Erstellt am: 3. 10. 2011 - 16:45 Uhr
Die Tobin-Dings aka Finanztransaktionssteuer
"Beruhigungspille oder Allheilmittel?" - so lautet aktuell die wirtschaftspolitische Debatte zur geplanten Einführung der sogenannten Finanztransaktionssteuer, auch Tobin-Tax genannt.
Die EU Kommission möchte, angetrieben von Verfechter-Ländern wie Deutschland, Frankreich oder auch Österreich, eine derartige Steuer auf Finanztransaktionen 2014, zumindest in der Eurozone, etablieren.
Der Handel mit Aktien und Anleihen soll, laut diesem Kommissionsvorschlag, mit 0,1 Prozent besteuert werden – sogenannte Derivate gar nur mit 0,01 Prozent - also einem zehntel Promille.
Neu ist diese Steuer, die nun Agenda von Faymann, Merkel und Sarkozy ist, aber keineswegs.
Warum kommt sie aber gerade jetzt?
flickr.com/photos/phillip
Ein paar Eckpunkten zur Tobin-Tax
Als sich die globalisierungskritische Gruppe ATTAC 1997 gründet, hat sie diese Steuer sogar als Namensgeber, bedeutet ATTAC doch auf Deutsch: Vereinigung für eine Tobin Steuer zum Nutzen der Bürger.
Da gab es aber noch keine existenzielle Finanz- und Wirtschaftskrise – und so waren, außer Herrn Tobin, der die Steuer in der 70ern erfunden hat, fast alle dagegen. Mit der Geschichte der selbstregulierenden Märkte konnte man damals noch punkten.
Nach der Krise sieht das freilich anders aus.
Täglich werden Billionen an Dollar über den Globus bewegt, alleine das Volumen des hochspekulativen Derivat-Handels hat jenes der realen Wirtschaft bereits um das Fünfzehnfache überstiegen.
Gewettet und gezockt wird dabei auf alles, was nicht bei drei auf den Bäumen oder in Liechtenstein ist: Währungen, Firmenanteile, Fonds und auf sogar der Zusammenbruch ganzer Versicherungen oder gar Staaten. Mit den bekannten Folgen wie Währungskrisen oder steigenden Lebensmittelpreisen.
Da nun kaum jemand noch über ATTAC und Herrn Tobin lacht, kommt also in 3 Jahren die Besteuerung aller Finanztransaktionen mit 0,01 bis 0,1 Prozent. Das klingt lächerlich wenig, kann aber, vor allem bei Kapital, das täglich bewegt wird, in der Summe schon große Beträge lukrieren.
Denn gestoppt und gezähmt soll ja vor allem die reine, tägliche Spekulation werden – die kaum Nutzen für die reale Wirtschaft hat.
Die Frage ist allerdings, ob das scheue Reh Kapital nicht etwa auf andere Handelsplätze wie London oder die USA ausweicht. Denn dort will man von dieser Steuer bis heute nichts wissen.
Ob die Tobin Tax also eine Wunderpille zur Bekämpfung der Schuldenkrise oder ein Placebo zum Ruhigstellen der Kritiker ist, wird erst ab 2014 feststehen.
Trotzdem wollte ich aber schon jetzt wissen, was die Auskenner hierzulande von diesem Vorstoß der EU Kommission halten. Ich habe Dr. Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut befragt:
WIFO
Frau Schratzenstaller, die Finanztransaktionssteuer - so sie so kommt wie von der EU-Kommission geplant - soll ab 2014 also in Kraft treten. ATTAC fordert das etwa seit der Gründung vor knapp 15 Jahren, und obwohl sie anfangs dafür belächelt wurden hat man jetzt das Gefühl, dass von Pühringer über Faymann bis zu Merkel plötzlich alle ganz begeistert davon sind. Was hat sich da historisch getan?
Es gibt ja kaum eine Steuer vor deren Einführung so lange diskutiert wurde, eigentlich hat sie ja bereits Keynes in den 30er Jahren vorgeschlagen und der Nobelpreisträger Tobin in den 70ern dann wieder neu aufgegriffen - als Devisentransaktionssteuer. Mittlerweile will man aber natürlich nicht mehr nur die Devisentransaktionen besteuern, sondern eben alle. Die Diskussion wurde natürlich aber auch stark von den Spekulationen gefördert, durch die Volatilitäten auf den Finanzmärkten und eben auch vor allem durch die Finanzkrise 2008. Da hat sich ja gezeigt, dass dort große Irrationalitäten stattfinden, die dann auch starke, negative Rückkoppelungen auf die Realwirtschaft haben. Das ist sicher ein wichtiger Grund, warum diese Steuer jetzt salonfähig wurde.
Zur Umsetzung: Die Prozentsätze sollen zwischen 0,1 und 0,01 % variieren. Ist das wirklich geeignet diese Irrationalitäten zu mildern?
Diese Bandbreite der Steuersätze ist schon durchaus nachvollziehbar, auch in unserer (WIFO) Studie haben wir mit diesen Sätzen gerechnet. Der Grund für die niedrigere Besteuerung von Derivaten liegt auch an ihrer hohen Mobilität, auf die man natürlich achtgeben muss. Jedenfalls ist bei dieser Höhe, sollte die Steuer nur in einer Gruppe von EU Ländern eingeführt werden, nicht davon auszugehen, dass sich diese Geschäft ganz verflüchtigen und einfach wo anders hingehen. Ob Steuersätze von 0,01 % dann tatsächlich auch Lenkungseffekte haben kann man vielleicht bezweifeln, andererseits gibt es dann aber auch keine negativen Effekte auf die Realwirtschaft. Aber selbst wenn das Lenkungspotenzial relativ gering ist, bleibt das Einnahmepotenzial - und das ist ja ein wichtiger Grund für die Einführung - doch beträchtlich.
Da möchte ich gleich einhaken: Vor allem die marktliberale Presse argumentiert damit, dass solange London oder die USA hier nicht dabei sind, das Kapital einfach abwandert und die Geschäfte woanders stattfinden, auch Schweden hat ja einst schlechte Erfahrungen in diese Richtung gemacht und zählt nun zu den schärfsten Kritikern der Tobin-Tax. Sie glauben das abr nicht weil sie meinen, die Beträge sind zu gering?
Ich denke mit diesen niedrigen Steuersätzen wird sich die Abwanderung in Grenzen halten. Auch die 0,1 % sind ja niedriger als etwa die 0,5 %, die GB schon jetzt auf die Umsätze an der Londoner Börse einheben.
Eine kleine Verständnisfrage für Laien: Ist diese FTS eigentlich vergleichbar mit einer Umsatzsteuer, die etwa jeder von uns im Supermarkt auf alle Produkte zahlen muss?
Ja und nein. Insofern nein, als die FTS - und hier besteht ein großes Informationsdefizit - ja nicht den Endkunden betreffen soll. Private Haushalte und Transaktionen von den klassischen "Unternehmen" sind ja von dieser Steuer ausgenommen. Wenn Sie also Dollar kaufen, weil sie in die USA fahren, oder ein Unternehmen Devisen für die Exportfinanzierung braucht, ist das nicht steuerpflichtig. Von dieser Konzeption her, nicht den Endverbraucher zu belasten, ist die FTS also gegenteilig zur Umsatzsteuer. Betreffen will man die professionellen Akteure auf den Finanzmärkten. Man will Hedgefonds und all jene Finanzinstitutionen treffen, die eben hochspekulative Transaktionen durchführen.
Wie hoch schätzen sie dennoch die Chance ein, dass diese FTS nicht nur im Euroraum sondern in der gesamten EU, einschließlich GB, kommt?
Ich glaube, dass man hier realistisch bleiben sollte. In einem Schritt wird man wohl nicht alle 27 EU-Länder dazu bringen. Obwohl der Vorschlag der Kommission sehr konsensfähig sein dürfte. Aber wenn eine Gruppe von Ländern voran prescht und hier eine Vorreiterrolle einnimmt, also Deutschland und Frankreich etwa, und sich zeigt, dass die FTS eben nicht zu verheerenden realwirtschaftlichen Auswirkungen führt, sondern im Gegenteil eine sehr wachstumsfreundliche Steuer ist die auch hohe Einnahmen erzielt, mit der man auch Budgets sanieren kann, werden sich wohl auch viele Länder anschließen.