Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Song Zum Sonntag: Apparat"

Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

2. 10. 2011 - 14:36

Song Zum Sonntag: Apparat

Epische Endzeit: Black Water

Fover von Apparats The Devil's Walk"

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"Wenn es nicht Liebe ist, ist es die Bombe, die uns zusammen bringt", hat Morrissey scharf beobachtet - die Apokalypse scheint neben Liebe und Trennung (und noch vor Spaß) eine der prominenteren Topoi des Pop zu sein - man setze statt Bombe "Umweltzerstörung", "Hunger", "Krise" usf. adlib ein und hat das Oevre der zehn bekanntesten Bands der Welt zu einem Drittel abgehakt, allen voran natülich das von U2 und ihrer Follower. Apparat mag offenbar, wenn nicht U2 dann zumindest ihren "Erfinder", den prä New-Wave Coolness Inhaber Brian Eno und seine Freunde Gabriel und/oder Byrne (nein, nicht Gabriel Byrne) ... von einem der Dreien könnte diese - durchaus herausragende-Nummer nämlich leicht sein.

Portrait Apparat, ganzkörper auf einer Mauernische sitzend

shitkatapult.com

Aber man tut ihm hier Unrecht: Mit Agitpop hat das hier - zumindest textlich- nichts zu tun. Hier gibt es kein protestierendes, sich erhebendes Ich, sondern einen an der fragmentierten und fragmentierenden Realität Verzweifelnden. Die Realität ist gar nicht das, was wir sehen, so wie früher. Ja, er hat abgedrückt, aber das war ein Fehler, doch wir sind alle vergänglich. Vieles im Text bleibt im Dunkeln, oft auch durch eigewilliges Englisch, wie etwa die Formulierung "till they spread her ghost on" oder das Wort "surgency", das es nicht gibt, das aber eine erfundene Umkehrung von "Insurgency" ("Aufstand") sein könnte. Der Titel st jedenfalls unheimlich, auch duch seine Anklänge an Celans "Schwarze Milch" und den Namen für die Pest ("black death"). Dazu kommt, dass ein Rauschen sich in die Produktion enschleicht, das sich am Schluss als Regen herausstellt, als Dauerregen, auch eine Folge der atomaren Apokalypse.

  • Der Song zum Sonntag auf FM4
  • Über Apparat macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.

Apparat tritt am 8 . November im Wiener Flex auf

Aber das sind Mutmaßungen. Was am meisten auffällt, ist ein altbewährter musikalischer Eno Trick: Der "Backbeat" - also der Akzent auf dem zweiten von vier Schlägen, der viel für die Wucht von Rockmusik von Elvis bis AC/DC verantwortlich ist - wird dadurch verwischt, dass z.B. die Gitarre alle vier Beats durchschlägt, verzerrt, verhallt und den Anschlag verwaschend. Dadurch entsteht der Eindruck, dass das Lied schleicht, während das Hauptrhythmusinstrument rast - vielleicht das Gegenteil von Groove, der das ja umgekehrt haben will. Dazu wird so subtil wie möglich gesteigert, im besten Fall sollte man die Steigerung erst bemerken, nachdem sie schon vollzogen ist, wie in "Bolero" von Ravel - Fertig. Diesen Trick hat, genau, Brian Eno erfunden und damit Bowie's "Heroes" eine Melancholie und zugleich einen unverwechselbaren Drive verliehen, sodass er seitdem von Bands verwendet wird, die genau das wollen, von Ride bis Arcade Fire. Später hat sich Eno diese flirrende Stimmung, dann nochmal für U2's "With or Without you" selbst geklaut und seitdem ist sie auch ein bisschen mit Kitsch verbunden. Und auch Black Water ist bei aller Eleganz in der Produkton eben auch ein bisschen eine Achtziger Weltuntergangs Kitsch Nummer -Aber warum soll er nicht dürfen, was jeder Chillwaver darf?