Erstellt am: 5. 10. 2011 - 03:37 Uhr
Hochsommer im Oktober
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Wenn wir das gewusst hätten: Am 4. Oktober hat es 24 Grad, den Abend verbringst du liebend gern draußen, und selbst nur mit T-Shirt und Sommerhose wird dir am Nachhauseweg nicht kalt.
Wenn wir das gewusst hätten, dann hätte das Überraschungskonzert auch draußen stattfinden können. Standesgemäß mit Strandparty, Grillfest und schweißnasser Haut.
So aber hat das FM4 Überraschungskonzert mit Miami Horror immerhin in der denkbar besten Drinni-Location stattgefunden, der Pratersauna in Wien.
Da gibts einen schönen Garten, du bist mitten im Grünen, und sogar ein eigener Swimming Pool sorgt für Sommerabendpartyvorstellungsvermögen, selbst wenn der (auch für Schlagzeuger!) aus Sicherheitsgründen nur zum Anschauen und nicht zum Reinspringen gedacht ist.
Miami Horror haben ein FM4 Überraschungskonzert gespielt.
Christian Stipkovits
FM4 Überraschungskonzert
FM4 Überraschungskonzert - das heißt, die Sause beginnt eigentlich schon am Vortag zu Mittag. Nein, nicht weil du zu diesem Zeitpunkt bereits dort sein musst, oder dich in Essig und Öl einlegen musst; sondern weil wir dann an alle, die registriert sind, ein SMS oder eine Mail verschicken. Da stehen dann so Sachen drin, wie wann wer wo welches Konzert spielen wird. Wer da antwortet und Glück hat, kriegt einen fixen Gästelistenplatz plus eins - alle anderen dürfen auch gratis rein, aber eben nur, bis die Hütte voll ist.
Die Bonus-Überraschung ist diesmal das Wetter. Denn während die einen Spontanfreudenskundgebungen für den Klimawandel veranstalten, freuen sich die anderen darüber, die Zeit vorm Überraschungskonzert im schönsten Clubgarten der Stadt verbringen zu können.
Christian Stipkovits
Christian Stipkovits
Applaus
Dann gehts los, und Miami Horror gehen ab. Die vier Buben aus Australien passen sehr gut zu einem Überraschungskonzert in der Pratersauna. Allein schon deswegen, weil sie a) Erfahrung als DJs haben und daher Club-Ambiente gewöhnt sein sollten. Und weil sie b) auch mit Afterhour und Afterafterhour umgehen können - sie spielen nämlich spontan zwei Zugaben, obwohl das normalerweise gar nicht ihr Stil ist.
Christian Stipkovits
Das Gefühl Pop
Miami Horror, das sind Synthiepopper mit wundervoll glatten Melodien. Irgendwann früher, so 2007 oder 2008, war Miami Horror ein Ein-Mann-Projekt des heutigen Keyboarders Benjamin Plant. Damals hat er unter diesem Namen australische Indie-Bands geremixt. Und damit nicht nur mich verblüfft: Wie er aus Gitarrensongs plötzlich den locker-fluffigen Soundtrack für verschwitzte Strandpartys gemacht hat; wie er die Schwere eines Rocksongs in die Leichtigkeit von Miami Beach Strandmodenschauen verwandelt hat: das hat dazu beigetragen (gemeinsam mit Cut Copy oder Empire Of The Sun) gleich einen komplett neuen Musikstil zu benennen.
Das alles ist ewig her, und das Miami Horror von damals hat mit dem Miami Horror von heute so viel zu tun wie Miami Horror mit Horror, nämlich nicht viel. Miami Horror ist inzwischen eine Viermannband, die ihre eigenen Songs schreibt, eine super CD veröffentlicht hat, und in erster Linie daran interessiert ist, schwülstige Popgefühle möglichst unpeinlich in Clubs zu tragen.
Das liegt 2011 voll im Trend, und das ist durchaus gut so. Beschissen ist die Welt sowieso, da brauchen wir im Club so ziemlich alles, bloß keine Depri-Mucke. Ebenfalls voll zeitgeisty: die Lockenköpfe und Gesichtsfrisuren der Band - irgendetwas muss Miami Horror ja dann doch noch von den Schwiegersohnabziehblidern aus den 1980ern unterschieden. Jetzt sieht Sänger Josh Moriaty zwar aus wie Alain Prost mit ausgewachsenem Vollbart oder Vincent Gallo mit ausgewachsener Essstörung - aber immer noch besser, als würde er sein Leopardenprint-Hemd komplett ohne jeglichen ironischen Kontext spazierentragen.
Christian Stipkovits
Christian Stipkovits
Magie und Kraft
Im Livekonzert nimmt uns die Band auf einen trippigen Flug mit. Dabei sind Miami Horror eher die Business Class am Langstreckenflug im A340 als der Nervenkitzel im Schwerelosigkeits-Kotzbomber. Kraft durch Beschwörung. Magie durch Wiederholung. Und das Hintergrundrauschen des Fluggeräuschs, das Hintergrundwabern des Synthie-Soundteppichs - das nimmst du nach der Hälfte der Flugzeit schon gar nicht mehr wahr, obwohl das eigentlich der Hauptgrund dafür ist, dass du dich so angenehm weggetreten fühlst.
Im letzten Drittel weckt uns die Band dann wieder auf. Die letzten beiden Songs des regulären Sets sind die Radiohits Sometimes und Holidays. In der Zugabe gibts dann den Popfaktor-Overflow: Miami Horror interpretieren Once In A Lifetime von den Talking Heads und You Can Call Me Al von Paul Simon. Beides Songs mit super markanten Synthie-Sounds, die das Publikum zu "dä-dä-dä-däää"-Mitgrölen von Instrumentalteilen inspirieren. Ein sehr schöner und beinahe schon seit der Volksschulzeit in Vergessenheit geratener Brauch.
Christian Stipkovits
Wenn du jetzt nicht selig paralysiert bist, sondern du es im Gegenteil sogar ziemlich oasch findest, beim FM4-Überraschungskonzert nicht dabei gewesen zu sein: du kannst dich ziemlich easy für die SMS- oder Mail-Benachrichtigung registrieren. Alle Infos dazu gibts hier.
In der Hitze der Nacht
Zur ungewöhnlichen Oktoberhitze kommt die Clubhitze in der Pratersauna. Die Menschen auf der Bühne und die Menschen vor der Bühne haben längst eine Symbiose entwickelt: Das Publikum schaukelt die Arme in der Luft wenn Miami Horror sanftmütig ihre Songs vortragen. Das Publikum klebt ineinander fest, wenn Miami Horror zuckerlsüßen Kleister auf es herabgießt.
Was für eine schöne, große Pop-Torte das war. In die Zu!-Ga!-Be! Sprechchöre mischen sich Fans, die nach einem Dee!-Jay!-Set! lechzen. Aber beides bleibt fürs erste unerfüllbar. Nach einer Stunde haben Miami Horror keine Songs mehr. Weder eigene, einstudierte; noch fremde zum Auflegen;
Das mit dem Auflegen übernimmt dann Philipp L'Heritier, der den wärmsten, sonnigsten, strandigsten, kitschigsten, aber auch romantischsten 4. Oktober der Welt zu einem Ende bringt. Da liegen sich auf der Terrasse der Pratersauna aber schon alle in den Armen.
Christian Stipkovits
Christian Stipkovits