiger Soundtrack. Ein Film als hypnotische Versuchsanordnung über die Macht und Ohnmacht der Liebe, eine wirkliche Empfehlung.
Polyfilm