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Arthur Einöder

POP: Partys, Obsessionen, Politik. Ich fürchte mich vor dem Weltuntergang, möchte aber zumindest daran beteiligt sein.

5. 10. 2011 - 03:37

Hochsommer im Oktober

Das FM4 Überraschungskonzert mit Miami Horror in der Pratersauna. Mit Bilder und Video!

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Wenn wir das gewusst hätten: Am 4. Oktober hat es 24 Grad, den Abend verbringst du liebend gern draußen, und selbst nur mit T-Shirt und Sommerhose wird dir am Nachhauseweg nicht kalt.

Wenn wir das gewusst hätten, dann hätte das Überraschungskonzert auch draußen stattfinden können. Standesgemäß mit Strandparty, Grillfest und schweißnasser Haut.

So aber hat das FM4 Überraschungskonzert mit Miami Horror immerhin in der denkbar besten Drinni-Location stattgefunden, der Pratersauna in Wien.

Da gibts einen schönen Garten, du bist mitten im Grünen, und sogar ein eigener Swimming Pool sorgt für Sommerabendpartyvorstellungsvermögen, selbst wenn der (auch für Schlagzeuger!) aus Sicherheitsgründen nur zum Anschauen und nicht zum Reinspringen gedacht ist.

Miami Horror haben ein FM4 Überraschungskonzert gespielt.

Band mit engen Hosen in Jacketts

Christian Stipkovits

Kommen nicht aus Florida und sind auch nicht zum Fürchten. Ganz im Gegenteil: Miami Horror haben ein wunderschönes Überraschungskonzert gespielt.

FM4 Überraschungskonzert

FM4 Überraschungskonzert - das heißt, die Sause beginnt eigentlich schon am Vortag zu Mittag. Nein, nicht weil du zu diesem Zeitpunkt bereits dort sein musst, oder dich in Essig und Öl einlegen musst; sondern weil wir dann an alle, die registriert sind, ein SMS oder eine Mail verschicken. Da stehen dann so Sachen drin, wie wann wer wo welches Konzert spielen wird. Wer da antwortet und Glück hat, kriegt einen fixen Gästelistenplatz plus eins - alle anderen dürfen auch gratis rein, aber eben nur, bis die Hütte voll ist.

Die Bonus-Überraschung ist diesmal das Wetter. Denn während die einen Spontanfreudenskundgebungen für den Klimawandel veranstalten, freuen sich die anderen darüber, die Zeit vorm Überraschungskonzert im schönsten Clubgarten der Stadt verbringen zu können.

Menschenschlange vor Gebäude

Christian Stipkovits

Währenddessen vor der Pratersauna: Warten aufs Reinkommen in der Schlange.
Mann liegt am Bauch auf einem Sofa. Dahinter Wand mit vielen bunten FM4-Plakaten.

Christian Stipkovits

Währenddessen backstage: Chillaxen für den Überraschungsauftritt.

Applaus

Dann gehts los, und Miami Horror gehen ab. Die vier Buben aus Australien passen sehr gut zu einem Überraschungskonzert in der Pratersauna. Allein schon deswegen, weil sie a) Erfahrung als DJs haben und daher Club-Ambiente gewöhnt sein sollten. Und weil sie b) auch mit Afterhour und Afterafterhour umgehen können - sie spielen nämlich spontan zwei Zugaben, obwohl das normalerweise gar nicht ihr Stil ist.

Konzertfoto Miami Horror

Christian Stipkovits

Miami Horror beginnen mit dem FM4 Überraschungskonzert ihre Europa-Tour.

Das Gefühl Pop

Miami Horror, das sind Synthiepopper mit wundervoll glatten Melodien. Irgendwann früher, so 2007 oder 2008, war Miami Horror ein Ein-Mann-Projekt des heutigen Keyboarders Benjamin Plant. Damals hat er unter diesem Namen australische Indie-Bands geremixt. Und damit nicht nur mich verblüfft: Wie er aus Gitarrensongs plötzlich den locker-fluffigen Soundtrack für verschwitzte Strandpartys gemacht hat; wie er die Schwere eines Rocksongs in die Leichtigkeit von Miami Beach Strandmodenschauen verwandelt hat: das hat dazu beigetragen (gemeinsam mit Cut Copy oder Empire Of The Sun) gleich einen komplett neuen Musikstil zu benennen.

Das alles ist ewig her, und das Miami Horror von damals hat mit dem Miami Horror von heute so viel zu tun wie Miami Horror mit Horror, nämlich nicht viel. Miami Horror ist inzwischen eine Viermannband, die ihre eigenen Songs schreibt, eine super CD veröffentlicht hat, und in erster Linie daran interessiert ist, schwülstige Popgefühle möglichst unpeinlich in Clubs zu tragen.

Das liegt 2011 voll im Trend, und das ist durchaus gut so. Beschissen ist die Welt sowieso, da brauchen wir im Club so ziemlich alles, bloß keine Depri-Mucke. Ebenfalls voll zeitgeisty: die Lockenköpfe und Gesichtsfrisuren der Band - irgendetwas muss Miami Horror ja dann doch noch von den Schwiegersohnabziehblidern aus den 1980ern unterschieden. Jetzt sieht Sänger Josh Moriaty zwar aus wie Alain Prost mit ausgewachsenem Vollbart oder Vincent Gallo mit ausgewachsener Essstörung - aber immer noch besser, als würde er sein Leopardenprint-Hemd komplett ohne jeglichen ironischen Kontext spazierentragen.

Konzertfoto Miami Horror

Christian Stipkovits

Überraschung: Zwischen den Brusthaaren wird später noch ein goldenes Kreuz an einer Halskette zum Vorschein kommen.
Konzertfoto Miami Horror

Christian Stipkovits

Miami Horror haben drei heimliche Ziele: 1. die Welt zu verzaubern, 2. wie die Band-Version von Alan Braxe zu klingen und 3. sich die Fingernägel regelmäßig zu säubern. Zwei dieser drei Ziele haben sie bereits erreicht.

Magie und Kraft

Im Livekonzert nimmt uns die Band auf einen trippigen Flug mit. Dabei sind Miami Horror eher die Business Class am Langstreckenflug im A340 als der Nervenkitzel im Schwerelosigkeits-Kotzbomber. Kraft durch Beschwörung. Magie durch Wiederholung. Und das Hintergrundrauschen des Fluggeräuschs, das Hintergrundwabern des Synthie-Soundteppichs - das nimmst du nach der Hälfte der Flugzeit schon gar nicht mehr wahr, obwohl das eigentlich der Hauptgrund dafür ist, dass du dich so angenehm weggetreten fühlst.

Im letzten Drittel weckt uns die Band dann wieder auf. Die letzten beiden Songs des regulären Sets sind die Radiohits Sometimes und Holidays. In der Zugabe gibts dann den Popfaktor-Overflow: Miami Horror interpretieren Once In A Lifetime von den Talking Heads und You Can Call Me Al von Paul Simon. Beides Songs mit super markanten Synthie-Sounds, die das Publikum zu "dä-dä-dä-däää"-Mitgrölen von Instrumentalteilen inspirieren. Ein sehr schöner und beinahe schon seit der Volksschulzeit in Vergessenheit geratener Brauch.

Publikum ganz nah an der Band

Christian Stipkovits

Vielen Dank an Christian Stipkovits für die schönen Fotos.

Wenn du jetzt nicht selig paralysiert bist, sondern du es im Gegenteil sogar ziemlich oasch findest, beim FM4-Überraschungskonzert nicht dabei gewesen zu sein: du kannst dich ziemlich easy für die SMS- oder Mail-Benachrichtigung registrieren. Alle Infos dazu gibts hier.

In der Hitze der Nacht

Zur ungewöhnlichen Oktoberhitze kommt die Clubhitze in der Pratersauna. Die Menschen auf der Bühne und die Menschen vor der Bühne haben längst eine Symbiose entwickelt: Das Publikum schaukelt die Arme in der Luft wenn Miami Horror sanftmütig ihre Songs vortragen. Das Publikum klebt ineinander fest, wenn Miami Horror zuckerlsüßen Kleister auf es herabgießt.


Was für eine schöne, große Pop-Torte das war. In die Zu!-Ga!-Be! Sprechchöre mischen sich Fans, die nach einem Dee!-Jay!-Set! lechzen. Aber beides bleibt fürs erste unerfüllbar. Nach einer Stunde haben Miami Horror keine Songs mehr. Weder eigene, einstudierte; noch fremde zum Auflegen;

Das mit dem Auflegen übernimmt dann Philipp L'Heritier, der den wärmsten, sonnigsten, strandigsten, kitschigsten, aber auch romantischsten 4. Oktober der Welt zu einem Ende bringt. Da liegen sich auf der Terrasse der Pratersauna aber schon alle in den Armen.

Dudes

Christian Stipkovits

Dudes

Christian Stipkovits