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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

1. 10. 2011 - 13:28

Ethnische Konflikte in Bulgarien

"Die Zigeuner zur Seife!": Das schreien die Massen auf den Straßen Bulgariens seit einer Woche.

Diese Parolen kommen meistens aus den Mündern von minderjährigen Nationalisten und Fußballfans, aber die normalen Bürger unterstützen still die Antiroma-Proteste, die in allen bulgarischen Großstädte durchgeführt werden.

Auslöser der Proteste war ein Vorfall im Plovdiver Vorort Katunitza letzten Samstag. Dort hat ein gewisser "Zar Kiro" das Sagen. Der Romabaron Kiril Raschkov, dessen Hauptgeschäft das Herstellen von falschem Alkohol ist, glaubt wirklich, er sei der Zar von diesem südlichen bulgarischen Dorf. Er hat alles, was ein Zar haben muss - einen riesigen Marmorpalast, unzählige schwarze Limousinen und Unantastbarkeit vor dem Gesetz. Alle Mitglieder des Raschkovclans gelten als arbeitslos, leben aber in purem Luxus. Die noble Romafamilie hat nie Vermögenssteuern bezahlt. Alle örtlichen Behörden wurden bestochen, damit "Zar Kiro" ruhig seinen Unwesen in Katunitza treiben konnte.

Die Spannung eskalierte letzten Samstag als Gäste der Romafamilie einen 19-jährigen Jungen im Dorf absichtlich überfahren haben. Das brachte endgültig die Wut der Menschen in Katunitza zum Kochen und sie stürzten sich auf einen Lynchzug gegen Zar Kiro. Seine Autos wurden umgeorfen und verbrannt. Der Lynchmob gegen Kiril Raschkov passierte am gleichen Tag wie die Fußballrunde der bulgarischen Liga. Betrunkene Fußballfans, die von den Ereignissen in Katunitza erfahren haben, fuhren zum Dorf. Dort wurden die Häuser von Zar Kiro mit Molotowcocktails abgefackelt. All das passierte vor den Augen von über 300 Polizisten, die den Befehl hatten, nicht einzugreifen. Die Regierung hatte Angst, sich vor den kommenden Präsidentschaftswahlen auf eine Seite zu stellen.

Brandanschlag in Bulgarien

EPA

In den nächsten Tagen folgten in Sofia, Plovdiv, Varna und Russe Solidaritätsprotesten für die Bevölkerung von Katunitza. Dabei wurden mehr als 200 Menschen inhaftiert. Bei den "friedlichen" Protesten wurden Übergriffe auf die Romaviertel der Großstädte geplant. Die Roma hingegen haben sich bewaffnet und waren bereit sich zu verteidigen.

Bei dem Fall "Zar Kiro" wurde ein Problem mit Korruption und organisiertem Verbrechen von den Ultrarechten in Bulgarien absichtlich in eine ethnische Nische geschoben. Im ganzen Land gibt es derartige "Landlords" unterschiedlicher ethnischer Abstammung, die das Volk terrorisieren. Sie kaufen sich die Behörden und machen was sie wollen.

Anschlag des Palastes

EPA

Ich sage aber gar nicht, dass Bulgarien kein Problem mit den Roma hat. In den Jahren des "Übergangs" vom Kommunismus zum Kapitalismus haben jegliche Integrationspolitikversuche des bulgarischen Staats bei den Roma auf Granit gestoßen. Es kommt noch dazu, dass die Politik in Bulgarien die Roma gerne im Hintergrund belassen möchte. So sind ihre Stimmen bei den Wahlurnengängen leicht mit Essen, Alkohol oder Barem zu kaufen. Das Beispiel des "alten Europa", mit der Ausweisung von Roma aus Frankreich, ist auch nicht unbedingt gut. Es beweist nur, dass es sehr schwierig ist, ein Volk, das anscheinend nicht zum ansässigen Leben fähig ist, der Gesellschaft anzupassen. Und diese Aufgabe kommt auf einige der ärmsten europäischen Länder zu, wo die Roma mehrheitlich leben.

"Zar Kiro" wurde verhaftet, während ihn die Polizei von der "Volksliebe" beschützt hat. Ich glaube nicht, dass die Anklage gegen ihn betreffend "Todesdrohung" je vor einem Gericht standhalten wird. Die rund 200 Hooligans, die bei und nach der Verbrennung von Raschkovs Palast in Haft gekommen sind, werden wahrscheinlich auch bald freie Menschen sein. Die Regierung wird mit allen Mitteln versuchen, vor den Wahlendie Geschichte so schnell wie möglich zu vertuschen. Ob sich die Politik gegenüber den Roma ändern wird, zeigt nur die Zukunft. Ich glaube, dass je schneller die Verwantwortlichen im "Westen" begreifen, dass die Roma jetzt ein gesamteuropäisches Problem sind, desto rascher werden in Zukunft solche ethnische Spannungen vermieden.