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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

4. 10. 2011 - 12:35

Mach es doch selbst

Das Projekt functional_green bringt mit urbanen Interventionen Leben in einen eher tristen Platz.

Maciej Chmara hat das, was er als "Dorfdenken" bezeichnet, satt. Nämlich, dass das Denken und die Initiative vieler Leute mit dem Zaun ihrer Vorgarten aufhört. "Viele Leute finden ihre Stadt hässlich", meint er, "aber nur der Vorgarten wird gepflegt, nichts anderes. Man nimmt nichts in die Hand und man glaubt nicht an diese Gemeinschaft - was aber theoretisch die Stadt ausmacht."

Den Volkertmarkt in Wiens 2. Bezirk kann man sich am besten als tristen und recht abweisenden Platz vorstellen. Beton dominiert, zwischendrin gibt es vereinzelte grüne Flecken mit klassischer Hundstrümmerlvegetation. Am Rande dieses Marktes ist das Atelier des Design- und Architekturkollektivs stadtpark, das aus Maciej und Anna Rosinke besteht.

Die Beiden wollten sich mit dem Zustand des Platzes nicht mehr abfinden. Ausgehend von einem Konzept für die Vienna Design Week haben sie sich Gedanken darüber gemacht, wie sie Begrünung in der Stadt und damit verbundene soziale Aspekte am besten kommunizieren könnten. Ein starkes visuelles Statement stand am Anfang ihres Projekts functional_green.

Aus dem Parkplatz direkt vor ihrem Atelier haben sie einen Garten gemacht, wo Salat wächst und sie zusammensitzen können und frühstücken. Dafür haben sie sich auch eine Genehmigung vom Magistrat geholt.

Drei Personen sitzen an einem Tisch, der auf einem begrünten Rasen steht. Um sie herum Kisten mit Salatpflanzen.

Simon Welebil

Als sie mit ihrem Projekt begonnen hätten, sei ihnen vor allem Abneigung entgegengeschlagen, erzählt Maciej. Alle, die an ihrem "Parkplatz" vorbeigelaufen sind, hätten sich beschwert und geschimpft. Als sie dann mitbekommen haben, was die jungen Leute vorhaben, hätten sie gemeint, das würde doch eh alles zerstört und hätte eh keinen Sinn, was sie da machen.

Möglichst viele miteinbeziehen

Doch das Kollektiv stadtpark hat es geschafft, viele Menschen, die in und um den Park leben, in ihr Projekt miteinzubeziehen. Die Kinder und Jugendlichen, die sich sonst im Jugendzentrum nebenan aufhalten, helfen mit beim Setzen und Gießen der Pflanzen, die in Kisten neben dem Gebäude stehen. Viele von ihnen bekommen so erstmals mit, wie ihre Lebensmittel produziert werden und welcher Aufwand dahinter steckt.

Jugendzentrum am Volkertmarkt, vor dem einige Kisten mit jungen Pflanzen stehen

Simon Welebil

Das Jugendzentrum am Volkertmarkt

Im Rahmen von functional green hält Didi Bruckmayr einen Vortrag über zum Thema "Stadtimker".
Am 4.10. um 19:00 im Jugendzentrum am Volkertmarkt

"Urban Farming", wie es hier am Volkertmarkt betrieben wird, habe auch einen edukativen Ansatz und sei Bildung auf sogenanntem "niederschwelligem Niveau", meint Richard Mahringer, der die biologische Expertise zum Projekt beigesteuert hat. Die Kinder könnten aus reinem Interesse mitmachen, ohne dass ihnen irgendjemand etwas anschaffe. Bei Urban Gardening gehe es aber um mehr.

"Einerseits geht es um die Nahrungsmittelproduktion, aber nicht nur, sondern eben auch um diesen integrativen Bestandteil - dass man die Leute zusammenbringt, dass man ihnen ein Thema gibt, worüber sie reden können. Das ist ein Thema, wo auch die 50-jährige Türkin, die seit 20 Jahren noch mit keinem Österreicher Kontakt aufgenommen hat, weil sie unteschiedliche Lebensrealitäten haben, auch mitreden kann. Und dabei ist sie vielleicht sogar die größere Expertin als der Wiener."

Langsam wächst die Identifikation

Die AnrainerInnen des Volkermarktes beginnen sich langsam mit den grünen Interventionen am Platz zu identifizieren und sich verantwortlich zu fühlen. Das merkt man an einem Eck des Platzes, das die HobbygärtnerInnen saniert haben. Sie haben den Müll entsorgt, das Gestrüpp herausgerissen und sogar die alte Erde mit frischer ausgetauscht.

Ein Salatbeet mitten in der Stadt

Simon Welebil

Jetzt wächst dort Herbstgemüse, Salat, Pak Choi, Radieschen und Ruccola. Die ProjektbetreiberInnen würden aus diesem Gemüse gerne eine Marke machen - "Volkertmarktgemüse". Oder es auch direkt am Markt veredeln, sprich verkochen. Vielleicht ist es diese Visioin von "regionaler Nahrungsmittelproduktion", die die AnrainerInnen inzwischen sogar dazu bringt, Hunde zu verscheuchen, die versuchen an die Beete zu gehen. Ein anderer Grund könnte aber auch der sein, dass mit "functional green" auch das zuvor ungeliebte "Gassiplatzerl" renaturalisiert worden ist, mit dem gleichen Rasen, der auch vor dem Design-Atelier liegt.

Ein eingezäuntes Gassiplatzerl, das mit einem Stück Rasen, attraktivert wurde.

Simon Welebil