Erstellt am: 6. 10. 2011 - 18:58 Uhr

Fußball-Journal '11-109.

Die Live-Begleitung des EM-Qualifikationsspiels der ÖFB-U21 gegen die Junioren der Niederlande.

Dass Andreas Herzog abgelenkt war in den letzten Wochen ist einerseits irgendwie verständlich.

Wurde er doch von den Nativisten der hiesigen Fußball-Lobbies als Kronprinz auf das imaginäre Forderungsschild der "Österreicher zuerst!"-Bewegung gehoben.

Das ist ein Küngel aus Boulevard-Medien und Ex-Nationalspielern, die sich über ein System gegenseitiger Dankbar- und Abhängigkeit Macht und Einfluss für die nächsten Jahrzehnte sichern will und sich dabei der Methodik der Rechtspopulisten (Heimat, Scholle, Herkunft als sichere Werte gegen jegliche inhaltliche Blutauffrischung und "das Fremde") bedient.

Dass Herzog, der weder auf ein Traineramt außerhalb des ÖFB noch (gottbehüt!) auf Auslandserfahrung verweisen kann, überhaupt kein seriöser Kandidat für den Teamchef-Job sein kann, geht in der realitätsfremden Hysterie dieser Campaign natürlich unter. Schlimm ist allerdings das komplett groteske Selbstverständnis. Vielleicht schafft es der Nachwuchs-Coach aber über die anstehende EM-Quali seiner U21, wieder in die Realität zurückzufinden.

Etwa mit einer guten Vorbereitung, einer sinnvollen Aufstellung und einer guten Taktik gegen einen höllisch schweren Gegner, der da heute am Innsbrucker Tivoli auf die heimische U21 wartet: die Niederlande.

Der Gegner: Holland

Ja, sie spielen mit Nacer Barazite.
Und, ja, auch die sie müssen auf drei hochgeholte Stars verzichten. Auf echte Newcomer: Wijnaldum, Strootman und Luuk de Jong. Dazu fehlt Bruma, Castaignos von Inter spielt auch nicht.

Die Niederlande spielen mit Zoet (1) im Tor.
In der Abwehr rechts Kappelhof (2), De Vrij (3) und Kapitän Nuytinck (4) zentral, Van Aanholt (5) links.
Im Mittelfeld sind Leerdam (6) und Fer (8) versetzt hinter Van Ginkel (10). Vorne rechts Narsingh (7), zentral wohl der Austrianer Barazite (9) und links Cabral (11).

Bank: Marco Bizot (16) fürs Tor, Jeffrey Gouweleeuw (12), Daley Blind (13, der Sohn!), Rick van Haaren (14), Leandro Bacuna (15), Alex Schalk (17) und Steven Berghuis (18).
Es fehlen Ramsteijn, Evers, Clasie, Kieftenbeld, John und vor allem Zeefuik.

Die ÖFB-Junioren:

Die sind ohne Royer, Alaba und Dragovic da, also ebenso durchs A-Team geschwächt.
Im Tor spielt Heinz Lindner (1), die Abwehrzentale bilden die Admiraner Windbichler (4) und Kapitän Dibon (17), außen verteidigen Hart (12) rechts und Dilaver (3) links
Im Mittelfeld defensiv Schwab (15), davor Hierländer (7) wohl halbrechts, Holzhauser (8) zentral und linksaußen Christopher Drazan (19). Wohl eine rechte Spitze wird Weimann (9) geben, dazu im Sturmzentrum Alar (10).
Wie das genau aussieht, wird man ab dem Anstoß sehen.

Die Bank: Radlinger (21) fürs Tor. Schimpelsberger (5) für die Abwehr, Thomas Hopfer (6) fürs defensive Mittefeld. Klem (18) und Schütz (20) für die Flanken, Elsneg (11) für die Mittelfeld-Zentrale, Tadic (14) für die Spitze.

Das Schiri-Team kommt aus Norwegen.
Die Holländer spielen in weiß-blau, die Österreicher in rot-schwarz.

Anpfiff um 19.01

Tatsächlich spielt Stefan Schwab weiter vorne als beim Verein, dafür sollen Holzhauser und Hierländer die Mittelfeld-Zentrale bilden. Hm. Vom Können her wäre das umgekehrt sinnvoller.

Die Holländer spielen tatsächlich ihr klassisches 4-3-3.
Genau sowas strebt der neustrukturierte ÖFB hoffentlich an - eine halbwegs einheitliche Ausbildung auf ein klar erkennbares System innerhalb einer diversifizierten Ausbildung - denn natürlich können die Holländer alle auch anders, die stellen schnell auf 3-4-3 um, können auch ein offensives 4-4-2 und anderes mehr.

Barazite muss im Sturm-Zentrum spielen - nicht ganz seines. Aber Teamchef Cor Pot setzt wohl darauf, dass sein Legionär die Österreicher gut kennt.

Prompt fällt das 1:0 - durch Barazite

Der hebt einen Ball, den Leroy Fer (von Twente) ungehindert durchs Mittelfeld getragen hat, von der Strafraumgrenze aus ins Kreuzeck. Bumm!
Keine Schuldzuweisung an Tormann oder Verteidiger - die waren nah dran, aber Barazites Technik und seine Fähigkeit den Ball abzudecken war schlicht zu gut.

Wie steht, verschiebt, agiert die ÖFB-Auswahl?

Hierländer ist jetzt der einzige in der Mittelfeld-Zentrale, Holzhauser ist vorgegangen. Schwab seh ich nicht, der tummelt sich in der Zehner-Position (Wieso? Ist er nicht. Spielt er bei der Admira nicht...) und bekommt keinen Ball.
Vorne versucht sich ein Dreier-Sturm.

Herzog hat also die Idee gehabt dem holländischen 4-3-3 mit einem österreichischen 4-3-3 zu begegnen. Vielleicht um die starken Außenverteidiger (Van Aanholt von Wigan links soll so einer sein) zu binden.

Allerdings bekommt man mit einem entgegen des Könnens aufgestellten Dreier-Mittelfeld dort unter Garantie keine Feld/Ballbesitz-Hoheit zusammen.

Holzhauser bekommt in der 14. Minute schon die letzte Verwarnung. Kein Wunder: der Gestalter ist kein Sechser, als den ihn Herzog da ins kalte Wasser wirft.

In der 15. Minute fängt sich Florian Hart eine gelbe Karte, bei fast schon einer Notbremse. Die linke Seite der Holländer (eben Van Aanholt und Jerson Cabral von Feyenoord) macht feste Druck.

Flügel-Probleme, Flügelspiele

Hart ist eh noch eine der Ausnahmen - aber die österreichische Krankheit, sich um die in den letzten Jahren wichtiger gewordenen Positionen im modernen Spiel einfach nicht entsprechend zu kümmern (neben den Sechsern sind das die Außenverteidiger, die neuen Spieleröffner), grassiert auch beim ÖFB, nicht nur bei den Vereinen.
Den offensiv denkenden Klem links zu bringen hat sich Herzog nicht getraut - dort spielt Dilaver, eigentlich ein Sechser.

Schwab sieht nur dann Land, wenn er an die (eh überbesetzten) Flanken wechselt. Dabei liegt das Problem deutlich in der Zentrale.

Ja, die Seiten: In der 22. Minute hat Hart nach Assist von Weimann (also die bislang hartgeprüfte rechte ÖFB-Seite) die erste echte Tor-Chance. Danach gibts noch ein Getümmel und einen geblockten Drazan-Schuss. Tormann Jeroen Zoet (spielt bei Waalwijk, gehört aber dem PSV) sieht nicht so gut aus.

Warum Stefan Hierländer, eigentlich rechter Mittelfeldspieler, bei Ricardo Moniz auch schon ein paarmal rechter Verteidiger, hier und heute den Sechser spielen muss (noch dazu, wo mit Dilaver, Hopfer und Schwab eh drei echte im Kader stehen) kann ich nicht nachvollziehen.

Heillose Fehlbesetzung im Mittelfeld

Mittlerweile ist auch Holzhauser wieder in die Zentrale zurückbeordert - die ÖFB-Junioren spielen eine lupenreine Kopie der Holländer, ein 4-3-3 mit einem echten Zehner und zwei Flügeln. Die (Drazan und Weimann) funktionieren gut, die Aufteilung im Mittelfeld hingegen gar nicht. Denn dort sind alle drei (Hierländer, Holzhauser, Schwab) gezwungen, auf Positionen zu spielen, die sie nicht beherrschen.
Schwab spielt die Bälle vorne in der Offensivzentrale so, wie er es als Sechser gewohnt ist - zu vorsichtig. Der vom holländischen Teamchef Pot gefürchtete Holzhauser hingegen kriegt gar keine Möglichkeit seine Passgefahr auszuspielen. Weia.

Dass dann bis zur dann auch noch zu tief stehenden Abwehr alle offensiv Orientierten brav neben ihrem Gegenspieler dahertraben, kaum gedoppelt und somit auch kaum ein Ball gewonnen wird, trägt zur Passivität des österreichischen Spiels bei.

In solchen Momenten bin ich heilfroh, dass der Wiener Klüngel es nicht geschafft hat Andreas Herzog als Teamchef zu installieren. Man stelle sich einen derartigen Aufstellungs-Wirrwarr beim A-Team vor...

Gegenüber Cor Pot ist übrigens 60, ein hocherfahrener Profi und erfolgreicher Assistenz-Trainer. Also keiner, der geil auf Job-Angebote und Nebengeschäfte ist...

31. Minute: toller Cross von Andreas Weimann (zuletzt wieder bei Aston Villa in der Premier League im Einsatz) nach Hart-Assist und Alar verköpft knapp. Und in der 38. Minute rettet Zoet bei einem Kopfball von Schwab (schau!), nach einem Cross von Drazan.

Wer glaubt dass diese (über die Seiten kreierten) Chancen bedeuten würden, dass Österreich das Match im Griff hat, irrt. Die Jong Oranje hat nur einen Gang zurückgeschaltet, spart Kräfte, kann aber, das merkt man in jeder Situation, jederzeit wieder zulegen. Das sagt auch die Ballbesitz-Statistik (40-60%).

Halbzeit: 0 zu 1, mit Recht

Ein Riesenloch in der Mittelfeld-Zentrale, eine verdaddelte Aufstellung, alle Konzentration auf die Seiten.
Oder: Der Versuch die Holländer mit den Vorzügen ihres eigenen 4-3-3 zu konfrontieren.

Immerhin hat Nebenerwerbs-Co-Trainer Michael Baur in der ORF-Halbzeit-Analyse die Überlegenheit der Holländer erkannt, er zieht das ÖFB-Selbstbewusstsein aus den Chancen. Gut, er erkennt auch die Gründe, warum man sich mit Fortdauer des Spiels besser an die Flügelzange der Holländer eingestellt hat. Dann lobt Baur Hart - beide sind ja hauptamtlich beim LASK.
Nur so weitermachen, sagt Baur, dann fällt vielleicht auch ein Tor. Rausgehen und das Spiel spielen. Alles also wie gehabt bei den Ex-Teamspielern. Phrasen dreschen anstatt Defizite erkennen und etwas zu unternehmen. Gruselig.

20:02 - Anpfiff zur 2. Halbzeit

Alles klar: Ich werde davon informiert, dass der Trainer der "Unsrigen" sicher das Richtige gesagt und unternommen hat, und davon, dass die tolle spielerische Leistung auch keine Umstellung nötig gemacht hat. Na dann ist ja alles super!

47.: Gelbe Karte für Stefan De Vrij (Feyenoord), der den durchbrechenden Hierländer auflaufen lässt. Weist das auf eine Umstellung der Aufgaben-Verteilung im Mittelfeld hin?
Nein: Schwab gibt eine hängende Spitze (!), Holzhauser steht hinten herum. Hierländer darf etwas mehr nach vorne machen - guter Schuss in der 49. Minute.

2900 Besucher, das ist anständig, vor allem wenn man sich die letzten Zahlen von Wacker Innsbruck ansieht. Das Tiroler Publikum ist schnell beleidigt, reagiert leicht verschnupft und straft gerne ab. Noch dazu tritt das Team ohne Tiroler an, die die TT großschreiben hätte können. Insofern ist dieser Besuch achtbar; ohne Michael Baur zieht derart.

Unherausgespieltes Chancen-Übergewicht

51. Michael Schimpelsberger (5) löst Florian Hart (12) als Rechtsverteidger ab, weil der eventuell rotgefährdet war.

55. Minute: Riesenszene nach einem Freistoß-Cross: Alar erwischt den Rebound und ballert los, Tormann Zost direkt auf die ausgefahrene Hand. Beim nachfolgenden Corner droht auch Kopfball-Gefahr.

Interessanterweise kommen diese Szenen eher aus Kontern denn aus aktiven Angriffen zustande. Denn es sind weiter die Niederländer, die den Ball besitzen und das Spiel zu gestalten versuchen. Es gelingt ihnen aktuell allerdings nicht.

Österreichs Chancen entstehen letztlich aus Rebounds nach Weitschüssen oder Standards, also aus Abwehrfehlern der Holländer; herausgespielt sind sie, zumindest in der 2. Halbzeit, nicht.

Und dann Fehler, Elfer und die Rote Karte

61. Minute: Ein Abschlag aus der Abwehr, weiter Ball, De Vrij lässt Weimann durchlaufen, Tormann Zoet kommt zu spät, rempelt Weimann nieder und verhindert so das sichere Tor des allein Durchlaufenden,

Marco Bizot (16, spielt bei Cambuur, gehört aber Ajax) kommt für den agilen Cabral (11) und ersetzt den ausgeschlossenen Goalie.

Hiolhausers erster Offensivball wird der Elfer sein. Und weil er bisher nicht im Spiel war, und weil er bisher nicht passen und schießen durfte, entgegen seiner Natur, entgegen seines Könnens, schießt er schwach flach links, genau dorthin wo Bizot hintaucht.
63. Minute, kein Tor.
Aufregung und Hektik prägen die nächsten Minuten der Österreicher. Die Holländer versuchen alles, um wieder ins Spiel zu kommen und zu beruhigen.

Zudem werden die Karten nach dem Ausschluss jetzt neu gemischt, Cabrak will be missed.

66.Minute: Stürmer Dario Tadic (14) kommt statt Verteidiger Windbichler (4). Holla, die Waldfee! -> Umstellung auf ein 3-3-4? Oder wie?

Österreichs U21, brandneu ab der 67. Minute:

Tatsächlich bleibt nur noch eine Dreier-Abwehr hinten: Schimpl rechts, Dibon zentral, Dilaver links.
Davor eine Mittelfeld-Zentrale mit Hierländer und Holzhauser, davor Schwab als nichtstechender Joker. Rechts Weinmann, links Drazan, in der Spitze Tadic neben Alar.
Ja, das ist ein 3-3-4, echt!

Gelbe Karte nach Foulspiel für Hierländer, der fällt daher für die Schottland-Reise aus.
In der 70. zieht ein schneller Konter eine, sogar zwei Top-Chancen nach sich. Die Oranjes wanken.

Die haben auf ein 4-3-2 umgestellt, Flügel Narsingh spielt jetzt einfach neben Barazite echte Spitze vor dem Dreier-Mittelfeld. Ihr Spiel besteht jetzt allerdings nur noch darin, den Ball zu halten und so wenig wie möglich zuzulassen.

In der 75. Minute schießt Christopher Drazan, den Peter Pacult nach seinem Vater Fritz getauft hat, was alle anderen Mitglieder des Ex-Teamspieler-Klüngels natürlich feixend übernehmen, an die Außenstange.

Umstellungen in der Schlußphase

Doppeltausch bei Holland: die Doppelspitze geht, Alex Schalk (17), ein Stürmer, und Leandro Bacuna (15), ein offensiver Mittelfeldspieler, kommen. Für Barazite (9) und Narsingh (7).

Das führt zu einem 4-4-1, mit Schalk neben Van Gimpel im offensiveren Bereich und Bacuna vornedrin. Die defensiv orientierten Leerdam und Fer besetzen jetzt die Flanken.

In der 79. wechselt Herzog Dieter Elsneg (11), also eine echte hängende Spitze für Stefan Schwab (15), die vergebliche hängende Spitze ein. Sehr späte Richtigstellung einer verpatzten Personalie.
Systemtechnisch bleibt das ein 3-3-4.

Da auch Dibon jetzt nach vorne will, muss Holzhauser eine Art Libero spielen - lächerlich...
Das Anrennen der Österreicher sieht gefällig aus, hat aber etwas sehr Unstruktueriertes. Erinnert mich an unerfahrene afrikanische Teams aus den 80ern und 90ern...

In der 84. hat Bacuna eine Topchance auf die Entscheidung -Hein Lindner rettet glänzend.

Ojeh, das Gerede vom "Pech", ich hör es schon trapsen...

Ich kann das nämlich nicht erkennen: schwache Strategie, schlechte Aufgaben-Verteilung im Mittelfeld, zuviel Konzentration auf die Flanken, zuviel Zufälligkeit in der Offensive, kaum herausgespielte Chancen, eher Rebounds, Standards und Zufallsszenen.

Wie gesagt: das sieht aus wie ein Auftritt einer jungen afrikanischen Mannschaft in den 90ern. Viel Talent, dem die Leitung, der Plan, die Strategie, der Matchplan fehlt.

In der 94. Minute rettet dann auch noch Drazan gegen einen Solo-Konter von Patrick Van Aanholt.
Mehr geht sich nicht aus.
Und das ist auch völlig gerechtfertigt.

Unvermögen ist kein Pech, nur typisch österreichisch

Und zwar das Unvermögen aus guter Substanz, aus Jungs mit echtem Potential das Mögliche rauszuholen.
Wer nichts reinsteckt, wer sich vertut, die Fehler auf dem Platz dann nicht ausbessert, wer seine Schutzbefohlenen immer wieder ineffektiv anrennen lässt, wer sich allzusehr von Flausen auf einen Job außer seriöser Reichweite hat ablenken lassen, der verdient nicht mehr.
Dieses Match hat auch und vor allem die Bank verloren.

Im übrigen war das "klare Foul" des niederländischen Tormanns an Weimann eine zarte Berührung, die Weimann nicht wirklich aufhalten hätte müssen. Das sieht man jetzt in der Wiederholung schon. Anstatt durchzustoßen lässt er sich fallen, um Elfmeter und Karte zu ziehen. Verzockt.

Das Auswärtsspiel in Schottland wird zeigen, ob es auch anders geht.

PS: anderntags gibts hier eine interessante Analyse von ballverliebt.eu.