Erstellt am: 5. 10. 2011 - 21:36 Uhr
Fußball-Journal '11-108.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet wie 2010 auch 2011 wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit einer direkten Fortsetzung des gestrigen Journals Diese Schweizer immer, und sie dann auch noch als Vorbild hinstellen! Vermutungen zu Marcel Koller, zur aktuellen ÖFB-Teamchef-Bestellung.
Siehe dazu auch: Die Schwäche der heimischen Trainer ist nicht bloß ein Teil, sondern der zentrale Kern des Problems.
Eigentlich wäre es dringend nötig, sich heute mit der verblüffenden Entscheidung, die mit dem Bosman-Urteil vergleichbare, weitreichende Konsequenzen für den Fußball, überhaupt den Sport und seine Rechte-Verwertung, also auch für die großen Medienhäuser hat, zu beschäftigen.
Geht sich nicht aus.
Denn Fußball-Österreich, ja auch Nicht-Fußball-Österreich steht Kopf, wegen der Teamchef-Bestellung.
Dass dieser Job an einen Schweizer geht, noch dazu einen, den die meisten nicht kennen (gilt umgekehrt im übrigen für alle, wirklich alle österreichischen Trainer - die kennt außerhalb unserer Grenzen kein Schwein) brachte recht schnell den Herrn Karl im Österreicher (auch in der Österreicherin) zum Vorschein. "Ma braucht ned unbedingt von Ausland aan", sagt die Volksseele.
Mit diesem Backing lässt sich boulevardesk und campaignistisch schön arbeiten. Wenn das dann auch noch mit den Interessen der entsprechenden Seilschaften zusammenfällt ergibt das den perfekten Bashing-Mix. Davon haben wir gestern und heute nur einen zarten Vorgeschmack erlebt.
Auf in den Djihad!
Denn Fußball-Österreich steht nicht nur einfach so Kopf - die alten Seilschaften sehen sich nicht nur ihrer Pfründe beraubt, sondern auch alle zukünftigen Felle davonschwimmen, die sie bislang - mit zu schwacher Arbeit, mit international nicht konkurrenzfähigem Einsatz - quasi automatisch bekommen haben.
Das bedeutet Krieg; mehr noch: Djihad.
Die Hass-Prediger sind schon im Einsatz.
Die Lobbyisten gehen ihre Jobs an.
Frenk Schinkels wird schlecht, wenn er den aalglatten Ruttensteiner sieht. Herbert Prohaska droht Marcel Koller, dass er es "sehr schwerhaben" werde, unter ihm. Hans Krankl weiß ganz sicher, dass er nicht der richtige Mann sein kann und Kurt Jara besteht darauf, dass er das Anforderungs-Profil besser erfüllt hatte. Die anderen Trainer, selbst- oder fremdernannten Experten und ihre Strippenzieher im Medien-Boulevard schießen dahinter aus allen Rohren. Diese Bestellung sei nämlich, skandiert der Chefeinpeitscher, ein Schlag ins Gesicht der österreichischen Fußball-Lehrer.
Das ist richtig.
Es ist ein Schlag.
Und er erfolgt zurecht.
Zum wiederholtenmal: österreichische Trainer sind international nicht vermittelbar, jenseits der Landesgrenzen gerinnen sie zu bloßen Lachnummern.
Ein Schlag ins Gesicht der österreichischen Fußball-Lehrer
Blogroll:
Windter-Interview samt Anforderungsprofil.
laola1-Kommentar von Peter Altmann.
Marc Sand über Marcel Koller
Haberer-Analyse auf 90minuten.at
Fiala-Kommentar auf 90minuten.at
Ballverliebt-Kommentar.
Analyse von Tom Schaffer
Abseits.at-Analyse der Lobbyisten-Partie.
Appell bei Chancentod
Die Trainerausbildung (für die der ÖFB und die Landesverbände zuständig sind) hat sich in den letzten Jahren inhaltlich verbessert und an europäisches Niveau angedockt - aber eine absurde Vorauswahl-Politik die Ex-Nationalspieler bevorzugt, sortiert die Mourinhos und Tuchels aus; und liefert ausschließülich den Nachwuchs, der sich perfekt in die Seilschaften eingliedert. Die gern zitierte Wiener Mafia, die Prohaska/Austria-Partie, die Rapid-Partie, die Steirer-Partie, die Tiroler Partie etc. Diese nach klassischen männerbündischen Traditionen organisierten Interessensgemeinschaften zwischen älteren Internationalen, Ex-Spielern, Managern, Sport-Anwälten, Beratern, Sponsoren-Wichtigtuern und vor allem Medienleuten, die ihre ganz eigenen Machtinteressen verfolgen, teilen sich die jeweiligen Herrschaftbereiche auf und sorgen dafür, dass ihre Mitglieder "was werden". Wie es beim CV, beim BSA, bei den politischen Sportverbänden, in den Reichen der Raika, der Prölls oder bei der Faymann-SPÖ üblich ist; und überall in ganz Österreich. Ganz normale Klüngel-Politik eben.
Die auf Kosten der Transparenz und der Qualität geht. Wo dann nicht mehr wichtig ist, was rauskommt, ob die geleiteten Unternehmen oder Projekte erfolgreich oder idenditätsfördernd arbeiten, sondern nur wichtig ist, dass alle versorgt werden.
Lobbyisten, Klüngel, Partien, Haberer, Freundeskreise...
Herbert Prohaska etwa hatte sich unlängst in seiner Krone-Kolumne (in der er heftiger austeilt als in der weichlichen TV-Kommentatoren-Rolle) darüber beschwert, dass bei Trainer-Spekulationen nie sein guter Freund Andi Ogris auftauchen würde, dabei wär' der so super.
In den Kreisen der Fußball-Nomenklatura dieses Landes wird ganz offen und unverschämt mit der Verhaberung gespielt. Ganz wie man es in Politik und Wirtschaft vorlebt.
Dieses System der Machterhaltung ist jetzt in Gefahr - weil der wichtigste Job nicht an einen aus einem der Klüngel vergeben ist; sondern an einen Auswärtigen, einen Ausländer, einen, der niemandem was schuldig ist, einen, der nicht erpressbar ist, weil er ja nix werden muss, im System Österreich. So wie Sido, der Jeannee eine panieren kann, verbal.
Davor hat das System Angst.
Und deshalb wird jetzt mit dem heiligen Krieg gedroht.
Auch und vor allem gegen den Einfädler hinter der auswärtigen Lösung: ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner zieht, nimmt man die aktuellen Kommentare zusammen, mehr Hass auf sich als Gadhaffi und die innenpolitischen Korruptionisten zusammen.
... und das Feindbild: Ausländer und Modernitäts-Vertreter
Ruttensteiner ist aus seiner bisherigen Rolle des Troubleshooters, Warners und Mahners herausgetreten. Er hat gemerkt, dass er damit und mit der Politik der kleinen Schritte nicht weiterkommt im Kampf um den Eintritt des österreichischen Fußballs ins 21. Jahrhundert. Dass sein Aufbau einer gscheiten Struktur der Jugend-Nationalmannschaften nix nützt, wenn er von Ich-AG-Ex-Teamspielern und der Haberer-Partie unterlaufen wird.
Dass es dringend nötig ist, den ÖFB aus der Geiselhaft der Klüngel rauszuholen, einfach weil man dort in einem Tümpel an Fortschrittsfeindlichkeit, Korruption/Verhaberung, Postenschacherei, Xenophobie und populistischer Rückwärtsgewandtheit feststeckt.
Unverrückbar.
Deshalb das "Anforderungs-Profil" das in seiner Internationalität logischweise alle Österreicher ausschließt. Aufgeschlossenheit für sportwissenschaftliche Errungenschaften, den Aufbau einer Philosophie, Kommunikationsfähigkeit im Zeitalter der neuen Medien und internationale Erfahrung.
Didi Kühbauer hat ein paar Spiele in der Bundesliga, Andreas Herzog hat ein paar Spiele im Jugendbereich. Kurt Jara, für den die Unschuldvermutung gilt, ist nur wegen einer in letzter Minute beschlossenen außergerichtlichen Einigung nicht verurteilt worden, im Zusammenhang mit Unregelmäßigkeiten bei Spieler-Transfers.
Durch den jahrelang ungelüfteten Raum fährt ein Windstoß
Und jetzt kommt der Anti-Peppi, einer, der endlich dafür sorgen wird, dass diese Ekel-Geduze von Journalisten bei Pressekonferenzen aufhören wird, ein Gehabe, dass ja auch vor dem ÖFB-Präsidenten nicht Halt macht; ein Zustand, der ja erst für die Unvermittelbarkeit und die Lachnummern-Show im Ausland sorgt.
Allein das hat eine Wirkung wie ein geöffnetes Fenster für einen seit Jahren nicht durchgelüfteten Raum.
Diesen stickig-miefigen Raum verteidigt die aktuell vereint marschierende Volksfront der Klüngel.
Mit allen Mitteln.
Man wird um jeden Mann kämpfen, bis hin zu den Trottelsager-Buam.
Es wird ein wildes Gemetzel werden.
Mit klaren Fronten.
Es wird dazu führen, dass die (vergleichsweise kleine) Fraktion der Blogger und der kritischen Medien automatisch in die Rolle der Verteidiger dieses Versuchs, frischen Wind reinzulassen, kommen wird.
Liegt in der Natur der Sache, ist Teil einer logischen gesellschaftlichen Entwicklung.
Das gefällt mir jetzt schon gar nicht.
Es geht nicht darum, dass das erste Opfer von Kriegen immer die Wahrheit ist - weil es nur noch um Propaganda geht. Denn "wahr" ist an der interessengesteuerten Medien-Berichterstattung des Boulevards im Bereich des österreichischen Fußballs eh schon lang nix mehr.
Aber es besteht, wie bei allen Kriegen, die Gefahr dass die differenzierte Argumentation, eine, die nicht versucht ist, der Versuchung nachzugeben, einer, womöglich der wohl richtigen Seite komplett recht zu geben, und ausschließlich lobzuhudeln, verlorengeht.
Denn auch das wäre nicht "wahr".