Erstellt am: 30. 9. 2011 - 21:06 Uhr
Journal 2011. Eintrag 179.
2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009. Das heißt: Ein täglicher Eintrag, der als Anregungs- und Denkfutter dienen soll, Fußball-Journal '11 inklusive.
Hier finden sich täglich Geschichten und/oder Analysen, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo (oder nur unzureichend) finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.
Heute über das Buch: Wolfgang Ambros: die Biografie, erschienen bei Ueberreuter.
Keine Ahnung wer mir warum die Ambros-Biografie geschickt hat. Die mit dem geschickt platzierten Vorab-Aufreger, der "Enthüllung" dass Fendrich gekokst hat, was wiederum das Ende einer alten Musikerfreundschaft bedeutet, zumindest solange bis das nächste Projekt ansteht, zu dem man nicht nein sagen kann. Ein gezielt gesetztes Produkt, dem das kommerzielle Interesse aus jeder Pore quillt. Weil ich ein Trottel bin und aufgrund der Nähe zur Musikszene und als Wissender um das Zeit-Kolorit auch eine Ausrede habe in sowas reinzuschauen, hab ich das 200-Seiten-Opus heute auf einer U-Bahn-Fahrt angelesen.
Und ich habe wieder etwas dazugelernt. Dass es offensichtlich total egal ist, ob eine Person des öffentlichen Lebens, deren Verfaßtheit man eigentlich kennt, deren Stimme vertraut klingt und deren Stil nicht verwechselbar ist, sich als jemand ganz anderer darstellt; oder besser: darstellen lässt.
Sagen wir es so: Bob Dylan, und der Vergleich sitzt, weil Ambros' Einfluß in einer Phase des Aufbruchs des Landes (den 70ern) mit dem Einfluß den Dylan in der zentralen Umkrempel-Phase seines Landes hatte, durchaus gleichwertig daherkommt, Bob Dylan hat seine Chronicles so ausgestellt, dass sie genau das hergeben, was er, der Künstler hergeben möchte. Kontrolliert, raffiniert.
Und sagen wir es so: Ambros schafft das nicht. Der führt nicht auf, der lässt sich vorführen.
"Professionell". Von Profi-Ghostwritern.
Nichts gegen Ghostwriter.
Das Biografienwesen wäre ohne Ghostwriter unbrauchbar, unleserlichstr. Die meisten Promis können keine zwei flüssigen Sätze aneinanderreihen, da zahlt sich massive Lektoren-Arbeit schon aus.
Am besten ist so ein Ghostwriter aber dann, wenn man ihn nicht bemerkt; wie ein Schiedsrichter beim Fußballspiel. Wenn die Leserschaft das Gefühl hat, die Person, die da ihr Leben erzählt, spricht authentisch zu ihr, dann haben alle gewonnen.
Im Fall von Ambros ist das nicht so schwer: er ist ein einstmals rebellischer, überaus mißtrauischer, den Autoritäten, dem Staat, den Medien und den meisten Menschen der Musikbranche unendlich argwöhnisch gegenüberstehender Misanthrop, der sich vor allem deshalb (unfreiwillig) in die Geiselhaft des rückwärtgewandten Bewahrertums begeben hat, weil er allzu vorschnell das Meiste des "Neuen" sofort als feindlich identifiziert und abgetan hat. Klar ist es nicht lustig, wenn sich hunderte Hunde an einem noch Denkmal reiben, es ankacken und bepinkeln, weil sie für Stein halten, was noch Leben in sich trägt. Aber sowas darf man aushalten, wenn man als Nationalheiliger gilt, auch im Weltzentrum der Weinerlichkeit, der pampigen Ang'rührtheit, in Österreich. Vor allem dann, wenn man - und das für die Ewigkeit - als Nummer 1 genannt werden wird, wenn es um österreichische Popmusik geht, als der der vor dem Falco da, und deutlich wirkungsmächtiger war, was den hiesigen Seelenzustand betrifft.
Diese Tonalität versprüht und verbreitet Ambros seit Jahren und Jahrzehnten, für jeden deutlich vernehmbar; und mit dieser Rolle (seiner späteren Phase) hat er die junge Rotzpipn-Zeit (die frühe Phase) klar überlagert.
Sie darzustellen, in einer Biografie, ist für einen guten Ghostwriter kein Problem, sondern ein schierer Genuß.
Da kommt jetzt aber ein Zeit-Phänomen dazwischen: die Angst, das Schissertum. Ein neues Publikum, so spekulieren die Verkäufer, die Verleger, die Marketing-Fritzen, die Manager, will sowas nicht: grummelige Weltverachtung, bärbeißige Keppelei. Die brauchen Schmankerln, häppchengerecht serviert, pfiffig erzählt. So wie es in den Medien des hiesiegen seicht-spracharmen Unterhaltungs-Journalismus vorgeführt wird.
Mag sein.
Aber angenommen, dass die wahre Leser-Masse, der wabbrige Mainstream das tatsächlich gut findet: wollen sie diese Fake-Sprache auch jemandem in den Mund gelegt sehen, den sie ganz anders kennen, sprachlich, tonalitätstechnisch?
Glauben die, dass der scroogige Wolfgang Ambros in Wahrheit ein Erzähler von simmelscher Kolportagehaftigkeit ist; und: wollen die so eine Fake-Version?
Ich glaube nicht.
Selbst der depperdste Vorstadt-Prolo, selbst die dümmste Landpomeranze und der hinterste Fake-Reality-Selbstdarsteller zieht da ein Schnoferl und fühlt sich verarscht.
Weil man ja weiß, dass der Typ ganz anders ist, als einem hier weisgemacht wird.
Andrea Fehringer und Thomas Köpf, die Ghostwriter aus dem Kernland der Auftrags-Schreiber, wahre Kolportage-KönigInnen, sind auf verlorenem Posten. Jeder mühsam erdachte Formal-Gag: völlig umsonst. Der Pseudo-Dialog mit der Figur des "Lesers": total lächerlich; als ob Ambros sich in irgendwelchen Fragen von irgendwelchen konsumenten irgendwas reinreden lässt. Da, in den Hals, liesse der sich eher reinstechen, als sowas zu machen. Da lachen ja die Hühner.
Und so geht das, die ganzen Kapitel 2, 3 und 4, in die ich reingelesen habe, in die interessante Anfangs-Zeit, Ende 60er, Anfang 70er. Und ja, zwischen den Zeilen erfahre ich, der ich die Orte, Personen und Gefühligkeiten noch zuordnen kann, ein bisserl was. Aber nicht genug für eine halbwegs authentische Biografie.
Und die anderen, die Spät-Geborenen, erfahren gar nix, weil sie in jeder Zeile spüren, dass hier ein falscher Ambros am Werk ist, ein Papp-Kamerad, dessen Mund von Hand animiert wird.
Gut, die Biografie ist nicht ganz so lächerlich wie die des jungen Dingens (ich hab den Namen vergessen, schön blöd...) damals über Hansi Lang; weil sie immerhin von Menschen verfaßt wurde, die sich ein wenig mit Umfeld, Zeit und Zeitgeschichte beschäftigt haben und nicht ganz naiv heutige Verhältnisse über vergangene Geschehnisse stülpen, als wären sie erstsemestrige Geschichts-Studenten.
Und, nein, man gewöhnt sich nicht an den Fake-Erzähler. Ein Reinschauen in spätere Kapitel zeigt das. Und auch die Serie mit den "Sieben Regeln" zu diversen Dingen flacht immer mehr ab, je länger es dauert. Die Abwesenheit des echten Ambros, seiner echten Stimme, wird zunehmend unerträglicher.
Der flapsige Faker, den die Ghostwriter da erfunden haben, man möchte ihm eine reinhauen und anschreien, dass er nicht so geschwollen daherreden soll, sondern normal. Das ist wie bei Herbert Prohaska, wenn eine Kamera auf ihn gerichtet ist: da wird aus einem pfiffigen Dialekt-Erzähler ein zaghaft Hochdeutsch holpernder Traumined.
Ein Alptraum.
Der falsche Ambros aus der Fake-Biografie ist auch so der öde öffentliche, glattgebügelte Prohaska. Gut wird der immer nur während der Spiele, die er nachher uninterressant pseudoanalysiert. Und genau so eine Pseudo-Analyse ist dieses Buch. Könnte bitte der echte Wolfgang Ambros vortreten und den falschen Buch-Kasper da fest in den Arsch treten? Danke!